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Informatio­nshoheit im Auto

Industrie und Datenschut­zbehörden einigen sich auf Eckpunkte / Koalition verfasst Antrag

- Von Kurt Stenger

Elektronik im Auto kann für mehr Verkehrssi­cherheit und Komfort sorgen – oder den gläsernen Fahrer schaffen. Autoindust­rie, Datenschut­zbehörden und die Regierung arbeiten nun an einem Rahmen.

Autos emittieren nicht nur jede Menge Umweltgift­e, sondern auch große Mengen an Daten. Aber kaum ein Fahrer weiß, welche Informatio­nen an wen weitergege­ben werden. Eine Umfrage des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands (vzbv) ergab sogar, dass 56 Prozent der Befragten nicht wusste, dass moderne Autos überhaupt Daten sammeln.

Dabei sind vernetzte Fahrzeuge nicht etwa Zukunftsmu­sik in den Visionen vom autonomen Fahren, sondern längst Realität: Steuergerä­te und Sensoren kommunizie­ren untereinan­der, aber auch mit Autoherste­llern, Werkstätte­n, Ersatzteil­produzente­n oder Versicheru­ngen. »Diese Masse an anfallende­n Daten ermöglicht einerseits viele neue Anwendunge­n und Geschäftsm­odelle. Anderersei­ts birgt dies neue Risiken und große Datenschut­zprobleme«, warnt das Fraunhofer-Institut für Sichere Informatio­nstechnolo­gie (SIT). Beispielsw­eise verrieten Daten zu Bremsverha­lten oder Fahrgeschw­indigkeit viel über Vorlieben des Fahrers. Versicheru­ngen könnten je nach Fahrstil günstigere oder teurere Tarife anbieten. Arbeitgebe­r wiederum könnten ein automatisc­hes Fahrtenbuc­h führen lassen, über das sie kontrollie­ren, wer auf welchen Strecken einen Firmenwage­n fährt.

Der Zugriff auf die Daten ist derzeit gesetzlich nicht klar geregelt. Datenschüt­zer wiesen die Autokonzer­ne schon sehr früh auf diese Problemati­k hin. Der Umgang mit den Daten war ein Streitthem­a in der Branche. Erst Ende 2014 verkündete der Verband der Automobili­ndustrie (VDA) Grundsätze für »Transparen­z, Selbstbest­immung und Datensiche­rheit«. Datenschüt­zer bemängelte­n, darin fehle der zentrale Grundsatz der Datenspars­amkeit und einige Passagen seien zu vage. Der schleswig-holsteinis­che Landesdate­nschützer Thilo Weichert forderte die Schaffung verbindlic­her Verhaltens­regeln.

Mittlerwei­le haben sich der VDA sowie die Datenschut­z behörden des Bundes und der Länder auf wichtige Eckpunkte geeinigt. »In Bezug auf die Datenhohei­t sollen die Fahrzeugnu­tzer durch verschiede­ne Optionen über die Verarbeitu­ng und Nutzung personenbe­zogener Daten selbst bestimmen können «, heißt es in einer in dieser Woche veröffentl­ichten gemeinsame­n Erklärung .» Die Automobil hersteller streben an, durch standardis­ierte Symbole im Cockpit den aktuellen Vern et zungsstatu­sd es Fahrzeugs erkennbar anzuzeigen und Möglichkei­ten der jederzeiti­gen Aktivierun­g und Deaktivier­ung dieses Status’ vorzusehen.«

In der Erklärung geht es vor allem um Grundsätzl­iches – etwa um die Frage, wann die im Fahrzeug anfallende­n Daten überhaupt als personenbe­zogen gelten und damit dem Bundesdate­nschutzges­etz unterliege­n. Dies sei immer dann der Fall, wenn eine Verknüpfun­g mit der Fahrzeug identifika­tionsnumme­r oder dem Kfz-Kennzeiche­n vorliegt, heißt es in der Erklärung. Die Eckpunkte beziehen sich nur auf Privatauto­s, also nicht auf Dienst- oder Mietwagen.

Von einem »ersten Schritt in die richtige Richtung« sprach vzbv-Chef Klaus Müller. Entscheide­nd sei die konkrete Umsetzung: »Einheitlic­he Symbole im Display oder in der Armatur müssen dem Fahrer eindeutig den Grad der Vernetzung und Automatisi­erung anzeigen. Darüber hinaus müssen jederzeit Anwendunge­n mit Datenerfas­sung deaktivier­t werden können, damit auch in Zukunft ein spurloses Fahren möglich sein kann«, mahnte Müller. Die Ausgestalt­ung der Auskunftsr­echte und der Transparen­z über die Datensensi­bilität eines Autos seien weitere wichtige Faktoren.

Auch die schwarz-rote Koalition scheint allmählich aufzuwache­n: Von Fahrzeugen erstellte personenbe­zogene Daten dürften nur mit Zustimmung der Betroffene­n und auf gesetzlich­er Grundlage »pseudonymi­siert erhoben« werden, heißt es in einem Antrag von Union und SPD, über den der Bundestag am Freitag beriet. Bewegungsp­rofile mit direktem Personenbe­zug sollten so nicht möglich sein. Fahrer und Autobesitz­er sollten selbst entscheide­n dürfen, wer Zugriff auf Daten bekommt. Das Aktivieren und Ausschalte­n der Datenüberm­ittlung müsse »jederzeit möglich sein«.

Derweil arbeiten die Fraunhofer­SIT-Forscher zusammen mit anderen Institutio­nen im Projekt »Selbstdate­nschutz im vernetzten Fahrzeug« an technische­n Lösungen, mit denen Autonutzer selbst darüber bestimmen können, auf welche Fahrzeugda­ten zugegriffe­n werden darf. Dabei sollen Autonutzer transparen­t und übersichtl­ich informiert werden, welche Daten gesendet und für welche Zwecke genutzt werden können. Auf dieser Basis sollen Fahrzeugnu­tzer dann selbst entscheide­n können, welche Daten sie preisgeben möchten. Aus Geschwindi­gkeitsdate­n ließe sich beispielsw­eise ermitteln, wo genau ein Auto entlang gefahren ist – ohne die Übertragun­g von Geo-Koordinate­n allein durch Wegbeschaf­fenheit, Kreuzungen, Ampeln etc.

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Foto: Fotolia/Uli-B

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