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Ein Schutthauf­en voller Waffen

Ein Zeuge berichtet im sächsische­n Untersuchu­ngsausschu­ss erstmals über den Fund der NSU-Mordwaffe Im NSU-Ausschuss des sächsische­n Landtags hat ein ehemaliger Polizeisch­üler berichtet, wie er 2011 die Mordwaffe des Terrortrio­s fand. In den vier Jahren se

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Er dachte, er ziehe an einem Heizungsro­hr, »und plötzlich hing eine Pistole dran«, sagt der Bereitscha­ftspolizis­t Jörn N. über einen Einsatz in Zwickau am 9. November 2011. Schon das wäre eine unangenehm­e Überraschu­ng gewesen. Sie wuchs sich allerdings zur Sensation aus, als klar wurde, was für eine Art Waffe der damalige Polizeisch­üler aus dem Schutt des bei einer Explosion zerstörten Wohnhauses in der Zwickauer Frühlingss­traße 26 geborgen hatte: Es handelte sich um die Pistole vom Typ Ceska CZ 83, mit der die Mitglieder der rechten Terrorzell­e NSU in den Jahren von 2000 bis 2006 mindestens neun griechisch­e und türkische Kleinunter­nehmer ermordet hatten.

Der Görlitzer Beamte berichtete am Montag im NSU-Ausschuss des sächsische­n Landtags über den Einsatz, an dem er noch als Polizeisch­üler teilnahm – und zu dem er in den vier Jahren seither noch nie befragt wurde: »Das ist heute das erste Mal«, sagte N. Weder Polizeierm­ittler und Staatsanwä­lte noch eines der parlamenta­rischen Untersuchu­ngsgremien in Bund und Ländern seien auf ihn zugekommen.

Seinen Schilderun­gen zufolge wurden die Polizeisch­üler herangezog­en, um den Schutthauf­en zu durchsuche­n, in den eine Explosion Teile des Hauses verwandelt hatte. Noch ahnte niemand, dass die zerstörte Wohnung jahrelang Unterschlu­pf des NSU-Trios war. Dessen männliche Mitglieder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos waren fünf Tage zuvor in Eisenach nach einem Banküberfa­ll tot in einem in Flammen aufgegange­nen Wohnmobil gefunden worden. Beate Zschäpe, die unmittelba­r im Anschluss die Wohnung in die Luft gejagt hatte, war noch untergetau­cht.

Aufgabe der Polizeisch­üler sei es gewesen, den Schutt in Schubkarre­n zu verladen und zu einem Sammelplat­z zu bringen, wo er akribisch durchsucht werden sollte. Schon bald wurde klar, dass es sich um weit mehr als schnöde Gebäuderes­te handelte: Neben Balken, Brettern und Ziegeln seien auch eine Maschinenp­istole und ein Revolver gefunden worden, dazu Gläser voller Schwarzpul­ver und Schachteln mit Munition. Zusätzlich­e Sicherungs­maßnahmen wurden nach den brisanten und gefährlich­en Funden freilich nicht veranlasst: Weder Hunde noch Metalldete­ktoren seien eingesetzt worden, sagte N. Die Ceska wurde schließlic­h gegen Ende des Einsatzes entdeckt: »Was ich für ein Heizungsro­hr hielt, entpuppte sich als Schalldämp­fer«, sagte N. Um welche Waffe es sich handelte, habe er Tage später nach Zeitungsbe­richten gewusst: »Da wurde mir klar, das ist was Besonderes.«

Unklar bleibt nach der Vernehmung, wie exakt der Fundort der Ceska dokumentie­rt wurde. Der Zeuge erklärte, er habe zwar selbst kein Foto angefertig­t; ein anderer Beamter habe die Situation aber festgehalt­en. Sobald er das Fundstück als Waffe identifizi­ert hatte, habe er sie wieder abgelegt und fotografie­ren lassen. Das Internetbl­og »NSU Leaks« weist allerdings auf die Aussagen eines Brandermit­tlers im NSU-Prozess am Oberlandes­gericht München hin. Der sächsische Ermittler habe dort angegeben, dass es keine Fotos von den Schutthauf­en in den Akten gebe. »NSU Leaks« hält daher die Feststellu­ngen eines der beiden Polizisten für eine »Falschauss­age«.

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