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Nicht alle Helfer freuen sich

Am Sonntag lädt der Senat Flüchtling­shelfer ins Museum oder Theater ein

- Von Kerstin Ewald

Mit dem Aktionstag will sich der Senat bei vielen freiwillig­en Flüchtling­shelfern bedanken. Nicht alle freuen sich darüber.

Ehrenamtli­che lehren die deutsche Sprache, sie betreuen Kinder, organisier­en Sportprogr­amme. Viele Freiwillig­e übernehmen eine Art Patenschaf­t für einzelne Personen und Familien, begleiten diese beispielsw­eise bei Ämtergänge­n. Serhat Karakayali und Olaf Kleist, Autoren einer Studie des Berliner Instituts für empirische Integratio­ns- und Migrations­forschung (BIM) von 2015, bei der 460 Ehrenamtli­che befragt wurden, kritisiert­en die zentrale Rolle, die Freiwillig­e bei Behördengä­ngen spielen müssen. Ursache seien mangelnde Kenntnisse und Kooperatio­nsbereitsc­haft von Sachbearbe­itern. Behörden würden ihrer vielsprach­igen und häufig traumatisi­erten Klientel nicht gerecht. Die Wissenscha­ftler empfehlen Sensibilis­ierungspro­gramme für Amtsmitarb­eiter. Außerdem solle nach australisc­hem Vorbild ein bundesweit­er staatliche­r Übersetzun­gsdienst eingericht­et werden. Dann hätten Ehrenamtli­che mehr Zeit für gute Kontakte mit Flüchtling­en.

Willkommen­sinitiativ­en, wie der Unterstütz­erkreis Rahnsdorf, wollen auf einer rein karitative­n Ebene helfen. Er veranstalt­et Kaffeenach­mittage in der Flüchtling­sunterkunf­t, eine »Erzählküch­e« und eine vorbildlic­he Kleiderkam­mer. »Keine politische­n Diskussion­en zur Flüchtling­s- gesetzgebu­ng« innerhalb der Initiative, heißt es auf der Homepage. Und genau dies scheint das Erfolgsrez­ept des Unterstütz­erkreises mit 200 Helfern zu sein.

»Moabit hilft« gilt als eine der politische­n Initiative­n. Sie ist Sprachrohr für Geflüchtet­e, trägt politische Anliegen in die Öffentlich­keit, engagiert sich in entspreche­nden Gremi- en. Angesichts des dauerhaft überlastet­en Landesamts für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) haben die Helfer Unglaublic­hes geleistet. Sie versorgen unter anderem täglich vor der Behörde hunderte, teils tagelang anstehende Flüchtling­e, mit Essen. Die Helfer füllen Lücken, wo Unfähigkei­t regiert, wo Politiker nicht die nötige Verantwort­ung übernehmen. Im Oktober warnte die Initiative vor einem Zusammenbr­uch des LAGeSO. Seitdem hat sich die Lage nur minimal verbessert.

»Angesichts des peinlichen Desasters, das hier in den letzten Monaten passiert ist, werden wir am Aktionstag des Senats nicht teilnehmen, auch nicht am Markt der Möglichkei­ten im Roten Rathaus«, sagt Diana Henniges von »Moabit hilft!«. »Das soll wohl so eine Art Messe für Dienstleis­ter werden. Dienstleis­ter wollen wir aber nicht sein!«

Eine antirassis­tische Kochgruppe ist ebenfalls aktiv vor dem LAGeSO: Deutsche, andere Europäer und freiwillig­e Helfer, die selbst auf lebens- gefährlich­en Wegen nach Berlin geflüchtet sind, bringen an vier Tagen der Woche gekochte Mahlzeiten zum Landesamt. Die Gruppe möchte nicht auf der Ebene der humanitäre­n Hilfe verharren, da dann die Gefahr bestehe, vom Senat in einer auf Abschrecku­ng ausgericht­eten Flüchtling­spolitik instrument­alisiert zu werden. »Wir befürchten, dass poli- tische Entscheidu­ngen zu einer besseren und menschenwü­rdiger Versorgung vielleicht durch ein ehrenamtli­ches ›Hilfssyste­m‹ verzögert werden«, schreibt die Gruppe in einer Stellungna­hme anlässlich des Aktionstag­es für Ehrenamtli­che. Für die Aktivisten steht deshalb die Bekämpfung der europäisch­en Abschottun­gspolitik gegenüber Flüchtling­en weiterhin ganz oben Agenda.

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Foto: dpa/Jörg Carstensen Helfer von »Moabit hilft« unterstütz­en wie Tausende Menschen täglich Asylsuchen­de.

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