Bedingungen statt Buhrufe
Lausitzer LINKE will einen echten Dialog über die Einkreisung der Stadt Cottbus führen In Forst und Cottbus soll ergebnisoffen über die geplante Kommunalreform diskutiert werden. Darüber ist sich die LINKE einig.
»Die müssen uns überzeugen. Sonst wird die LINKE Lausitz nicht zustimmen«, sagt André Kaun, Chef der Linksfraktion im Cottbuser Stadtparlament. In dieser Ansage steckt eine handfeste Drohung gegen die geplante Kreisreform. Die bislang kreisfreien Städte Cottbus, Brandenburg/Havel und Frankfurt (Oder) sollen mit umliegenden Landkreisen zusammengelegt werden und wehren sich dagegen.
Mit Matthias Loehr und Anke Schwarzenberg gehören zwei Cottbuser zur Linksfraktion im Landtag. Dazu kommt René Wilke aus Frankfurt (Oder). Die rot-rote Koalition verfügt im Landtag über eine Mehrheit von nur drei Stimmen. Spielen Loehr, Schwarzenberg und Wilke bei der Kreisreform nicht mit, dann wäre sie gestorben. »Dem aktuellen Entwurf würde ich nicht zustimmen«, verrät Wilke. Der Diskussion will er sich aber nicht verschließen.
Maximal zehn Kreisverwaltungen hält Rot-Rot für ausreichend. So steht es im Koalitionsvertrag. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) und Finanzminister Christian Görke (LINKE) reisen durchs Land, um dies zu debattieren. Nun kommen sie in die Lausitz. An diesem Dienstag sind sie ab 17 Uhr in der Sporthalle des Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasiums in Forst, am Mittwoch um 17 Uhr im Radisson Blu Hotel in Cottbus, wo sich Görke von seiner Staatssekretärin vertreten lässt.
Bei den bisherigen Konferenzen sei nur selten ein Dialog zustande gekommen, kritisiert der Abgeordnete Loehr. Er weiß: »Aufgrund der demografischen Entwicklung und der sich verändernden Finanzausstattungen der Länder ab 2020 führt an einer Funktional- und Verwaltungsstrukturreform kein Weg vorbei.« Allerdings: »Alle Vorschläge müssen vorher einer gründlichen Prüfung unterzogen werden.« Für die LINKE sei der »öffentliche, transparente und ergebnisoffene Dialog« mit den Bürgern in den Kommunen »Grundvoraussetzung« für das Zustandekommen einer Strukturreform. Die Definition neuer Kreisgrenzen stehe ganz am Ende. Der Kreisverband Lausitz, dessen Vorsitzender Matthias Loehr ist, stellt Bedingungen. Er verlangt beispielsweise eine spürbare Teilentschuldung und eine Neuregelung der Finanzbeziehungen mit dem Land, die künftig so organisiert sein sollen, dass strukturelle Haushaltsdefizite der Vergangenheit angehören. Außerdem soll das Landesamt für Soziales und Versorgung mit Hauptsitz in Cottbus erhalten bleiben. Es ist unter anderem für Schwerbehindertenausweise zuständig. Und die neuen Kreisstädte sollen vom Landtag festgelegt werden.
Dem Innenminister schwebt dagegen vor, das Landesamt aufzulösen und die Kreisstädte durch Bürgerentscheide bestimmen lassen. Dann jedoch könnten sich alte Vorbehalte des Umlands gegen die Lau- sitzmetropole Cottbus so auswirken, dass Forst oder Senftenberg als Sieger aus der Abstimmung hervorgehen und nicht Cottbus – obwohl es mit seinen rund 100 000 Einwohnern viel größer ist und als Kreisstadt eigentlich die erste Wahl sein müsste.
Was Loehr fordert, geht über kosmetische Korrekturen am Reformentwurf des Innenministers weit hinaus. In Parteikreisen kursierten vor zwei Wochen Informationen, Loehr werde demnächst mit einer Erklärung zur Kreisreform an die Öffentlichkeit gehen. Über Details wusste man nicht Bescheid und argwöhnte, Loehr werde sich prinzipiell querstellen, um sich in seinem Wahlkreis nicht unbeliebt zu machen.
Doch Loehr wählte nach Auffassung seines Fraktionskollegen HansJürgen Scharfenberg einen anderen Weg. »Ich finde das bemerkenswert«, lobt Scharfenberg. »Das ist mutig.« In Brandenburg/Havel sei der Innenminister ausgepfiffen worden und auch in Frankfurt (Oder) ausschließlich auf Ablehnung gestoßen, erinnert Scharfenberg. Loehrs Vorstoß versteht er nun als Aufruf zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung, bei der Cottbus nicht einfach nur Nein sagt, sondern seine Möglichkeiten auslotet und selbstbewusst eigene Positionen formuliert. »Es ist für den Dialogprozess ganz wichtig, dass man miteinander redet«, betont Scharfenberg. Dabei könnte zum Schluss auch herauskommen, dass die Kreisreform so wie gedacht nicht funktioniere. »Aber soweit sind wir noch gar nicht.«