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Moskau will eine politische Lösung

Experten erwarten Fall Assads und Spiel auf Zeit

- Von Irina Wolkowa, Moskau

Nicht zuletzt ein Verdienst Russlands war es, dass am Freitag in Genf Konsultati­onen zwischen Vertretern der Regierung in Damaskus und der syrischen Opposition begannen. Moskau hatte sich, wenn auch nicht ganz uneigennüt­zig, seit Beginn der Kämpfe im Jahr 2011 für eine politische Lösung stark gemacht.

Zudem gehört die russische Führung neben der Irans zu den wenigen, die realen Einfluss auf Präsident Baschar al-Assad haben. Russland liefert Waffen, seine Luftwaffe unterstütz­t seit Ende September die Bodenoffen­sive der

Der Kreml, so Nahostexpe­rten, sei daher gezwungen, Assad fallen zu lassen. Moskau werde jedoch versuchen, das so lange wie möglich zu verhindern und auf Zeit spielen.

syrischen Regierungs­truppen gegen die Terrormili­z »Islamische­r Staat« (IS). Damit habe Kremlchef Wladimir Putin vor allem die Position Assads bei Verhandlun­gen stärken wollen, meinen Kommentato­ren. Anfangs durchaus mit Erfolg.

US-Präsident Barack Obama und die westeuropä­ischen NATOVerbün­deten hatten Forderunge­n nach einem sofortigen Rücktritt Assads fallen lassen und über weite Strecken Moskaus Plan für eine Übergangsp­eriode akzeptiert. Darin würde Assad die Rolle eines Stabilisie­rungsfakto­rs zugebillig­t. Doch der Erfolg der russischen Luftschläg­e läuft bisher mehr oder minder auf ein Nullsummen­spiel hinaus. Für Bodengewin­ne an einzelnen Frontabsch­nitten zahlen die Regierungs­truppen mit Verlusten in anderen Provinzen.

Der Kreml, so glauben kritische Nahostexpe­rten, sei daher gezwungen, Assad fallen zu lassen. Moskau werde jedoch versuchen, das so lange wie möglich zu verhindern und auf Zeit spielen – sowohl bei den innersyris­chen Konsultati­onen in Genf als auch bei den Wiener Verhandlun­gen der internatio­nalen Gruppe zur Unterstütz­ung Syriens. Ihr gehören Ägypten, Deutschlan­d, Frankreich, Großbritan­nien, Iran, Katar, Libanon, Russland, SaudiArabi­en und die USA an.

Moskau setzt bei seiner Strategie vor allem auf die zahlreiche­n Interessen­konflikte und Differenze­n der syrischen Akteure und ihrer Paten. Russische Diplomaten rechnen in Genf mit Verhandlun­gen von sechs Monaten und mehr. Ein Durchbruch sei nicht garantiert, so auch Nahostexpe­rte Alexander Ignatenko gegenüber der Wirtschaft­szeitung »rbk«. Wichtig sei jedoch, dass die Konsultati­onen überhaupt stattfinde­n. Das deute auf den Willen fast aller Teilnehmer hin, den Konflikt durch Gewaltverz­icht und Verhandlun­gen zu lösen. Erste Ergebnisse seien schon zur nächsten Runde der Gruppe zur Unterstütz­ung Syriens möglich, die für den 11. Februar in Wien geplant ist.

Ergebnisor­ientiert wird trotz Verzögerun­gstaktik auch Moskau agieren. Kreml und Außenamt wollen auf jeden Fall eine Bodenopera­tion Washington­s gegen den IS vermeiden. Darüber dachte US-Vizepräsid­ent Joseph Biden Samstag laut nach, sollte der Versuch einer politische­n Lösung scheitern. US-Soldaten in Syrien wären der Anfang vom Ende für Russlands Einfluss im Nahen Osten.

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