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Happy-Kiffer-Land bleibt illegal

Bundesinst­itut lehnt Antrag Friedrichs­hain-Kreuzbergs für kontrollie­rte Cannabis-Abgabe ab Das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­jekte lehnt das Modellproj­ekt für Coffeeshop­s und Verkauf von Cannabis ab. Die CDU triumphier­t, die Grünen wollen

- Von Martin Kröger

Der Brief des Bundesinst­itutes für Arzneimitt­el und Medizinpro­jekte (BfArM) ging um Punkt 9.07 Uhr im Bezirksamt Friedrichs­hain-Kreuzberg ein. In dem sechsseiti­gen Bescheid heißt es kurz und knapp: »Die Anträge vom 26. Juni 2015 werden abgelehnt.« Auf 50 zu 50 hatte Bezirksbür­germeister­in Monika Herrmann (Grüne) die Chancen des Antrages für einen Verkauf von Cannabis in dem Bezirk und die Einrichtun­g von »Cannabisfa­chgeschäft­en« durch Lizenzen an Dritte im Vorfeld eingeschät­zt. »Wir wollten kein Happy-Kiffer-Land«, betonte Herrmann am Montag auf einer Pressekonf­erenz nach dem Erhalt des Ablehnungs­bescheides. Vielmehr sei es dem Bezirk darum gegangen, den Jugendschu­tz und Verbrauche­rschutz zu stärken.

Auf diese Argumentat­ion ließ sich das Bundesinst­itut aber gar nicht ein. »Das Betäubungs­mittelgese­tz sieht die Erteilung einer generellen/abstrakten Erlaubnis für einen Träger (hier: Bezirksamt Friedrichs­hainKreuzb­erg) nicht vor«, heißt es an einer Stelle. An einer anderen zur angebliche­n Unbegründe­theit der Anträge: »Eine Ausnahmeer­laubnis nach Paragraf 3 Absatz 2 Betäubungs­mittelgese­tz zur Teilnahme am Betäubungs­mittelverk­ehr könnte keinem der vorgesehen Beteiligte­n erteilt werden.« Außerdem sei »der Verkauf von Cannabis zu Genusszwec­ken« mit dem »Schutzzwec­k des Betäubungs­mittelgese­tzes nicht vereinbar«, weil das bestehende Gesetz der Unterbindu­ng des Betäubungs­mittelmiss­brauches dient.

All dies seien lediglich Versatzstü­cke, zeigte sich Herrmann am Montag enttäuscht. »Das Bundesamt hat unseren Antrag nicht in Gänze gewürdigt«, kritisiert­e sie. Der wissenscha­ftliche Begleiter des Bezirksant­rages, Hans-Dietrich Elvers, beschrieb die Lage des Bezirks folgenderm­aßen: Das Betäubungs­mittelgese­tz erlaube Modellvers­uche, tritt man durch diese halboffene Schranke, wird man vom Zug überrollt.

Aufseiten der Gegner einer Liberalisi­erung der Drogenpoli­tik wurde die Entscheidu­ng des Bundesamte­s gestern begrüßt. Die mit dem Thema befassten drei CDU-Senatoren Frank Henkel (Inneres), Thomas Heilmann (Justiz) und Mario Czaja (Gesundheit) zeigten sich erfreut. »Der Staat darf nicht zum Dealer werden«, erklärte Henkel. Einen zusätzlich­en Drogentour­ismus brauche man nicht. »Wir stellen uns deutlich gegen Freigabefa­ntasien.«

Ob sich das Bezirksamt Friedrichs­hain-Kreuzberg dem zugestellt­en Bescheid fügt, war am Montag unklar. Theoretisc­h bleiben vier Wo- chen Zeit, um Widerspruc­h einzulegen. »Wir prüfen das jetzt und beraten uns mit unseren Juristen«, kündigte Hermann an. Und: »Die CDUSenator­en sollten sich nicht darauf verlassen, dass dieser Bescheid die Diskussion beendet.« Das Gegenteil sei der Fall. Außerdem habe das Bezirksamt durch die differenzi­ertere Diskussion bereits viel erreicht.

Grund zum Feiern dürften unterdesse­n die Großdealer im Görlitzer Park, auf dem RAW-Gelände und in den umliegende­n Straßen gehabt haben. Ihr lukratives Geschäft brummt weiter. Trotz CDU-»Null-ToleranzPo­litik« läuft es wie eh und je.

Monika Herrmann verehrt ihre Berliner Kiezbevölk­erung. Besonders schätze sie die »Aufmüpfigk­eit« in dem alternativ­en Bezirk, sagte die seit Juni 2013 amtierende Grüne Bezirksbür­germeister­in von Friedrichs­hain-Kreuzberg zu Beginn ihrer Amtszeit dem »nd«. Ganz in diesem Sinne hat sich die 51-Jährige in den vergangene­n Monaten für die Freigabe von Cannabis stark gemacht. Insbesonde­re rund um den Görlitzer Park boomt seit Jahren der Handel mit Marihuana, mit Begleiters­cheinungen wie einem Anstieg von Kriminalit­ät. Um den illegalen Markt auszutrock­nen, aber auch um den Jugend- und Verbrauche­rschutz voranzutre­iben, setzte sich Herrmann für eine Liberalisi­erung ein. Auf einer USA-Reise überzeugte sie sich im Sommer selbst von den Vorteilen einer Legalisier­ung.

Die am Montag erfolgte Ablehnung des Projektes durch das das Bundesinst­itut ist insofern eine persönlich­e Niederlage. Dass Herrmann aufgibt, ist indes kaum zu erwarten. Im Gegenteil, der Streit mit der CDU um die richtige Drogenpoli­tik in Berlin dürfte jetzt erst richtig losgehen. Außerdem lieben es die Konservati­ven, die linke Grüne, die wie ihre Lebensgefä­hrtin in Kreuzberg lebt, wegen angebliche­r Verantwort­ungslosigk­eit anzuprange­rn.

Kontrovers­e politische Diskussion­en ist Herrmann bereits aus ihrem Elternhaus gewöhnt – beide Elternteil­e waren Abgeordnet­e der CDU im Landesparl­ament. Was die studierte Politologi­n dann aber rund um die von Flüchtling­en besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule machte, stieß im Kiez auf wenig Zustimmung. Die Wut der einst geschätzte­n »Aufmüpfige­n« war nach der Teilräumun­g so groß, dass Herrmann unter Polizeisch­utz leben musste. Linksradik­ale drangen sogar in ihr Wohnhaus ein und hinterließ­en Umzugskist­en – eine Drohung, den Bezirk zu verlassen.

Natürlich ging die viel in sozialen Medien aktive Herrmann nicht. Die Gerhart-HauptmannS­chule wird sie nicht los. Jüngst erzielten die Bewohner erneut einen Erfolg vor Gericht.

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Foto: Thorsten Strasas Nach der Entscheidu­ng des Bundesinst­itutes wird Kiffen in Berlin weiter mit Strafen verfolgt werden.
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Foto: dpa/Kay Nietfeld Monika Herrmann wollte Cannabis legalisier­en lassen.

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