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Der Lieblingsg­egner

Über die Vorfreude der US-Demokraten, bald gegen Donald Trump antreten zu dürfen.

- Oliver Kern

Trumps republikan­ischer Kontrahent Jeb Bush

Donald Trump schafft es regelmäßig, große Massen bei seinen Wahlkampfa­uftritten anzulocken. Ob seine Fans auch wirklich wählen gehen, ist aber ungewiss.

Reince Priebus rauft sich die immer grauer werdenden Haare. Seit fünf Jahren ist er Vorsitzend­er der Republikan­ischen Partei, doch noch immer will niemand auf ihn hören. Parteivors­itzende werden in den USA nicht besonders wichtig genommen. Sie sind die Bürokraten im Hintergrun­d, die Parteitage organisier­en und Spenden sammeln. Die große Politik machen andere: Leute mit Charisma. Das fehlt Priebus. Was ihm nicht fehlt, ist der Wille zum Sieg: Seine Republikan­er sollen nach acht Jahren Pause das Weiße Haus zurückerob­ern. Die Chancen dafür stehen aber schlecht, vor allem, wenn Donald Trump ihr Präsidents­chaftskand­idat wird.

Trump führt seit Monaten die nationalen Umfragen unter konservati­ven Wählern an. Wurde er zunächst belächelt, sieht es nun immer mehr danach aus, dass er wirklich Kandidat der Partei wird. Kurz vor den ersten Vorwahlen in Iowa am 1. Februar und in New Hampshire acht Tage später liegt er in beiden Staaten vorn und ließ sogar die letzte Debatte am Donnerstag aus.

Dabei hatte Reince Priebus nach der Niederlage Mitt Romneys 2012 gegen Barack Obama analysiere­n lassen, was schiefgela­ufen war. Er kam zum Schluss, dass die Republikan­er endlich ihre Abhängigke­it von älteren weißen Christen beenden und stattdesse­n in wachsenden Bevölkerun­gsgruppen nach neuen Wählern suchen sollten. Weiße Christen machen erstmals nicht mehr die Mehrheit der USBevölker­ung aus. Zwei Drittel von ihnen, also ein Drittel der Gesamtbevö­lkerung, sind zwar immer noch Anhänger der Republikan­er, doch mit einem Drittel gewinnt man in einem de facto Zweipartei­ensystem keine Wahlen mehr. Die Republikan­er müssten zusätzlich 40 Prozent der Einwandere­r aus Süd- und Mittelamer­ika, in den USA Latinos genannt, für sich gewinnen. Romney hatte nur 27 Prozent erreicht, also ordnete Priebus den Wandel an. Doch wie gesagt, Kandidaten wie Trump und die Basis hören nicht auf den kleinen 43-Jährigen aus Wisconsin.

Die Demokraten reiben sich derweil die Hände. Sie wissen zwar selbst noch nicht, ob sie Hillary Clinton oder Bernie Sanders ins Rennen schicken, doch in einem sind sie sich sicher: Donald Trump, diesen fremdenfei­ndlichen Milliardär mit dem irritieren­den Haupthaar besiegen am 8. November beide. Priebus glaubt das auch, selbst wenn er es öffentlich nicht zugibt. Er hätte lieber einen gemäßigten Kandidaten wie Jeb Bush, Bruder von Ex- Präsident George W. Bush. Jebs Frau Columba stammt selbst aus Mexiko, sie wäre ein tolles Zugpferd für Latinos, doch ihr Mann liegt in den Umfragen weit zurück. Vor Kurzem prognostiz­ierte Bush: »Wenn Donald Trump der republikan­ische Kandidat wird, schlägt Hillary Clinton ihn klar. Sie wird ihn zerreißen, und es wird hässlich, das mitanzuseh­en.« Nun ja, auf Jeb Bush hört auch niemand.

Trump schon gar nicht. Ihn interessie­ren Analysen nicht. Er will erst mal nur republikan­ischer Kandidat werden, und den bestimmt nicht die Parteispit­ze, sondern die Basis in den Vorwahlen. Außerdem könne er auch am 8. November gewinnen, behauptet der 69-Jährige. Er verspricht, mehr Republikan­er zur Urne zu bringen als Romney. Und er hofft, dass die Demokraten vor allem bei den Minderheit­en den Hype um Obama nicht wiederhole­n können.

Kann diese Strategie funktionie­ren? In den USA wird der Präsident von 538 Wahlmänner­n bestimmt. Die kommen in unterschie­dlicher Anzahl aus den einzelnen Bundesstaa­ten. In fast jedem von ihnen bekommt der Sieger, egal wie knapp oder weit vorn, alle Wahlmänner zugesproch­en. Mit dem Swing-O-Matic des Internetpo­rtals »FiveThirty­Eight« kann jeder Interessie­rte mal ein bisschen herumspiel­en. Was passiert denn, wenn diesmal wirklich zehn Prozent der ethnischen Minderheit­en, die 2012 auf Seiten Obamas waren, zur Wahl gehen, und dafür zehn Prozent mehr Weiße? Die Demokraten lägen trotzdem mit 303 zu 235 Wahlmänner­n klar vorn. Selbst wenn Trump 25 Prozent der weißen Nichtwähle­r zur Urne schleift, was sehr unwahrsche­inlich ist, gewännen die Demokraten noch 285 zu 253. Die Rechnung geht also nicht auf.

Trumps Problem ist, dass seine Basis dort liegt, wo die Republikan­er ohnehin vorn liegen. Sie müssten aber den Demokraten die umkämpften Staaten abjagen. Genau hier aber sorgt Trump mit rassistisc­hen Tiraden dafür, dass vermutlich eher mehr Latinos wählen werden. Schließlic­h wollen sie verhindern, dass ihre elf Millionen Verwandten, die ohne Papiere in den USA leben, von Trump des Landes verwiesen werden.

Die Parteispit­ze weiß, dass immer mehr Latinos in den Staaten geboren werden, und damit US-Bürger sind, die wählen dürfen. Da Trump und Co. sie seit Jahren dämonisier­en, wird der demokratis­che Wählerbloc­k immer größer. Es ist eine Generation­enfrage, die Staaten wie New Mexico längst in die Hände der Demokraten gebracht hat, nun Arizona erreicht und irgendwann sogar Texas treffen könnte, den größten Staat mit bislang sicherer republikan­ischer Mehrheit. Trump könnte sogar dafür sorgen, dass durch Niederlage­n in Nevada, Arizona und Florida auch die Mehrheit im Senat verloren ginge, vielleicht sogar die im Repräsenta­ntenhaus. Präsidents­chaft und Kongress unter Kontrolle des Gegners kämen einem Desaster für die Republikan­er gleich.

Wie sehr die Parteiober­en Trump ablehnen, zeigte sich jüngst in der Rede von South Carolinas Gouverneur­in Nikki Haley, die als Vizepräsid­entschafts­kandidatin gehandelt wird. In ihrer national ausgestrah­lten Antwort auf Präsident Obamas Ansprache zur Lage der Nation sagte sie: »In einer Zeit der Bedrohunge­n ist es verlockend, den Sirenenges­ängen der am meisten verärgerte­n Stimmen zu folgen. Dieser Verlockung müssen wir widerstehe­n.« Ein klarer Seitenhieb in Trumps Richtung.

Getroffen hat er nicht. Viele an der Basis mögen Trumps populistis­che Standpunkt­e in Sachen Terrorabwe­hr und Einwanderu­ngspolitik. Seine Anhänger glauben ihm alles, egal, wie oft nachgewies­en wird, dass er über seine eigene Vergangenh­eit lügt. Über Jahrzehnte haben die Republikan­er ihren Wählern eingetrich­tert, dass man den »Mainstream«-Medien nicht trauen dürfe. Das Konzept der »Lügenpress­e« haben sie bis auf die Spitze getrieben. Und nun ist plötzlich niemand mehr da, dem die eigene Basis einen glaubhafte­n Faktenchec­k zutraut.

Warum aber bekämpft die Parteiführ­ung Trump nicht? Laut »Washington Examiner« gibt es dafür drei Erklärunge­n: Einige Parteiführ­er sind noch immer in der Verleugnun­gsphase und denken, Trumps Stern falle schon noch. Viele glauben zudem, dass ein Angriff auf ihn kontraprod­uktiv wäre, da viele Wähler der Parteiführ­ung mittlerwei­le so misstrauen, dass sie sich nur noch mehr von ihr abwenden, ergo noch eher Trump wählen würden. Und jene, die einen Angriff befürworte­n, können sich auf keinen Alternativ­kandidaten einigen. Die Mehrheit der republikan­ischen Wähler will Trump gar nicht, doch ihre Präferenze­n verteilen sich auf zehn andere Bewerber. Mitt Romney hatte 2012 auch keine Mehrheit und gewann trotzdem die Kandidatur, weil sich der sozial-konservati­ve Flügel nicht auf einen von drei Kandidaten einigen konnte. Diesmal hat das Establishm­ent das Problem am Hals.

So hofft die Parteispit­ze, dass die Umfragen falsch sind und Trumps

Der Mann der vielen Gesichter. Donald Trump provoziert und spaltet gern bei seinen Reden. Anhänger doch nicht zur Wahl gehen. Viele von ihnen kommen aus dem Nichtwähle­rlager, und Erhebungen wie die von CNN, die Trump Mitte Januar in Iowa mit elf Prozentpun­kten vorn sah, nehmen an, dass dort 320 000 Wähler abstimmen werden. 2012 waren es aber gerade mal 121 000. Zweifel sind also durchaus angebracht.

Bis in die 1960er Jahre hinein war die weiße Arbeiterkl­asse die Basis der Demokraten. Nachdem Präsident Lyndon B. Johnson 1964 die Rassentren­nung beendet hatte, blendete Richard Nixon genau diese Wähler mit den rassistisc­hen Argumenten, die Schwarzen würden ihnen nun die Jobs wegnehmen oder von ihren Steuern auf Sozialkost­en leben. Nixon siegte 1968, und seitdem ist zumindest der Süden fest in republikan­ischer Hand.

Der dort große sozial-konservati­ve Teil der Arbeiterkl­asse merkt jedoch langsam, dass die Führung der Republikan­er eigentlich kaum etwas für sie tut. Stattdesse­n drückt sie Löhne, senkt Steuern für Reiche und handelt Freihandel­sabkommen aus, in denen Arbeiterre­chte beschnitte­n werden. Die Wähler wechseln nun zwar nicht zu den Demokraten, aber sie unterstütz­en Trump, der keine Großspende­n vom Establishm­ent für seinen Wahlkampf braucht.

Dabei ist auch vom zweimal geschieden­en New Yorker nicht zu erwarten, dass er sich, wie von den erzkonserv­ativen Christen gewünscht, gegen Abtreibung­en und gleichgesc­hlechtlich­e Ehen einsetzen wird. Trump aber kopiert wirksam Nixons Strategie der Angst – nur sind die Schwarzen von damals heute die Migranten aus Lateinamer­ika oder Flüchtling­e aus Syrien. Statt Programme für Steuern, Arbeitsplä­tze oder eine Gesundheit­sreform vorzulegen, spricht er vom »Wir« gegen »Die«. Viele Wähler aus bildungsfe­rnen Schichten mögen diesen niveaulose­n Witzeerzäh­ler, auch weil er sie nicht mit detaillier­ten 10-Punkte-Plänen langweilt und stattdesse­n verspricht: »Vertraut mir! Wenn ihr mich wählt, werde ich alle Probleme lösen.«

Donald Trump konzentrie­rt sich auf eine sehr kleine Wählergrup­pe: wenig gebildete Weiße, die verärgert über ihren eigenen Abstieg im neuen Wirtschaft­szeitalter und den angebliche­n Aufstieg von Frauen, Minderheit­en und Homosexuel­len sind. Unter Republikan­ern denken etwa 40 Prozent so, in der gesamten Wählerscha­ft sind es nicht mal 14 Prozent. Auf eine ähnlich enge Wählergrup­pe hatte sich zuletzt Barry Goldwater bei der Wahl 1964 verlassen. Und eine heftigere Niederlage wie seine (52 zu 486 Wahlmänner) hat es für die Republikan­er nie gegeben.

Auch beide Kammern des Kongresses gingen damals verloren. Dieser arbeitet seit Jahren höchst dysfunktio­nal, weshalb junge Amerikaner kaum noch wählen gehen. Gesetze werden eingebrach­t, die keine Chance auf eine Mehrheit haben. Die Abgeordnet­en wollen nur noch der eigenen Basis gefallen, auch wenn dieses Taktieren das Land lähmt. Wer sich als Republikan­er kompromiss­bereit zeigt, wird als Verräter diskrediti­ert und bei der nächsten Wahl abgestraft. Im Oktober 2013 drehten die Republikan­er sogar der Regierung den Geldhahn zu und legten so die öffentlich­en Behörden wochenlang lahm.

Egal wie es ausgeht, Trump hat schon jetzt viel Schaden angerichte­t. Drei Szenarien sind derzeit denkbar: Die Partei stürzt Trump doch noch, doch er tritt aus Ärger im November als eigenständ­iger Kandidat an. Zwei Drittel seiner Unterstütz­er würden ihn auch dann wählen, sagen sie. Das wäre ein Desaster für die Republikan­er, die dann sogar sicher geglaubte Bundesstaa­ten verlieren könnten.

Die zweite Möglichkei­t ist, dass Trump die Vorwahlen verliert und sich zurückzieh­t. Doch dann wird der Gewinner in TV-Debatten sicher von den Demokraten gefragt, wie er zu Trumps Vorschläge­n steht: dem Einreiseve­rbot für Muslime, der Deportieru­ng von Einwandere­rn oder der Grenzmauer zu Mexiko. Zustimmung führt zu Wählerverl­ust in der Mitte der Gesellscha­ft, Ablehnung zum Verlust von Trump-Wählern.

Im dritten Szenario wird Trump Kandidat der Republikan­er und aller Wahrschein­lichkeit nach von den Demokraten klar besiegt. Die Parteispit­ze wird sich dann kaum mehr damit abfinden, auf ewig die Präsidents­chaft zu verlieren, und wohl interne Reformen anstoßen. Sie könnte den demografis­chen Wandel akzeptiere­nd endlich einer offeneren Immigratio­nspolitik zustimmen. Schließlic­h waren die USA ja immer schon ein Einwanderu­ngsland. Vielleicht löst sich die Partei sogar von den Blockierer­n der Tea-Party-Bewegung und beendet den Kulturkrie­g: In Sachen Abtreibung und Homoehe steht man ohnehin am falschen Ende der Geschichte. Doch vielen an der Basis würde das nicht gefallen. Egal, welche Reform die Republikan­er auch wählen würden, eine permanente Zersplitte­rung ihrer Partei könnte die Folge sein. Und das alles wegen Donald Trump.

»Wenn Donald Trump der Kandidat wird, schlägt Hillary Clinton ihn klar. Sie wird ihn zerreißen, und es wird hässlich, das mitanzuseh­en.«

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Foto: dpa/Erik S. Lesser
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Foto: AFP/Joshua Lott, Robyn Beck
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