Spaniens Dominator auf dem Eis
Javier Fernández deklassiert bei der EM in Bratislava die gesamte Konkurrenz
Die magische Grenze von 300 Punkten geknackt, höchster Sieg der EMGeschichte – für den Spanier Javier Fernández gibt es unter Europas Eiskunstläufern längst keine Gegner mehr. Er gewann seinen vierten EM-Titel in Serie, knackte dabei die magische Grenze von 300 Punkten und deklassierte selbst den Vize-Europameister Alexei Bychenko aus Israel mit mehr als 60 Zählern Vorsprung. In Europa gehen Javier Fernández die Gegner aus. Aber diese frappierende Überlegenheit hielt den smarten Spanier nicht davon ab, seine Erfolgsgeschichte durchaus demütig einzuordnen – mit Blick sowohl auf die Vergangenheit als auf die Zukunft.
»Ich darf jetzt auf einer Liste zusammen mit ganz großen Läufern stehen«, sagte der 24-Jährige und war sich der Tragweite dieser Worte durchaus bewusst. Denn viermal Europameisterschaftsgold hintereinander hatte zuletzt zwischen 1970 und 1973 Ondrej Nepela gewonnen, ausgerechnet der Jahrhundertsportler der Slowakei und Namensgeber der EM-Arena von Bratislava, in der nun Fernández triumphierte.
Dem slowakischen Nationalhelden, der 1989 in Mannheim im Alter von nur 38 Jahren starb, hätte die nahezu perfekte Symbiose aus Ästhetik und sportlicher Höchstschwierigkeit gefallen, mit der der Weltmeister seine Landsleute verzauberte. Dabei hatte Fernández immer wieder betont, dass diese europäischen Titelkämpfe für ihn vor allem einen wichtigen Test für die Weltmeisterschaften Anfang April in Boston darstellten.
Auch in der US-Ostküstenmetropole will der Olympiavierte seinen Titel erfolgreich verteidigen, muss dafür aber »die japanische und manchmal auch die kanadische Wand überwinden«, wie der Iberer in Bratislava mit einem Augenzwinkern sagte. Denn Olympiasieger Yuzuru Hanyu aus Japan sammelte beim Grand-PrixFinale im Dezember in Barcelona sogar schier unglaubliche 330,43 Punkte und auch Ex-Weltmeister Patrick Chan (Kanada) kam schon auf mehr als die 302,77 Zähler, die Fernández auf sich vereinigen konnte.
Dem Schützling von Erfolgstrainer Brian Orser bleibt also kaum mehr übrig, als in Boston die gelungene Kür von Bratislava zu Swingklängen mit Frank Sinatra weiter zu optimieren. Denn nach eigenem Bekunden hat er als erster Eiskunstlaufweltmeister Spaniens in seinem Heimatland eine Mission zu erfüllen: »Ich möchte diesen Sport zu Hause populärer werden lassen.« Allein schon, damit er sich im eigenen Land nicht mehr wie ein Sportexot vorkommen muss. Denn immer noch fühlt sich der Kufenkünstler manchmal »wie ein Eskimo, der Beachvolleyball spielt«, wie Fernández schon nach seiner ersten erfolgreichen EM-Titelverteidigung vor zwei Jahren gesagt hatte. Also müssen offenbar weitere Titel auf Weltniveau her. Europäische Extraklasse reicht noch nicht aus.
Von solchen Problemen dürfen die beiden deutschen Starter nur träumen, die die zahlreich angereisten Fans enttäuschten. Der deutsche Meister Franz Streubel aus Oberstdorf kam auf den 14. Platz, 16. wurde der Berliner Paul Fentz. Sie verspielten damit den zweiten deutschen Startplatz für die EM 2017 im tschechischen Ostrava. »So reicht es bei der WM in Boston nicht für das Finale«, sagte Streubel selbstkritisch. Dort wird der 24-Jährige aber unabhängig von seinem EM-Abschneiden Anfang April an den Start gehen:
Einen starken Auftakt legten dagegen am Freitag die neuen Medaillenhoffnungen Aljona Sawtschenko und Bruno Massot aufs Eis. Mit einem hochwertigen Kurzprogramm stürmten sie auf Platz zwei vor der Kür am Samstag. Die 75,54 Punkte übertrumpfen nur die russischen Olympiasieger Tatjana Wolossoschar und Maxim Trankow (79,77).