Solidarisch zum Sieg
Marie Eggeling aus Potsdam spielt in der deutschen Bridge-Nationalmannschaft
Ältere Damen, die sich am Nachmittag zu Tee und Kuchen und Karten treffen – dieses Klischee wird oft mit Bridge verbunden. Ärgert Sie das? Früher, als ich mit dem Spiel begonnen habe, war mir das ziemlich egal. In der Orientierungsstufe meiner Schule wurde Bridge nämlich angeboten; ich war damals elf Jahre alt und sofort begeistert. Außerdem bin ich rasch in Kontakt gekommen mit anderen jungen Leuten, die meinen Sport betreiben, die gibt es übrigens auch! Trotzdem will ich nicht abstreiten: Der Altersdurchschnitt in der Szene ist relativ hoch, und das finde ich wirklich schade. Warum? Weil Bridge besonders gut geeignet für Heranwachsende ist. Es erfordert und fördert Durchhaltevermögen. Und es schult kognitive Fähigkeiten. Du musst die passende Situation identifizieren, in der Abwarten oder Angriff zum Erfolg führen. Das Wichtigste aber: In der Viererrunde am Tisch messen sich die Teilnehmer im Doppel. Und um in einer Partnerschaft erfolgreich zu sein, braucht man viel soziale Kompetenz und Teamfähigkeit. Wie funktionieren diese Partnerschaften praktisch, werden die Schritt für Schritt ausgehandelt? Nein, abgesehen vom Reizen zum Auftakt, wenn die beiden konkurrierenden Paare für den voraussichtlichen Spielverlauf ihre Gebote abgeben, wird am Tisch nichts mehr verhandelt. Trotzdem sind Absprachen unter den Partnern möglich, aber die müssen vorher getroffen und den Gegnern mitgeteilt werden. Wie bitte – keine Geheimnisse vor der anderen Partei? Genau. Im Ligabetrieb werden die betreffenden Absprachen sogar per Internet veröffentlicht, und dadurch können wir uns gezielt auf die nächste Runde vorbereiten. Transparenz total. Und was wäre der mögliche Inhalt einer derartigen Marschroute, auf die sich die Beteiligten festlegen? Zum Beispiel könnte das Ausspielen einer Karte mit niedrigem Rang signalisieren, dass der Spieler in derselben Farbe noch eine höherrangige Karte auf der Hand hat. Eine Taktik, die wir »markieren« nennen. Und die Konkurrenz weiß über alles Bescheid. Macht das überhaupt noch Spaß? Aber ja! Mich fasziniert an Bridge die Komplexität. Niemals hast du ausgelernt. Und der Glücksfaktor ist beinahe vollständig ausgeschlossen. Andererseits werden die Karten vor dem Spiel gemischt und ausgeteilt. Regiert im Ergebnis vielleicht doch das Zufallsprinzip? Eben gerade nicht! Bei Turnieren muss die anfängliche Blattverteilung, mit der jeweils an den verschiedenen Tischen gestartet wird, in der Folge von den übrigen Paaren ebenfalls durchgespielt werden: »Duplicate Bridge«, und in der Endabrechnung werden die Ergebnisse der einzelnen Paare untereinander verglichen. Wir selber sind schon gescheitert an viel simpleren Kartenspielen, weil wir nie wussten, von welcher Hand die entscheidenden Trümpfe gehalten wurden. Was ist der Trick? Ich präge mir den Ablauf der Partie ein, memoriere Stich für Stich: Diese Karten sind bereits ausgespielt, und jene Karten dürften noch kommen. Das ist kein lineares Mitzählen, sondern vor meinem geistigen Auge bildet sich das Spiel als fortschreitender Prozess ab. Beeindruckend! Sie haben den Masterabschluss in Psychologie erworben: Hilft das, um aus dem Ver- halten Ihrer Gegner zusätzliche Informationen zu gewinnen? Das hängt vom Niveau der Veranstaltung ab. Profis zeigen meistens ein Pokerface. Anders auf dem Klubniveau. Zögert der Gegner an einer bestimmten Stelle, könnte das ein gewisser Hinweis darauf sein, welches Blatt ihn ins Grübeln bringt. Heute sind die Menschen online vernetzt, und es erscheint fast nos- talgisch, wenn sich Leute um einen Tisch versammeln. Selbstverständlich wird Bridge auch im Internet ausgetragen. Ich nutze das fürs Training. Ich übe annähernd jeden zweiten Tag etwa zwei bis drei Stunden. Alle 14 Tage fahre ich zu Wochenendturnieren. Und aktuell kämpfen Sie um die Qualifikation für die deutsche Damenauswahl, die zur EM im Juni 2016 nach Budapest fliegt. Wir drücken die Daumen! Was sagen Freunde und Bekannte dazu, dass Sie dermaßen brennen für Bridge? Viele sind überrascht und haben höchstens entfernt mal von dem Spiel gehört. Erfahren sie jedoch, welche Möglichkeiten mir Bridge auch noch neben dem reinen Spiel bietet, sind alle auf meiner Seite. Allein schon das Reisen! Denn mit der Nationalmannschaft trete ich nicht nur in Europa, sondern auch auf anderen Kontinenten an.