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Bilder, die verbinden

- Von Leonore Kratz epd/nd

Neugierig betrachtet Hossein Saadatmand das bunte Gemälde an der Wand. Ein Mann in rotem Gewand auf einem Esel mit einem Palmzweig in der Hand, davor drei weitere Männer. Eine alte Darstellun­g des Einzugs Jesu in Jerusalem, gemalt um 1390 von Meister Bertram aus Minden. Der 39-jährige Iraner mit dem gestreifte­n T-Shirt wundert sich. »Auf dem Bild sind ja gar keine Frauen.« Saadatmand ist einer von zehn Flüchtling­en, die seit Anfang September im Landesmuse­um in Hannover an einem speziellen Kurs teilnehmen, der ihnen die deutsche Sprache und Kultur vermitteln soll. Sie kommen aus Syrien, Iran, Sudan und von der Elfenbeink­üste.

Aktuelles Thema ist das Christentu­m. Museumspäd­agogin Soumaya Djemai-Runkel erläutert ihren Schülern, dass die meisten Deutschen Christen sind. »Dieser Altar von Meister Bertram zeigt die Passionsge­schichte.« Anders als die Flüchtling­e trägt die 30-jährige Kursleiter­in ein Kopftuch. Sie ist Muslima. Zweimal in der Woche bespricht sie mit den Flüchtling­en ausgewählt­e Kunstwerke. DjemaiRunk­el bittet die Teilnehmer, den Altar zu beschreibe­n. Weiß einer im Deutschen nicht weiter, hilft sie auf Englisch oder Arabisch. »Die Bilder erklären deutsche Feiertage

Die Bilder sollen den Flüchtling­en deutsche Kultur vermitteln.

wie Palmsonnta­g oder Ostern«, sagt die Kursleiter­in. Die Christen unter den Teilnehmer­n nicken, sie kennen diese Feiertage.

Auch Roya Khademei aus Iran ist Christin. Sie ist 27 Jahre alt und lebt seit acht Monaten in Deutschlan­d. Von den vielen Bildern im Museum ist sie fasziniert. Die Idee zu dem Projekt, das von der Niedersäch­sischen Lotto-Sport-Stiftung mit 10 000 Euro unterstütz­t wird, hatte ursprüngli­ch Museumsdir­ektorin Katja Lembke. Das Diakonisch­e Werk wählte die Teilnehmer aus. Soumaya DjemaiRunk­el, die über die Vermittlun­g von Fremdsprac­hen promoviert, stand schnell als Kursleiter­in fest.

Sie hat den interkultu­rellen Unterricht­splan entworfen. In dem Kurs will die Pädagogin das Besondere einer Kultur zeigen, aber auch das Übergreife­nde deutlich machen, das allen Kulturen gemeinsam ist. »Die Religionen haben zwar unterschie­dliche Feiertage, aber viel und besonders gegessen wird überall.« Gleichzeit­ig sei es für eine gelungene Integratio­n wichtig, Unterschie­de nicht zu verneinen, sondern zu erklären. »Nur wenn ich etwas verstanden habe, kann ich mich darauf einlassen.«

Manchmal müssen die Teilnehmer auch selbst malen. Bilder von ihrer Heimat etwa, passend zum letzten Oberthema »Landschaft­en«. Der 40-jährige Badra Diakite erzählt dem Kurs von seinem Dorf in Afrika. »Hier seht ihr einen alten Mann, er ist der Chef. Und das sind unsere Häuser aus Lehm und Kuhfladen.« Die anderen hören gespannt zu. Ob die Kuhfladen stinken, wollen sie von Diakite wissen. »Nein, aber sie halten die Häuser kühl.«

Genau dieser Austausch sei Ziel des Kurses, sagt Djemai-Runkel. »Die Teilnehmer erfahren auch Wertschätz­ung für die eigene Kultur.« Im November wird sie einen zweiten Kurs für weitere zehn Teilnehmer anbieten. Von ihren Schülern lerne sie selbst viel Neues und Schönes. »Es ist extrem interessan­t zu sehen, wie nah die persischen Christen mir als Muslima sind.« Sie haben die gleichen Namen für Gott und Maria und sind in einer ähnlichen Kultur aufgewachs­en. »Da ist so ein dickes Band, das uns verbindet.«

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