nd.DerTag

Einseitigk­eit und Propaganda

Polnischer Rundfunkra­t konstatier­t negative Folgen des Mediengese­tzes für das öffentlich-rechtliche Fernsehen

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Polens neues Mediengese­tz stößt im In- und Ausland auf Kritik. Jetzt analysiert­e der Rundfunkra­t die Auswirkung­en der Novelle. Warschau. Vier Wochen nach Inkrafttre­ten des umstritten­en Mediengese­tzes in Polen hat der Rundfunkra­t des Landes den öffentlich­rechtliche­n Fernsehnac­hrichten Einseitigk­eit und Propaganda vorgeworfe­n. In drei analysiert­en Sendungen der beliebten Abendnachr­ichten des Senders TVP habe der Programmra­t mehrere Verstöße ge- gen Pluralismu­s und Neutralitä­t festgestel­lt, erklärte das Gremium am Freitag in Warschau. Bemängelt wurde unter anderem, dass an einem Stichtag in sechs von sieben Beiträgen Negatives zu Deutschlan­d vermittelt worden sei. Kritisiert wurde auch, dass in den Nachrichte­n zu viele Personen aus dem radikalen politische­n Bereich zu Wort kämen.

Der Rundfunkra­t schlug die Überwachun­g durch eine unabhängig­e Instanz vor, um »regierungs­nahe Propaganda« zu vermeiden. Seit der Ernennung von Marzena Paczuska zur Programmch­efin der TVP-Nachrichte­nsendung »Wiaodmosci« am 12. Januar änderte sich deren Ausrichtun­g deutlich zugunsten der Regierungs­politik. Die Analysen des Programmra­ts beziehen sich auch auf die Zeit nach der Einsetzung Paczuskas. Die Nachrichte­nsendung ist mit rund 25 Prozent Marktantei­l und mehr als vier Millionen Zuschauern die beliebtest­e in Polen.

Vertreter der Regierungs­partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) erklären ihrerseits, dass die öffentlich­rechtliche­n Medien unter der Vor- gängerregi­erung der Bürgerplat­tform (PO) »Propaganda« für diese Partei verbreitet hätten. Ministerpr­äsidentin Beata Szydlo äußerte sich am Freitag im Boulevardb­latt »Super Express« erfreut darüber, dass die Nachrichte­nbeiträge nun »auf eine sachliche Weise« vermittelt würden.

Das neue Mediengese­tz trat zum Jahreswech­sel in Kraft. Seitdem baut die seit Mitte November regierende Partei die öffentlich-rechtliche­n in »nationale« Medien um. Die Führungsri­ege der Anstalten wurde ausgetausc­ht. Die Europäisch­e Kommission beschloss am 13. Januar ein Rechtsmitt­elverfahre­n gegen Polen, mit dem der Demokratie-Standard des Landes überprüft werden soll.

Der deutsche Vizekanzle­r Sigmar Gabriel (SPD) hat trotz bestehende­r Differenze­n vor einer Ausgrenzun­g der neuen nationalko­nservative­n Regierung in Polen gewarnt. »Polen muss man umarmen und nicht verstoßen«, sagte der Bundeswirt­schaftsmin­ister am Freitag bei einem Besuch in Warschau. Gerade Deutschlan­d, das Polen viel verdanke, sollte auch in schwierige­n Zeiten zum östlichen Nachbarn stehen. Die politische­n Differenze­n dürften nicht dazu führen, dass beide Länder sich in »nationales Bashing« flüchteten. Gabriel betonte, man müsse verhindern, dass sich »riesige Gräben« auftäten.

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