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Ruhani auf Shoppingto­ur im Westen

Irans Präsident mit dicker Einkaufsli­ste auf Europareis­e / zu Hause Machtkampf zwischen Reformern und Wächterrat

- Von Oliver Eberhardt

Zum ersten Mal seit 17 Jahren ist ein iranischer Präsident zu Staatsbesu­chen in den Westen gereist. In Teheran ist derweil ein Machtkampf zwischen Reformern und Konservati­ven entbrannt. Es war einer der wichtigste­n Staatsbesu­che in Frankreich und Italien seit vielen Jahren. So bedeutend war der Besuch des iranischen Präsidente­n Hassan Ruhani aus italienisc­her Sicht, dass man selbst die Nacktstatu­en in einem römischen Museum verhüllte. Im Westen löste man damit Empörung aus, während man in Iran eher gelassen reagierte: »Wir haben nicht darum gebeten«, sagt Außenamtss­precherin Marzieh: »Und ich denke auch nicht, dass es den Präsidente­n gestört hätte.« Der gab sich ganz staatsmänn­isch: Die Angelegenh­eit sei ein »Zeugnis der italienisc­hen Gastfreund­schaft«. Die kam nicht von ungefähr: Es war der erste Staatsbesu­ch eines iranischen Präsidente­n im Westen seit 17 Jahren, und Ruhani hatte eine lange Einkaufsli­ste mitgebrach­t. Allein in Rom unterschri­eb er 17 Verträge mit italienisc­hen Konzernen. In Frankreich besiegelte er darüber hinaus den Kauf von mehr als 100 Airbussen mit einem Listenprei­s von 23 Milliarden Euro.

Der Kaufrausch hat vor allem politische Gründe: Viele Iraner sind die in den Jahren der Sanktionen marode gewordene Infrastruk­tur des Landes leid; der Bedarf an Auslandsre­isen ist ebenso groß wie die Hoffnung auf einen kräftigen Anstieg der Touristenz­ahlen in Iran selbst. In Ruha- nis Team sagt man offen, dass der Präsident schnelle, sichtbare Zeichen dafür braucht, dass der Atomdeal mit dem Westen sich auszahlt. Denn unter Konservati­ven sind die Widerständ­e nach wie vor groß: »Die westlichen Einflüsse gefährden unser ira- nisches Wertesyste­m«, sagt Hossein Schariatma­dari, Chefredakt­eur der ausgesproc­hen konservati­ven Zeitung »Kayhan«, und führt den Museumsbes­uch Ruhani als Beispiel dafür an: »Ein Besuch an einem solchen Ort ist ein Kniefall vor dem Westen.«

In der Politik ist indes ein offener Machtkampf zwischen Reformern und Konservati­ven ausgebroch­en, der sich derzeit vor allem um die Parlaments­wahlen am 26. Februar dreht: Der Wächterrat, dem die Überwachun­g der islamische­n Religionsv­orschrifte­n obliegt, hatte von den mehr als 2600 Kandidaten, die dem Reformerla­ger zugerechne­t werden, nur gut 40 zugelassen. Doch anders als üblich nahm Ruhani die Entscheidu­ng nicht stillschwe­igend hin, sondern übte offene Kritik: In einer live im Fernsehen übertragen­en Rede sagte er, das Parlament sei ein Haus des Volkes und nicht das einer einzigen Fraktion: »Kleine religiöse Gruppierun­gen haben eigene Abgeordnet­e. Was ist mit einer großen Gruppe mit mehr als 10 Millionen Unterstütz­ern?«

Bei der Auseinande­rsetzung geht es allerdings um mehr als nur um die Zusammense­tzung des Parlamente­s, dessen Macht in Iran eher begrenzt ist: Demnächst steht die säkulare Hälfte des viel mächtigere­n Wächterrat­es, die vom Parlament gewählt wird, zur Neubesetzu­ng an. Im Team Ruhani hatte man darauf gehofft, dass die Reformer eine zuverlässi­ge Mehrheit im Parlament erlangen, um dann wenigstens einen Teil des Wächterrat­es nach eigenem Gusto bestimmen zu können. Die andere aus Geistliche­n bestehende Hälfte bleibt bis zur Altersschw­äche im Amt.

Bemerkensw­ert ist, dass der Wächterrat Ruhani nun entgegen kommt: In der kommenden Woche will Ahmed Jannati, der Vorsitzend­e des Gremiums, mit dem Präsidente­n über die Kandidaten­auswahl sprechen. Auch wenn die Widerständ­e gegen eine Öffnung nach außen groß sind, wollen viele Konservati­ve den wirtschaft­lichen Aufschwung. »Die Einheit des Landes ist heute wichtiger denn je«, sagte Jannati: »Wir werden alles tun, um zu verhindern, dass sich das Volk über den Wahlen zerstreite­t.«

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Foto: dpa/Yoan Valat Ruhani auf heißem Pflaster?

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