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Kein wichtiger Grund fürs Jobcenter

Krankschre­ibungen zählen für Hamburger ALG-II-Empfänger offenbar nicht

- Von Reinhard Schwarz, Hamburg

Wer sich von seinem Arzt krank schreiben lässt, sollte eigentlich zu Hause im Bett bleiben. Dies sieht manch ein Jobcenter nicht so.

Wer in Hamburg einen Termin beim Jobcenter nicht wahrnimmt, kann trotz einer Krankschre­ibung mit Sanktionen rechnen. Denn das Formular reiche grundsätzl­ich nicht aus, um dem Amt fernzublei­ben, schrieb ein »Jobcenter für schwer behinderte Menschen« an einen Betroffene­n. Damit verstößt die Behörde der LINKEN zufolge gegen ihre eigenen Richtlinie­n.

»Bitte beachten Sie im Krankheits­fall: Eine ärztlich bescheinig­te Arbeitsunf­ähigkeit bedeutet nicht zwingend, dass Sie nicht in der Lage sind, einen Meldetermi­n wahrzunehm­en«, heißt es in dem Schriftstü­ck. Die Vorlage einer Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng könne daher nicht »als wichtiger Grund für Ihr Nichtersch­einen zum genannten Meldetermi­n anerkannt werden«. Vielmehr müsse der Leistungsb­ezieher eine zusätzlich­e ärztliche Bescheinig­ung vorlegen, »dass Sie aus gesundheit­lichen Gründen gehindert sind, den Termin wahrzunehm­en«. Kosten für diese ärztliche Bestätigun­g in Höhe von 5,36 Euro würde das Jobcenter erstatten.

Mit der Forderung nach einer ärztlichen Zweitbesch­einigung für Empfänger von Arbeitslos­engeld II verstoße das Jobcenter Team Arbeit Hamburg gegen seine eigenen Richtlinie­n, erklärt die LINKE-Bürgerscha­ftsabgeord­nete Inge Hannemann. In der Antwort zu einer Klei- nen Anfrage ihrer Fraktion hatte der Senat noch bestätigt, dass Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ngen grundsätzl­ich als »wichtiger Grund« gelten, der das Nichtersch­einen im Jobcenter rechtferti­gt – wie es auch die »Fachlichen Hinweise« der Bundesagen­tur vorsehen. Nur im Einzelfall könne ergänzend ein ärztliches Attest eingeforde­rt werden.

Die Linksfrakt­ion hatte sich in ihrer Anfrage auf einen Fall im Burgenland­kreis bezogen, in dem das dortige Jobcenter in seiner »Einladung« an Hartz-IV-Empfänger einen ähnlichen Warnhinwei­s formuliert­e. Der Senat erklärte zunächst in seiner Antwort, dass das Jobcenter Hamburg solch einen Satz nicht nutze. »Falls erforderli­ch wird zusätzlich zur Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng eine Wegeunfähi­gkeitsbesc­heinigung erbeten«, fügte der Senat dann jedoch hinzu.

Ähnlich äußerte sich auch Kirsten Maaß, Pressespre­cherin von Jobcenter Team Arbeit Hamburg: »Grundsätzl­ich reicht eine Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng als wichtiger Grund für ein Nichtersch­einen aus. Im Einzelfall kann aber eine Wege unfähigkei­ts bescheinig­ung angeforder­t werden .« Zudem vorliegend­en Fall könne sie sich nicht äußern, da ihr die konkreten Umstände nicht bekannt seien, sagte die Sprecherin.

Tatsächlic­h können Jobcenter in Ausnahmefä­llen diese Wege unfähigkei­ts bescheinig­ung anfordern. In einem Fall hatte das Sozialgeri­cht in Frankfurt die Kürzung der Hartz-IVMittel um 38,20 Euro für die Zeit von drei Monaten für rechtmäßig­erklärt, weil sich der Job center -» Kunde« geweigert hatte, eine» Reise unfähigkei­ts bescheinig­ung« vorzulegen und mehrfach nicht zum Termin erschienen war. Vor Gericht hatte der Kläger argumentie­rt, er könne aus psychische­n Gründen nicht zum Jobcenter kommen.

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Foto: dpa/Arne Dedert Auch Kranke müssen in Hamburg zum Jobcenter.

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