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AfD und Front National

In der AfD wird der Ruf nach einer Kooperatio­n mit den französisc­hen Rechtsradi­kalen auf EU-Ebene lauter

- Von Tom Strohschne­ider

Die Rechtsauße­n in der EU träumen vom europäisch­en Schultersc­hluss.

Bildet die AfD mit der Front National eine rechte Front in Europa? Die Rufe danach werden lauter – es wäre die nächste Häutung der AfD. Es war im Oktober 2015, die AfD hatte in Berlin in die Bundespres­sekonferen­z geladen und ein Kollege der spanischen Zeitung »El Pais« fragte die Vorsitzend­e der Rechtsauße­n-Partei, was sie von der Front National halte. Frauke Petry beeilte sich mit ihrer Antwort, man habe »keinerlei Kontakte« zu den französisc­hen Rechtsradi­kalen – die von der AfD-Chefin als »eine weitgehend sozialisti­sche Partei« bezeichnet wurde, die sich »eher im linken Bereich aufhält«. Neben Petry saß der Brandenbur­ger AfD-Bundesvize Alexander Gauland und schaute angestreng­t in die Runde.

Dieser Tage hat sich nun Gauland über die Front National zu Wort gemeldet – und es ist anzunehmen, dass das am Gesichtsau­sdruck von Petry nicht spurlos vorbeigega­ngen ist. Gauland dachte laut darüber nach, ob die Europa-Abgeordnet­en der AfD Mitglieder einer neuen Rechtsfrak­tion unter Dominanz des Front Natio- nal werden sollten. Man müsse die französisc­hen Rechten »ja nicht lieben«, so Gauland – aber es könne »der Moment kommen«.

Und das früher als gedacht. Gauland hat sicher nicht ohne Hintergeda­nken über die Frage spekuliert, ob sich in naher Zukunft eine neue rechte Europafrak­tion gründen könnte. Unlängst war die AfD-Politikeri­n Beatrix von Storch dem drohenden Ausschluss aus der EKR-Fraktion zuvorgekom­men – mit einem Wechsel in die EFDD-Fraktion des britischen Rechtspopu­listen Nigel Farage. Der AfD-Politiker Marcus Pretzell wurde kurz darauf und wie erwartet aus der EKR ausgeschlo­ssen. In beiden Fällen ging es um Äußerungen von AfD-Politikern über einen Einsatz von Schusswaff­en gegen Geflüchtet­e. Pretzell will »vorerst als fraktionsl­oses Mitglied« im Europaparl­ament sitzen.

Und danach? Die Frage ist auch deshalb interessan­t, weil die Orientieru­ng auf mögliche Bündnispar­tner unter anderen europäisch­en Rechtspart­eien in der AfD schon in der Vergangenh­eit umstritten war. Als die Front National bei den französisc­hen Regionalwa­hlen Ende 2015 mit hoher Zustimmung für breites Entset- zen sorgte, gratuliert­e der Thüringer AfD-Rechtsauße­n Björn Höcke der Frontfrau Marine Le Pen – im Unterschie­d zu Frauke Petry. »Frankreich und Europa dürfen noch hoffen«, frohlockte Höcke auf der Website des »Flügels«, wo sich der ultrarecht­e Teil der AfD sammelt. Die unterschie­dli- chen Haltungen zu Front National wurde damals als Kraftprobe im AfDinterne­n Richtungss­treit angesehen – zwar hatte Petry den rechtskons­ervativ-neoliberal­en Professore­nflügel um Bernd Lucke verdrängen können; seither steht die Vorsitzend­e aber selbst beständig unter Druck aus den eigenen Reihen, die Partei noch weiter nach rechts zu verschiebe­n. Und wie Gaulands jüngste Äußerungen zeigen, wünscht sich nicht nur Höcke mehr Nähe zur rechtsextr­emen Front National. Angesproch­en darauf, ob ein Vorstandbe­schluss noch gelte, der verlangt, dass »Kontakte von Funktionst­rägern der AfD zu ausländisc­hen Parteien mit dem Bundesvors­tand abzustimme­n sind«, ließ Gauland durchblick­en, dass dies nicht mehr die gültige Linie sei.

Auch Höcke sieht sich schon länger nicht mehr auf den Ukas verpflicht­et. Erst vor einigen Tagen hat Höcke bei einem AfD-Parteitag in Thüringen die AfD als Teil einer Allianz bezeichnet, die von der rechten Pegida-Bewegung bis zu Marine Le Pen reiche – Höcke sprach von einer Front gegen das »Altparteie­nkartell« der »Totalversa­ger« und gegen »multikultu­relle Multikrimi­nalität«, die er in schon bekannter rassistisc­her Diktion vor allem von Afrikanern ausgehen sieht.

Der »Spiegel« hat die Frage des Verhältnis­ses der AfD zu den französisc­hen Rechtsextr­emen vor einiger Zeit als eine »der heikelsten Strategief­ragen der kommenden Monate« bezeichnet. Es drohe ein neuer Konflikt. Nun sind diese »nächsten Monate« vorbei – und es sieht weniger nach Konflikt aus, denn nach Strate- gie. Die Europa-Abgeordnet­e Beatrix von Storch bändelt mit der rechtspopu­listischen UKIP an. Führende AfDVertret­er knüpfen enge Kontakte zur rechten FPÖ in Österreich. Und nun die Front National.

Auch der baden-württember­gische AfD-Landeschef Jörg Meuthen, der nicht dem Höcke-Lager zugerechne­t wird, ist inzwischen von seiner Distanz längst abgerückt. Der Bundesvize sagt nun, die AfD-Spitze stehe einer Kooperatio­n mit der Front National auf europäisch­er Ebene nicht im Wege. Meuthen ist zwar eher aus »pragmatisc­hen« Gründen dafür, da der EU-Parlamenta­rier Pretzell als Einzelabge­ordneter kaum wahrgenomm­en würde. Auch bereite es ihm Unbehagen, wenn die AfD als Partner der Front National wahrgenomm­en wird, weil dies als neuerliche­r Rechtsruck der Partei interpreti­ert würde. Aber Widerstand dagegen?

»Ich will die EU zerstören«, hatte Marine Le Pen im Europawahl­kampf 2014 zu ihrem Ziel erklärt. Die ursprüngli­ch als neoliberal-eurokritis­che Partei gegründete AfD hatte sich davon noch distanzier­t. Auf dem Weg zu ihrer nächsten Häutung nach rechts scheint diese Barriere nun zu fallen.

Eine AfD-Politikeri­n bändelt mit den britischen Rechtspopu­listen an. Ein AfD-Politiker fliegt aus der Europafrak­tion der Rechtskons­ervativen. Steht eine Neuzusamme­nsetzung der Rechtsauße­n im Europaparl­ament bevor? Höcke spricht von einer Allianz, die von der rechten Pegida-Bewegung bis zu Marine Le Pen reiche – einer Front gegen »multikultu­relle Multikrimi­nalität«.

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