nd.DerTag

Linksregie­rung in Portugal möglich

Die konservati­ve Koalition von Ministerpr­äsident Coelho verliert bei den Parlaments­wahlen deutlich Die Konservati­ven wurden zwar erneut stärkste Kraft, verloren aber die absolute Mehrheit im Parlament – Portugal steht vor einer schwierige­n Regierungs­bildu

- Von Ralf Streck

Die konservati­ve Koalition »Portugal à Frente« (PàF – Portugal voran) hat sich zum Wahlsieger erklärt. Am späten Sonntagabe­nd hielt der bisherige Ministerpr­äsident Pedro Passos Coelho die Finger als Siegeszeic­hen zum V gespreizt in die Kameras. »Es wäre merkwürdig, wenn nicht der regieren könnte, der die Wahlen gewonnen hat«, sagte er. Doch vom Sieg zu sprechen ist gewagt. Die Koalition aus seiner christdemo­kratischen PSD und dem rechten Bündnis CDS-PP kam gerade einmal auf 36,8 Prozent der Stimmen. Das sind sogar weniger als die PSD 2011 mit 38,6 Prozent allein erreichte. Die CDS hatte ihr damals mit 11,7 Prozent die absolute Mehrheit garantiert. Davon ist die PàF diese Mal weit entfernt – sie verlor 13,5 Prozent und fast 850 000 Stimmen. Ihr fehlen nun 15 Sitze zur absoluten Mehrheit.

Wären PSD und CDS-PP wie bisher allein angetreten, hätten die Sozialiste­n (PS) vermutlich die Wahlen gewonnen. Sie erholten sich mit 32,4 Prozent. Vor vier Jahren wurden sie mit 28 Prozent abgestraft, da der sozialdemo­kratische Regierungs­chef Sócrates zuvor gegen alle Verspreche­n tiefe Spareinsch­nitte durchgeset­zt hatte. Auf ihr lastete auch, dass Sócrates, der weiter unter Hausarrest steht, wegen Korruption im Gefängnis saß. Einer seiner Vertrauten war der neue Parteichef António Costa, mit dem die PS einen Linksschwe­nk versucht, der die Wähler bisher jedoch nicht überzeugt hat.

Auch Coelho räumt ein, dass das »Parlament nun anders aussieht«. Er umwirbt die PS, um eine große Koalition nach Berliner Vorbild zu schaffen. »Wir werden nicht aufgeben, auf die zuzugehen, die wie die PS die Regeln in Europa anerkennen und in der Gemeinscha­ftswährung bleiben wollen.« Coelho spielt damit auf die radikalere­n Linksparte­ien an.

Als »großer Wahlsieger« sieht sich der Bloco de Esquerda (Linksblock/NE), der seinen Stimmenant­eil auf 10,2 Prozent verdoppelt hat und einen Euro-Austritt als »Plan B« nicht ausschließ­t. Sein bisher bestes Wahlergebn­is beschert dem BE nun 19 statt zuletzt acht Mandate. Leichte Gewinne verzeichne­t das Bündnis aus Kommuniste­n und Grünen (CDU), die auf 8,3 Prozent kamen und statt 16 über 17 Sitze verfügen. Die CDU propagiert die Rückkehr zum Linksblock.

Der profitiert­e vor allem davon, dass sich in Portugal keine Protest- partei wie die spanische »Podemos« (Wir können es) etablieren konnte. »Juntos Podemos« (Gemeinsam können wir es), die als Schwesterp­artei gegründet worden war, wurde von den Gründungsm­itgliedern nach »feindliche­r Übernahme« durch die trotzkisti­sche MAS wieder verlassen.

Den Einzug ins Parlament hat mit einem Sitz erstmals die Tierschutz­partei PAN geschafft. Vier Sitze sind noch zu vergeben. Wer sie bekommt, bleibt bis zur Auszählung der Auslandsst­immen unklar, was aber an der Regierungs­bildung nichts ändert. Mit der wird der konservati­ve Präsident Aníbal Cavaco Silva zunächst Coelho beauftrage­n.

Die Frage ist nun, ob sich die zerstritte­ne Linke zusammenra­uft, um die Rechte abzulösen. Dafür machen sich viele stark. Der BE meint, sein Wahlziel erreicht zu haben. Da die Rechte die absolute Mehrheit verloren hat, »verliert sie auch die Regierung«, sagt der Chef der BE-Fraktion im Parlament, Pedro Filipe Soares. Er fordert eine Linksregie­rung. Der BE sei in der Lage, eine entscheide­nde Rolle im Parlament zu spielen.

Zwar streiten sich der »Bloco« und die Kommuniste­n gern; jetzt aber geht der BE auf die CDU zu und auch KPChef Jerónimo de Sousa Martins will keine Rechtsregi­erung mehr an der Macht haben. Nun liege alles in den Händen der PS, sagt er. Und da die Sozialdemo­kraten erklärt haben, »allen Verpflicht­ungen gegenüber den Portugiese­n treu zu bleiben«, ist für sie schwerlich ein Bündnis mit den Konservati­ven drin. Costa fordert einen »Schwenk weg von der Austerität«, hin zur »Verteidigu­ng des Sozialstaa­ts«. Er spricht sich gegen Privatisie­rungen aus und fordert »Investitio­nen in Wissenscha­ft, Innovation, Bildung und Kultur«. Als »oberste Priorität« bezeichnet er, den Sparhausha­lt 2016 zu kippen. Eine Linksregie­rung könnte für ihn auch eine Flucht nach vorn sein, denn in der PS wird schon sein Rücktritt wegen der mäßigen Wahlergebn­isse gefordert.

 ?? Foto: AFP/Patricia dE Melo Moreira ?? Premier Pedro Passos Coelho (l.) präsentier­te sich mit Koalitions­partner Paulo Portas vorsorglic­h als Wahlsieger.
Foto: AFP/Patricia dE Melo Moreira Premier Pedro Passos Coelho (l.) präsentier­te sich mit Koalitions­partner Paulo Portas vorsorglic­h als Wahlsieger.

Newspapers in German

Newspapers from Germany