Ziemlich viele dunkle Flecken
Zu »25 Jahre sind genug«, 2./3.10., S. 17
Was mich bewegt, ist die Tatsache, dass wir uns mit der Bundesrepublik vereinigt haben – oder wurden, wie auch immer. Wir haben uns mit einem Staat vereinigt, der so scheint es, keine eigene Geschichte hat, und auch keine »weißen Flecken«. Die Darstellung der Geschichte der DDR ist meistens der 17. Juni 1953, der Bau der Mauer, die Staatssicherheit und die Öffnung der Grenze 1989. Aber wie sieht die Geschichte der Bundesrepublik aus? Erinnert sei an das Jahr 1952, als Philipp Müller ermordet wurde, weil er gegen die Remilitarisierung in Westdeutschland demonstrierte. Dies war das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dass ein Demonstrant durch die Polizei getötet wurde.
Oder erinnern wir uns an das Verbot der KPD, die Verfolgung und die tausendfache Verurteilung ihrer Mitglieder. Insgesamt wurden bis 1968 zwischen 150 000 und 250 000 Ermittlungsverfahren wegen politischer Vergehen eingeleitet, zwischen 7000 und 15 000 Personen wurden verurteilt.
Auch sonst wurden absurde Urteile gefällt. Offizielle Kontakte zur DDR standen unter Strafe, der Besuch eines FDGB-Kongresses konnte Westdeutschen genauso zum Verhängnis werden wie Kontakte zum DDR-Sportbund. Überall witterten Staatsanwälte illegale KPD-Aktivitäten. Selbst das Tragen einer roten Nelke am 1. Mai konnte gefährlich sein, weil ein Richter darin ein Zeichen der Verbundenheit mit der verbotenen KPD erkennen könnte. Ich erinnere mich an die Studentenunruhen 1968, an den Tod von Benno Ohnesorg 1967, an Rudi Dutschke in West-Berlin.
Aber auch heute gibt es erhebliche Defizite: Ich denke nur an den Umgang mit Demonstranten in Stuttgart oder daran, dass bis heute mordend durch die Republik ziehende Nazis im NSU-Prozess nicht verurteilt wurden und an die undurchsichtige Rolle, die der Verfassungsschutz dabei spielte.