Sündenbock Athen
Verantwortung in Berlin
Insbesondere diejenigen EU-Partner, die behaupten, dass dieses Problem ausschließlich uns angeht und wir gescheitert sind, dies zu verwalten, sollten sich an die eigene Nase fassen. Das Problem geht uns alle in der EU an, und nur eine allgemeine Aktion und Zusammenarbeit kann zu einer Lösung führen. Sicherlich müssten wir konsequenter mit einigen unserer Verpflichtungen sein. Aber auch die EU müsste effektiver bei der Planung und Umsetzung sein. Wenn diese Bedingungen rechtzeitig sichergestellt wären, könnte vieles vermieden werden. Da die EU es nicht geschafft hat, die Türkei dazu anzuhalten, ihre Verpflichtungen zu erfüllen, muss damit begonnen werden, die Verantwortlichen in Brüssel zu suchen. Oder in Berlin.
Neue Zürcher Zeitung, Schweiz Schwarzepeterspiel
Da Europa bei der Lösung der Flüchtlingsfrage zu versagen droht, entdecken immer mehr Politiker die Vorzüge des Schwarzepeterspiels. Die ungeliebte Karte gibt man dabei vorzugsweise an Griechenland weiter, den schwächsten und exponiertesten Akteur. Vor allem die Innenminister Deutschlands und Österreichs beschuldigen lieber die Griechen, ihre Grenzen nicht zu schützen, statt die eigene Konzeptlosigkeit einzugestehen. Ließe man Griechenland in seiner existenziellen Krise im Stich, wäre dies politisch und moralisch, aber angesichts der Hilfspakete für das Land auch wirtschaftlich eine Bankrotterklärung Europas. Der Lösung der Flüchtlingskrise käme man damit keinen Schritt näher.
Independent, Großbritannien Riesiges Internierungslager
Wer Griechenland vorwirft, es habe seine Grenzen nicht gut genug vor dem Andrang von Flüchtlingen geschützt, der kennt nicht die Realität vor Ort. Griechenland hat keine andere Möglichkeit, als die Tausenden Menschen aufzunehmen, außer sie mit dem Einsatz der Marine von der Küste fernzuhalten und ertrinken zu lassen. Im Grunde wollen die Staaten Nordeuropas Griechenland in ein riesiges Internierungslager für Flüchtlinge umwan- deln. Bisher haben die meisten EUStaaten Asylsuchende nicht nach Griechenland zurückgeschickt, weil die dortigen Verhältnisse als unzumutbar eingestuft wurden, da das Land mit der Bewältigung des Andrangs völlig überfordert ist. Und diesem Land soll jetzt der Schwarze Peter zugeschoben werden. Dies dürfte zu einer katastrophalen Entwicklung führen.
Dennik N, Slowakei Unkooperative Türkei
Griechenland kann die Flüchtlinge nicht stoppen, aber nicht aus Unvermögen, sondern weil es eine Meeresgrenze hat. Athen könnte die Flüchtlingsboote lediglich versenken und dann die Toten am Strand einsammeln. Egal wie stark die griechische Marine ist, ihre Hauptaufgabe kann nur darin bestehen, Flüchtlinge zu retten. Ohne Zustimmung der Türkei kann sie die Flüchtlinge nicht einmal an das asiatische Ufer zurückbringen. Die Türkei wiederum hat kein Interesse an einer Zusammenarbeit. Auch sie will die Flüchtlinge lediglich loswerden.
De Volkskrant, Niederlande Hilfe reicht nicht aus
Jahrelang hat Griechenland die Hilfe durch die Europäische Grenzschutzagentur Frontex und das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen zurückgewiesen. Erst als mit dem Ausschluss aus dem Schengenraum gedroht wurde, hat es ein Hilfeersuchen gestellt. Das war im Dezember. Seitdem ist die griechische Küstenwache auf rund 20 Schiffe vergrößert worden. Europa hat 800 Grenzbewacher entsandt. Jedenfalls auf dem Papier. Anfang Januar war nicht einmal die Hälfte angekommen. Die zugesagte Unterstützung reicht längst nicht aus, um Flüchtlinge abzuhalten, die derzeit in durchschnittlich 50 Schlauchbooten pro Tag griechische Inseln in der Ägäis erreichen. Und das im Winter. Im vergangenen Sommer kamen pro Tag Zehntausend Flüchtlinge in Hunderten Booten über das Ägäische Meer. Die Küstenwache hat keine andere Wahl, als Flüchtlinge sicher an Land zu bringen, wenn sie einmal griechische Hoheitsgewässer erreicht haben. Sie zurückzuschicken wäre gefährlich und zudem sinnlos.