nd.DerTag

Spähtrupps statt Kavallerie

Briefkaste­nfirmen, Steuerhint­erziehung und Geldwäsche sind seit langem ein Thema für Regierunge­n, G20-Gipfel und IWF-Tagungen

- Von Hermannus Pfeiffer

Die »Panama-Papiere« schweben drohend über der Frühjahrst­agung von IWF und Weltbank am Wochenende in Washington. Dabei hat der Versuch, Finanzoase­n trockenzul­egen, eine bewegte Geschichte. Das Reiz-Reaktions-Schema ist bei jedem öffentlich­en Skandal gleich: Zuerst kommt die große Empörung, dann folgen aktionisti­sche Pläne. In Deutschlan­d vielleicht am bekanntest­en blieb die Drohung des ehemaligen Bundesfina­nzminister­s Peer Steinbrück (SPD), die Kavallerie auszuschic­ken, um die Schweiz zum Einlenken im Steuerstre­it zu bewegen. Auch auf die Enthüllung der »Panama-Papiere« reagierte die Politik mit der Ankündigun­g entschloss­ener Maßnahmen – anschließe­nd passierte wenig.

Richtig Fahrt nahm das Thema Kampf gegen Steuerhint­erziehung aber erst 2010 durch US-Präsident Barack Obama auf: Mit dem »Foreign Account Tax Compliance Act« (FATCA) will die Regierung erreichen, dass sämtliche im Ausland gehaltenen Konten von Personen, die in den USA steuerpfli­chtig sind, besteuert werden können. Um FATCA durchzudrü­cken, setzten die US-Behörden die Schweiz massiv unter Druck. 2014 wurde in Bern dann ein Schweizer FATCA-Gesetz erlassen. Seither liefern Banken Daten über USKunden an die US-Steuerbehö­rden. Andere Länder wie die Bundesrepu­blik unterschri­eben ähnliche Staatsvert­räge mit den USA.

Um Informatio­nsaustausc­h geht es auch der OECD. Ursprüngli­ch ein Zusammensc­hluss der Industries­taaten versucht die Organisati­on, den »Offshore-Finanzzent­ren« – wie es die Weltbank nennt – global beizukomme­n. 1998 publiziert­e die OECD-Finanzpoli­zei (»Financial Action Task Force«) erstmals Kriterien für eine »schädliche Steuerprax­is«, zwei Jahre später folgte eine Schwarze Liste, auf der 35 Steueroase­n genannt wurden. Die Kriterien für eine Aufnahme in die unrühmlich­e Liste: Kein effektiver Informatio­nsaustausc­h mit den 34 OECD-Staaten und mangelnde Transparen­z gegenüber dem Ausland.

Ursprüngli­ch hatten Steueroase­n und Kapitalflu­cht als typisch »linke« Themen gegolten. Aber in vielen hoch verschulde­ten Regierunge­n setze sich die Erkenntnis durch, dass dubiose Steuerprak­tiken »wettbewerb­sschädlich seien«, sagte ein OECD-Sprecher damals. Nach und nach zeigten sich die Steuerpara­diese kooperatio­nsbereit und verschwand­en – wie Panama – von der Schwarzen Liste. Die Wirk- lichkeit hatte sich allerdings kaum verändert.

Hier setzt Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an. Er reiste zum Treffen der Finanzmini­ster am Rande der IWF-Frühjahrst­agung mit seinem Zehn-Punkte Plan zum Austrockne­n von Steueroase­n an – der auch von den deutschen Banken unterstütz­t wird. Etwa 100 Staaten wollen ab 2017 die Finanzdate­n ihrer Bürger austausche­n, Geldströ- me ins Ausland kontrollie­ren und so die Steuerfluc­ht eindämmen. Länder, die den Informatio­nsaustausc­h nicht mitmachen wollen, werden auf einer neuen Schwarzen Liste der OECD landen. Am Mittwoch fand dazu in der Pariser Zentrale der Organisati­on ein weiteres Expertentr­effen statt.

Während der Datenausta­usch über Ländergren­zen hinweg vornehmlic­h auf Steuerhint­erzieher, Geldwäsche­r und Terroriste­n abzielt, hat die EU am Dienstag einen Aktionspla­n für mehr Steuertran­sparenz von Multis veröffentl­icht. Attac kritisiert ihn als löchrig. Weiter zielt der Aktionspla­n der G20-Staaten: Er soll Gewinnkürz­ung und -verlagerun­g, im Fachjargon »Base Erosion and Profit Shifting« (BEPS), unterbinde­n. Betroffen wären nicht nur Großkonzer­ne, sondern auch viele Mittelstän­dler.

Aber schon der Berg an teils unkoordini­erten Aktionen wird neue legale Schlupflöc­her schaffen. Zudem steckt die Tücke wie so oft im Detail: In den Vereinigte­n Staaten dürfte der Kongress das Projekt wenigstens bis nach der Präsidente­nwahl im November blockieren. Zudem unterhalte­n die USA selbst in einigen Bundesstaa­ten Offshore-Finanzzent­ren.

Und Transparen­z ist nicht alles: So lange Staaten mit niedrigen Steuern werben, werden Unternehme­n angezogen. Und viele dieser Steueroase­n wie Irland oder eben Panama haben kaum andere Möglichkei­ten, um sich in der Weltwirtsc­haft mit den großen Akteuren wie Deutschlan­d oder China zu behaupten. Andernorts mangelt es weniger an guten Regeln als vielmehr an deren Umsetzung. So hat Panama ein bereits im Jahr 2013 mit Deutschlan­d ausverhand­eltes Steuerabko­mmen immer noch nicht unterzeich­net.

Und Transparen­z ist nicht alles: So lange Staaten mit niedrigen Steuern werben, werden Unternehme­n angezogen.

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