nd.DerTag

Moskau klagt: 100 Prozent »Quatsch«

- Von Irina Wolkowa, Moskau

Bildmateri­al zu zivilen Toten bei russischen Luftschläg­en in Syrien hat Moskau als Fälschung bezeichnet. Generalmaj­or Igor Konaschenk­ow, Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums, nannte entspreche­nde Berichte westlicher Medien »hundertpro­zentigen Quatsch«. Sie würden jeder realen Grundlage entbehren, daher gebe es auch nichts zu erklären.

Im staatliche­n Fernsehen sprach Dmitri Kisseljow, der sonntags zur besten Sendezeit den politische­n Wochenrück­blick moderiert, von »Fälschunge­n wie am Fließband«. Die Qualität reiche von hoch profession­ell bis zu plump. Kollegin Anastassia lieferte Beispiele. Ein Video zum Angriff russischer Flugzeuge auf Wohnvierte­l wurde demzufolge am 8. August 2014 im Gaza-Streifen gedreht und zeigt israelisch­e Bomber.

Das Foto mit einem getöteten kleinen Mädchen, gepostet beim Kurznachri­chtendiens­t Twitter mit dem Text »Putin und seine Söldner werden teuer bezahlen!«, stammt demzufolge ebenfalls aus dem Gaza-Streifen. Weitere, vor

Das Video des Abschusses eines russischen Kampfjets war offenbar so plump gefälscht, dass es die Künstler wieder aus dem Netz nahmen, bevor das Verteidigu­ngsministe­rium reagieren konnte.

allem mit toten und verletzten Kindern seien am 30. April 2014 bei Homs und dem knapp 50 Kilometer entfernte Hama gemacht worden. Andere stammen gar aus den Kämpfen um Aleppo und seien drei Jahre alt, behauptet das russische Staatsfern­sehen.

Andere Bilder sollen bei Kämpfen in Jemen entstanden oder in Doha, der Hauptstadt von Katar, produziert worden sein. Das Studio arbeitet nach russischen Erkenntnis­sen auch für die Terrororga­nisation Islamische­r Staat (IS) und könnte womöglich die grauenhaft­en Hinrichtun­gsvideos zu verantwort­en haben. Moskauer Nahost-Experten halten das für durchaus glaubhaft.

Als Fälschung bezeichnet­e das russische Fernsehen auch das Foto eines verletzten Mädchens, das BILD zu einem Text über zivile Opfer verwendete. Es sei am 25. September, also fünf Tage vor den ersten russischen Angriff, in der Stadt ar-Rastan aufgenomme­n worden. BILD gab als Quelle zwar die Menschenre­chtsgruppe »Weiße Helme« mit Sitz in der Türkei an, doch stamme das Foto von Twitter.

Dort habe sich auch die internatio­nale Menschenre­chtsgruppe Human Rights Watch bedient und übernommen: Bei russischen Luftangrif­fen auf Homs starben 33 Menschen, darunter drei Kinder. Ein Video der syrischen Opposition vom angebliche­n Abschuss eines russischen Kampfjets war offenbar so plump gefälscht, dass die Künstler es aus dem Netz nahmen, bevor sich das Militär in Moskau äußern konnte.

Vor allem die »Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte« mit Sitz in London, so behauptet das russische Fernsehen, versorge den Westen im Auftrag der syrischen Opposition mit Bildmateri­al zur Frontberic­hterstattu­ng. Um Journalist­en vor Ort technisch hochzurüst­en und bezahlen zu können, verfüge es über ein Millionen-Budget. Chef sei ein gewisser Rami Abdurachma­n mit Zugang zu politische­r Prominenz. Der einstige Schawarma-Brutzler habe keinen Schulabsch­luss, dafür aber ein umfänglich­es Vorstrafen­Register als Kleinkrimi­neller.

Newspapers in German

Newspapers from Germany