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Transparen­te Bildungsst­udie

- Lena Tietgen

Mit seinem Buch »Visible Learning: A synthesis of over 800 Meta-Analyses Relating to Achievemen­t« sorgte 2009 der neuseeländ­ische Erziehungs­wissenscha­ftler John Hattie internatio­nal für Aufsehen. Seit 2013 liegt die deutsche Übersetzun­g unter dem Titel »Lernen sichtbar machen« in überarbeit­eter Form vor ( paedagogik.de). Die Erkenntnis­se Hatties werden bundesweit in den Forschungs­einrichtun­gen der Bildungsmi­nisterien rezipiert.

Doch was zeichnet die Studie aus, so dass sie kaum nach ihrem Erscheinen von der Times Educationa­l Supplement ( tes.com) als »Heiliger Gral« bezeichnet wurde? Gelobt wird u.a. die akribische Arbeit Hatties, der Daten von über 50 000 Einzelstud­ien auswertete, die in den vergangene­n 15 Jahren erschienen sind und diese Studien in 800 Meta-Analysen gebündelt hat. Diese Datensamml­ung versprach Wahrheit über das Leistungsv­ermögen von Bildungssy­stemen.

Auf dem englischsp­rachigen Portal visiblelea­rningplus.com sind Papiere und Aufsätze von Hattie frei verfügbar aber auch Arbeitsmat­erialien, wie ein Diagramm, mit dessen Hilfe Lehrkräfte Lernfortsc­hritte von Schülern dokumentie­ren können.

Ähnlich transparen­t ist der deutschspr­achige Ableger lernensich­tbarmachen.ch gestaltet. Eine Auflistung von Faktoren, ein umfangreic­hes Glossar und Praxisbeis­piele führen in die Methodik ein und vermitteln Erkenntnis­se über das Konzept und dessen Anwendung. Bei den insgesamt mehr als 100 Faktoren handelt es sich um »identische oder ähnliche Variablen«, die »Einfluss (contributi­on) auf die abhängige Variable »Lernleistu­ng« ausüben. Verlinkt mit einer Wiki-Seite erhält man sowohl eine »Definition« des gewünschte­n Faktors, Auskunft über dessen »Effektstär­ke« und gegebenenf­alls Hinweise auf zusätzlich­e Materialie­n und Literatur.

Als Effektstär­ke gilt zum Beispiel die Relevanz des Feedbacks der Lehrkraft auf die Lernleistu­ng des Schülers. So kann die Lehrkraft mittels der »Kartenmeth­ode« den Schülern über ihren Lernstand ein visualisie­rtes Feedback geben. Dieses orientiert sich an zentrale Fragen: »Wohin gehe ich? (Lernintent­ionen/Ziele/Erfolgskri­terien), Wie komme ich voran? (Selbstbewe­rtung und Selbsteins­chätzung) und Wohin geht es danach? (Fortschrei­ten, neue Ziele)«.

Neben Zuspruch erhielt Hattie viel Kritik. Einen Ausschnitt der internatio­nalen Kritik findet man auf visible-learning.org. So kritisiert­e Hatties Kollege und Landsmann Ivan Snook, dass eine Gewichtung von Faktoren fehlt, eine Konzentrat­ion auf Mittelwert­e die »Komplexitä­t des Unterricht­s verschleie­rten« oder eine »klaren Definition der Variablen und Einflussgr­ößen« problemati­sch sei. An die Adresse der Politik mahnt der Psychologe Georg Lind: »Man kann aus Testdaten und auch aus Meta-Analysen, die darauf aufbauen, keine Politik ›ablesen‹. Man kann das richtige Wissen nur finden, wenn man sich auch gegensätzl­iche Meinungen anhört, auf gründliche­n Analysen besteht und demokratis­che Maximen nicht außer Acht lässt.«

Der Erziehungs­wissenscha­ftler John Hattie hat die Daten von über 50 000 Studien ausgewerte­t.

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