Die EU und der Pakt mit dem Teufel
Die eben noch gescholtene Türkei soll »sicherer Drittstaat« werden
Vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise hat der türkische Staatspräsident Erdogan am Montag einen Besuch in Brüssel begonnen.
Die EU und die Türkei – das garantierte stets spannungsgeladene Begegnungen. Jüngster Reibungspunkt war die Aufforderung Brüssels an Ankara, die Streitfragen mit den Kurden friedlich zu lösen, was vom türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan schroff zurückgewiesen wurde. Nun weilt Erdogan seit Montag in Brüssel, doch der Ton dürfte diesmal deutlich milder ausfallen. Sowohl EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker als auch Donald Tusk als Präsident des Europäischen Rates wollen eine Vereinbarung mit Ankara, die dazu führt, dass deutlich weniger syrische Bürgerkriegs-Flüchtlinge um Asyl in den EU-Staaten nachsuchen.
Die Zahl der geflüchteten Syrer in den Lagern hinter der Grenze zur Türkei, hat seit 2013 die Millionengrenze überschritten. Die EU hat bereits Verständnis für die türkischen Klagen geäußert und Hilfe angekündigt, um die Lage der Menschen dort zu erleichtern. Konservative deutsche EU-Politiker haben das, was sie von Ankara erwarten, unverblümter ausgedrückt. »Erdogan muss als Verbündeter Wert darauf legen, dass er die Grenzen wieder schließt«, sagte Elmar Brok (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im EU-Par- lament, der »Welt« vom Montag. Und der Vizepräsident des Parlaments Alexander Graf Lambsdorff (FDP) sagte der Zeitung laut dpa: »Ich erwarte, dass die Türkei fortsetzt, was sie die letzten Jahre gut gemacht hat: eine vorbildliche Flüchtlingspolitik und eine wirksame Kontrolle der Außengrenze.« Dazu – und das ist wohl des Pudels Kern – soll die Türkei allen eigenen bisherigen Vorhaltungen über Menschenrechtsverletzungen in der Türkei zum Trotz zum »sicheren Drittland« erklärt werden, wohin Flüchtlinge ohne Bleiberecht »zurückgeschoben« werden können.
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl lehnt dies ab, ebenso Die LINKE und die Grünen im Bundes- tag. Die Abgeordnete Sevim Dagdelen, Vizevorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, spricht von einem »teuflischen Pakt mit Erdogan« und fordert, diesen »sofort auf Eis zu legen«. Die Türkei sei kein »sicheres Herkunftsland«, sondern trete die Menschenrechte insbesondere von Kurden und Oppositionellen mit Füßen. Der GrünenFraktionsvorsitzende Anton Hofreiter kritisierte in der ARD, dass Erdogan einen Großteil der Flüchtlinge aufnehmen solle, »und dafür drücken wir zum Ausgleich beide Augen zu, wenn dort die Menschenrechte zum Beispiel der Kurden verletzt werden«. Dadurch würden neue Fluchtursachen geschaffen.