Quadratur der Landkreise
Der Streit um die Thüringer Gebietsreform spitzt sich zu – dramatischer Appell aus der CDU
Die rot-rot-grünen Pläne für eine Gebietsreform sind umstritten, trotzdem will das Dreierbündnis unbedingt daran festhalten. Man will aber bei der Umsetzung regionale Besonderheiten berücksichtigen.
Erfurt. Der Streit um die Gebietsreform beschäftigt die Thüringer Landespolitik. Regierung und Opposition haben sich zuletzt im Landtag einen intensiven Schlagabtausch über die rot-rot-grünen Pläne für eine Gebietsreform geliefert. Vertreter der Landesregierung aus Linkspartei, SPD und Grünen versprachen dabei, bei der Reform würden Veränderungen an den Regionalstrukturen nicht einfach von oben verordnet. »Natürlich werden wir dabei regionale Besonderheiten beachten«, sagte Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) am Freitag in einer Regierungserklärung. Unter anderem aus der CDU kam scharfe Kritik an dem Vorhaben.
Niemand wolle eine Schablone über das Land legen, die nicht zu den regionalen Besonderheiten passe, sagte Poppenhäger. Die Landesregierung wisse um die Eigenheiten der Kommunen beispielsweise in der Rhön, im Eichsfeld und im Thüringer Wald. Allerdings sei eine Reform der Struktur von Landkreisen, kreisfreien Städten, kreisangehörigen Städten und Gemeinden unvermeidlich.
Die Zahl der Thüringer nehme ab, die Menschen würden älter, stellte der Minister fest. Darauf müsse auch die Verwaltung reagieren. Größere Verwaltungseinheiten seien in der Lage, ihre Aufgaben effizienter zu erledigen. Dies sei bekannt. »Es gibt seit Jahren kein Erkenntnisdefizit. Es gibt ein Handlungsdefizit«, sagte Poppenhäger.
Unterstützung bekam der Thüringer Innenminister von Abgeordneten der rot-rot-grünen Koalition. Das Argument, große Landkreise seien bürgerfern, sei falsch, erklärte etwa der kommunalpolitische Sprecher der Linksfraktion, Frank Kuschel. »Es gibt Menschen, die wohnen neben dem Rathaus und trotzdem ist die Verwaltung ganz weit weg, weil sie es nicht versteht, die Menschen mit einzubeziehen.« Wie Kuschel bemerkte auch der Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Dirk Adams, die Koalition lege keine fertige Gebietsreform vor, sondern wolle ihre Pläne nun mit den Menschen im Freistaat diskutieren.
Vertreter der Unionsfraktion kündigten Widerstand gegen eine Gebietsreform an. Dabei wolle man »mit der kommunalen Familie« zusammenarbeiten, sagte der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Fiedler. Die zentralen Argumente von Rot-Rot-Grün für eine Reform seien alle falsch. Noch nie habe etwa ein Gutachten zu den Erfahrungen aus anderen Bundesländern mit Gebietsreformen Einspareffekte belegt, sagte Fiedler. Das Bündnis werde mit der Reform »das ganze Land anzünden.« Sie werde vor allem zulasten des länd- lichen Raums gehen. Zustimmung, aber auch Bedenken äußerten SPDKommunalpolitiker bei einer Tagung am Freitagabend in Erfurt. Der Bürgermeister von Schleiz, Jürgen Klimpke (SPD), warnte vor den Folgen für kleinere Städte. Mit 8500 Einwohnern würde Schleiz seinen Status als Kreisstadt verlieren, den die Stadt seit 1880 trage.
Deshalb sei zu befürchten, dass in Schleiz bis zu 1000 Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Klimpke verwies auf den Verlust des Landratsamts und den möglichen Umzug der Kreissparkasse. Der SPD-Fraktionschef Matthias Hey konstatierte: »Es wird Gewinner und Verlierer geben.«
Klimpke zufolge ist die Verwaltung in den vergangenen Jahren »massiv teurer geworden«. So koste es beispielsweise mehr Zeit, einen Personalausweis herzustellen. »Hier müssen wir gegensteuern«, forderte das Stadtoberhaupt. Die Landrätin des Kyffhäuserkreises, Antje Hochwind (SPD), sagte, ihr Kreis arbeite bereits mit dem Nachbarkreis Nordhausen zusammen, um Stellen einzusparen.
Niemand wolle eine Schablone über das Land legen, die nicht zu den regionalen Besonderheiten passe, sagt Minister Poppenhäger.