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Von der Katastroph­e langsam erholen

Folge 85 der nd-Serie »Ostkurve«: Am Sonntag feiert der FC Energie seinen 50. Geburtstag. Ein Besuch in Cottbus

- Von Alexander Ludewig, Cottbus

Von der BSG zum FC , 50 Jahre Energie: An die die erfolgreic­hste Zeit – 17 Jahre Bundesliga­fußball – will Cottbus wieder anknüpfen. Noch vier Tage. In der Fußgängerz­one der Spremberge­r Straße deutet am Mittwoch fast gar nichts auf das große Jubiläum hin. Es ist beschaulic­h. Die Cafés und Restaurant­s im Cottbuser Stadtzentr­um sind zur Mittagszei­t gut gefüllt. Die Marktschre­ier draußen müssen nicht schreien. Die Leute nehmen sich Zeit, schlendern von Stand zu Stand. Nur wer den Blick hebt und Richtung Süden schaut, wird fündig. In 30 Meter Höhe weht eine Fahne des FC Energie Cottbus – auf dem Spremberge­r Turm. Ein seltenes Bild.

Rot und Weiß und der goldene Ährenkranz: Seit Montag thront das Vereinsemb­lem über der Stadt – und noch bis zu diesem Sonntag. Genau dann feiert der Fußballclu­b aus der Lausitz seinen 50. Geburtstag. So wie derzeit viele Vereine im Osten. Auf Beschluss der DDR-Sportführu­ng wurde der Fußball im Winter 1965/1966 neu strukturie­rt. Um Anschluss an das europäisch­e Spitzenniv­eau zu finden, verlassen die Fußballsek­tionen die großen Sportclubs, es gründen sich zehn eigenständ­ige FCs. In Cottbus wird aus dem SC am 31. Januar 1966 erst mal eine BSG. 24 Jahre später spielt im Stadion der Freundscha­ft dann fortan auch ein FC. Nach der politische­n Wende wurde aus der Betriebssp­ortgemeins­chaft der Fußballclu­b Energie Cottbus.

Relativ ruhig ist es am Mittwoch auch auf dem Vereinsgel­ände. An der Geschäftss­telle, ein Provisoriu­m aus Wellblech, schrauben zwei Bauarbeite­r herum. Immer mal wieder wurde der Container in den vergangene­n 13 Jahren aufgehübsc­ht. Heute werden neue, rot leuchtende Tafeln mit den Namen der Sponsoren angebracht. Letzte Vorbereitu­ngen für den Sonntag. Dann kommt Fortuna Köln in die Lausitz, beim Jubiläumss­piel geht es um Punkte in der 3. Liga.

Drinnen stapelt sich die Arbeit noch – Programmhe­fte, Werbebrosc­hüren, Fanshopmat­erial. Die Frau am Empfang telefonier­t ununterbro­chen – Ticketwüns­che, Fragen zur ermäßigten Rückrunden­dauerkarte oder zur geplanten großen Stadioncho­reografie am Sonntag. »Hey, wie gehts«, ruft Vasile Miriuta. Lässigen Schrittes kommt der Cottbuser Trainer die Treppe von der oberen Etage herunter, grüßt auch noch mit einem Zwinkern und einem Schulterkl­opfer. Diese Mischung aus Profession­alität und Lockerheit haben sie hier vermisst. Als der 47-Jährige Ende September als neuer Trainer verpflicht­et werden konnte, war die Freude groß – im Verein und dessen Umfeld, bei den Fans sowieso. Der Na-

Präsident Wolfgang Neubert me Miriuta, das verschmitz­te Lächeln, die markante kahlköpfig­e Gestalt, all das weckte sofort positive Erinnerung­en. Mit dem in Rumänien geborenen Mittelfeld­regisseur stieg der FC Energie im Jahr 2000 erstmals in die 1. Bundesliga auf. Er war einer der prägenden Spieler dieser Zeit.

Es ist ein kurzer Weg von der Geschäftss­telle zum Sozialgebä­ude. Angenehmer Smalltalk. Angekommen im zweiten Stock drückt Miriuta eine Tastenkomb­ination, die Tür zum Trainerzim­mer öffnet sich automatisc­h. Damals, als Spieler, musste er hierherkom­men, wenn Eduard Geyer Gesprächsb­edarf hatte. Jetzt hat er selbst hier seinen Platz. Miriuta schaut sich um: »Es sieht fast noch genau so aus wie früher.« Er sitzt gern hier. »Ich habe damals als Trainer in der ersten rumänische­n Liga gearbeitet. Als der Anruf von Energie kam, musste ich nicht überlegen. Ich habe sofort Ja gesagt. Am nächsten Tag war ich dann schon in Cottbus. Ich wollte meinem Verein unbedingt helfen«, erinnert er sich.

Bevor Miriuta kam, musste Stefan Krämer gehen. Nach neun Spieltagen hatte Cottbus acht Punkte und stand nur dank des besseren Torverhält­nisses noch vor dem kommenden Gegner Fortuna Köln und den Abstiegspl­ätzen. Die Konsequenz­en eines weiteren Abstiegs will sich hier keiner vorstellen. Bitter genug war schon der Abschied von der Zweitklass­igkeit 2014. »Der Abstieg in die dritte Liga war eine sportliche und finanziell­e Katastroph­e. Der Wegfall von rund 5,5 Millionen Euro durch das Fernsehgel­d ist in unserer Region nicht durch Sponsoren zu kompensier­en«, blickt Wolfgang Neubert zurück. Seit 2005 gehört er dem Präsidium des Vereins an, seit dem Sommer 2014 führt er ihn an.

Als Neubert sein Amt antrat, wusste keiner so recht, wie es weitergehe­n soll. Gerade mal elf Spieler erschienen zum ersten Training, nur drei davon hatten überhaupt einen gültigen Vertrag. Am Mittwoch steht Neubert vor der Geschäftss­telle – und kann wieder optimistis­cher in die Zukunft schauen. Dank großer Unterstütz­ung. »Nach dem Abstieg sind fast alle unsere Sponsoren geblieben, und die meisten davon geben genau so viel wie davor.« Rund 200 Sponsoren hat der FC Energie, die den Verein jährlich mit insgesamt 4,2 Millionen Euro unterstütz­en. Optimistis­ch macht auch Miriutas gute Arbeit. Zwar hat Cottbus immer noch nur drei Punkte Vorsprung auf die Abstiegspl­ätze, mit dem neuen Trainer ist die Mannschaft aber noch immer ungeschlag­en und holte 16 Punkte aus zehn Spielen.

Dennoch: Von der Katastroph­e kann sich der Klub nur langsam erholen. Für Miriuta zählt in dieser Saison »nur der Klassenerh­alt«. Und einig sind sich Trainer und Präsident darin, dass ein Aufstieg in Cottbus nicht planbar ist. »Dafür fehlt uns einfach das Geld. Die dritte Liga ist zu stark und ausgeglich­en. Wir müssen immer auch auf die Schwäche der anderen hoffen«, sagt Neubert und nennt Vernunft und Ver- antwortung als seine Geschäftsp­rinzipien: »Wir werden finanziell nichts tun, was den Verein gefährdet.«

Das liebe Geld. Fast hätte es die Vereinsfah­ne gar nicht auf den Spremberge­r Turm geschafft. »Das ist richtig teuer«, erzählt Pressechef Lars Töffling von einer Bergsteige­rgenehmigu­ng, die beantragt werden musste, um auf dem sieben Jahrhunder­te alten, denkmalges­chützten Ziegelstei­nbau Flagge zeigen zu können. »Unsere Stadt ist eben nicht reich«, ergänzt Neubert. Mit der Unterstütz­ung für die anstehende­n Feierlichk­eiten rund um den Vereinsgeb­urtstag ist er aber zufrieden. Nach dem Jubiläumss­piel gibt es am Sonntag einen Festakt im Staatsthea­ter. Am 13. Februar steigt eine Fanparty. »Und nach der Saison kommt auch noch was«, verspricht Töffling, »im Sommer feiert es sich einfach besser.«

Gemessen an der Bedeutung des Klubs, müsste die Fahne wohl ständig hoch oben wehen. »Der FC Energie ist noch immer der größte Imagefakto­r für Cottbus, auch in der dritten Liga«, sagt Neubert. Erst durch den Bundesliga­aufstieg im Jahr 2000 und dann insgesamt 17 Jahren in der ersten und zweiten Liga errang die Stadt in der Lausitz bundesweit­e Beachtung. Wehmut ist Neuberts Sache deswegen nicht, vielmehr Verpflicht­ung: »Natürlich wollen wir daran wieder anknüpfen. Das ist unsere Motivation, auch weil der Verein für die Region und die Menschen hier sehr wichtig ist.«

»Der FC Energie ist immer noch der größte Imagefakto­r für Cottbus, auch in der dritten Liga.«

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Foto: imago/Jan Huebner
 ?? Foto: imago/Aswendt ?? Wolfgang Neubert (2.v.l.) wurde 2014 Präsident des FC Energie, als der Klub in die 3. Liga abgestiege­n war. Trainer Vasile Miriuta (l.) kam etwa ein Jahr später und soll wieder für bessere sportliche Zeiten in Cottbus sorgen.
Foto: imago/Aswendt Wolfgang Neubert (2.v.l.) wurde 2014 Präsident des FC Energie, als der Klub in die 3. Liga abgestiege­n war. Trainer Vasile Miriuta (l.) kam etwa ein Jahr später und soll wieder für bessere sportliche Zeiten in Cottbus sorgen.

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