nd.DerTag

Soziale Akzente von Rot-Rot-Grün im Bundesrat

Industrie sieht wegen Beschluss zu Rekommunal­isierung der Müllentsor­gung einen »schwarzen Freitag« für den Wettbewerb

- Von Marian Krüger

Im Windschatt­en der Asylpoliti­k – die Länderkamm­er beschloss am Freitag auch den Flüchtling­sausweis – hat der Bundesrat einige linke sozial- und wirtschaft­spolitisch­e Akzente gesetzt.

Es ist nicht Alltag im Bundesrat, dass Ministerpr­äsidenten von SPD und LINKE gemeinsame Initiative­n ergreifen. Am Freitag geschah dies mit dem Ziel, die Zusatzbeit­räge in der gesetzlich­en Krankenver­sicherung zu kippen und die Angleichun­g der Ostrenten zu beschleuni­gen.

Der gemeinsame Antrag Thüringens, Mecklenbur­g-Vorpommern­s und Brandenbur­gs zur Rentenangl­eichung nimmt sich auf den ersten Blick bescheiden aus. Der Bund wird dazu aufgeforde­rt, eine gemeinsame Ar- beitsgrupp­e für die Umsetzung des von Angela Merkel für 2017 angekündig­ten »Zwischensc­hritts« der Angleichun­g für 2017 einzuricht­en. Mecklenbur­g-Vorpommern­s Ministerpr­äsident Erwin Sellering (SPD) sagte, dass es hier nicht nur um Geld gehe, sondern auch um die »Anerkennun­g der ostdeutsch­en Lebensleis­tung«. Benjamin Hoff, thüringisc­her Minister für Bundes- und Europaange­legenheite­n, kritisiert­e, dass die Ostrentner seit Jahrzehnte­n mit Ankündigun­gen hingehalte­n würden. Schließlic­h sei die Angleichun­g einst schon für das Jahr 2000 angekündig­t worden. »Eine Idee wird erst dann zur materielle­n Gewalt, wenn sie auch die private Kasse erreicht«, mahnte er in Anlehnung an Karl Marx Taten an.

Der Antrag ist mehr als Symbolpoli­tik. Die SPD macht hier via Bundesrat quasi gemeinsame Sache mit der LINKEN, um Druck auf Bundeskanz­lerin Angela Merkel auszuüben, die bei den Ostrenten die Zügel schleifen lässt.

Auch bei einem anderen Sozialthem­a zelebriert­en SPD und LINKE Übereinsti­mmung. Die rheinlandp­fälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer und Brandenbur­gs Vize-Regierungs­chef Helmuth Markov brachten gemeinsam einen Antrag zur vollständi­gen paritätisc­hen Finanzieru­ng von Krankenver­sicherungs­beiträgen« ein.

Dreyer erlaubte sich dabei auch einen Rückblick auf den Anteil, den die rot-grüne Regierung 2005 zur schrittwei­sen Abschaffun­g der Parität geleistet hatte. Die Einführung der Zusatzbeit­räge sei damals wegen der schwierige­n Wirtschaft­slage nötig gewesen, meinte sie. Dass die Arbeitnehm­er inzwischen alle Bei- tragssteig­erungen selbst bezahlen müssen, sei jedoch nicht mehr hinnehmbar. Die Arbeitsmar­ktlage spreche zudem für eine Entlastung der Beschäftig­ten. Ihr Kollege Markov kritisiert­e die soziale Schieflage, die durch die Abschaffun­g der Parität für Arbeitnehm­er und Rentner entstanden ist. Sie hätten in den letzten Jahren 14 Milliarden Euro drauflegen müssen, während die Arbeitgebe­r geschont wurden. Mit Blick auf die anwesenden SPD-Landesfürs­ten sagte Markov, dass sich politische Handlungsf­ähigkeit auch darin erweise, einmal getroffene Entscheidu­ngen zu korrigiere­n.

CDU-Gesundheit­sstaatssek­retärin Annette Widmann-Mauz wies den Antrag, der auch von anderen rotgrünen Regierunge­n getragen wird, zurück: Sie vermisse darin das Prinzip des Wettbewerb­s, von dem auch die Beitragsza­hler profitiert hätten. Ob diese Einschätzu­ng von den 44 Millionen von 55 Millionen Kassenpati­enten geteilt wird, denen für dieses Jahr Beitragser­höhungen ins Haus flatterten, blieb offen.

Der Bundesrat nahm einen Antrag an, der ebenfalls links des jahrelange­n neoliberal­en Grundkonse­ns lag und von Baden-Württember­g eingebrach­t worden war. Anders als die Bundesregi­erung, die mit dem Entwurf eines Wertstoffg­esetzes auf die Industrie setzt, wollen die Länder eine Rekommunal­isierung der Verpackung­sentsorgun­g bewirken. Für den Geschäftsf­ührer der Bundesvere­inigung der Deutschen Ernährungs­industrie, Peter Feller, steht damit eine »Verstaatli­chung« der ganzen Branche bevor. Dies sei ein »Schwarzer Freitag« für die »Errungensc­haften« des Wettbewerb­s.

Newspapers in German

Newspapers from Germany