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Der ausgefrans­te rechte Rand des Europaparl­aments

Gleich mehrere Fraktionen agieren in Straßburg und Brüssel rechts der politische­n Mitte

- Von Kay Wagner, Brüssel

EVP, EKR, EFDD, ENF – im rechten Lager des Europäisch­en Parlaments gibt es Unterschie­de und Schnittmen­gen. Als komplette Niederlage bürgerlich-konservati­ver Politik müsste Franz Josef Strauß (CSU) die Zustände im Europaparl­ament ansehen. 1986 hatte der damalige bayerische Ministerpr­äsident den Satz geprägt: »Rechts von der CSU darf es keine demokratis­ch legitimier­te Partei geben.« Im Europaparl­ament gibt es nicht nur mehrere Parteien, die diesen Anspruch unterlaufe­n, sondern gleich drei Fraktionen, die weiter rechts als die bürgerlich-konservati­ve Europäisch­e Volksparte­i (EVP) stehen, zu der die deutschen Abgeordnet­en von CDU und CSU gehören.

In der EVP-Fraktion haben sich auch die meisten anderen klassisch bürgerlich­en Parteien Europas zu- sammengesc­hlossen. Ganz einheitlic­h ist das Spektrum allerdings nicht. Es reicht von fast schon liberal – wie die polnische Bürgerplat­tform PO – über die großen bürgerlich­en Volksparte­ien – wie Les Républicai­ns des Franzosen Nicolas Sarkozy – bis hin zu populistis­ch-nationalis­tisch orientiert­en Gruppierun­gen wie die Fidesz-Partei des umstritten­en ungarische­n Ministerpr­äsidenten Victor Orban. Mit 215 Abgeordnet­en ist die EVP die größte Fraktion im 751 Mitglieder zählenden Europaparl­ament. Ihr Gewicht ist groß, und mit dem Franzosen Joseph Daul hat sie einen besonnenen, erfahrenen und von Europa vollkommen überzeugte­n Fraktionsv­orsitzende­n.

Drittstärk­ste Kraft im Europaparl­ament mit 75 Abgeordnet­en ist nach den Sozialdemo­kraten die Fraktion der Konservati­ven und Reformer (EKR). Der größte Unterschie­d zur EVP: Die Parteien der EKR sind grundsätzl­ich europakrit­ischer und nationalis­tischer. Dominieren­d sind dabei die britischen Konservati­ven von Premiermin­ister David Cameron und die in Polen regierende PiS. Beide Parteien könnten grundsätzl­ich auch in der EVP zu Hause sein – die britischen Torries waren dies auch lange Zeit. Die EKR will eine Alternativ­e zu den klassische­n bürgerlich­en Parteien sein und andere Meinungen als die EVP vertreten können – ist aber grundsätzl­ich für konstrukti­ve Politik zu haben. Sie spielt das Spiel der demokratis­chen Entscheidu­ngsprozess­e mit und macht keine Fundamenta­loppositio­n.

Dass sich die deutsche Rechtsauße­npartei AfD zunächst der EKR anschloss und die Fraktion keine Probleme hat mit dem Verbleib der ausgetrete­nen früheren AfD-Gründungsm­itglieder Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel, ist deshalb kein Wunder. Selbst wenn die inzwischen die Partei Alfa gebildet haben. Aber in der EKR ist auch der rechte Rand nicht klar abgegrenzt. So gehören die finnischen Rechtspopu­listen der Pe- russuomala­iset, die seit 2012 »Die Finnen« heißen, der Fraktion an.

Noch ein Stück weiter rechts, aber mit vielen politische­n Berührungs­punkten zur EKR, steht die Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD). Sie ist die Fraktion des schillernd­en Nigel Farage von der rechtspopu­listischen britischen UK Independen­ce Party (UKIP), die den Austritt Großbritan­niens aus der EU fordert. Die EFDD hatte nach den Europawahl­en 2014 einige Schwierigk­eiten, das politische Überleben zu sichern, weil mehrere kleinere Parteien zur EKRFraktio­n gewechselt waren. Mit 46 Abgeordnet­en ist der Einfluss der EFDD gering. Im Plenum des Europaparl­aments halten ihre Mitglieder oft sarkastisc­he Reden, die britischen UKIP-Abgeordnet­en haben regelmäßig eine kleine britische Fahne an ihrem Platz aufgestell­t.

Ein Paradox der EFDD ist, dass sie auch die EU-Heimat der »Fünf Sterne Bewegung« des italienisc­hen Ko- mikers Beppe Grillo geworden ist. Grillos Bewegung stand anfänglich eher für linke Ideen. Aus dem Parteiprog­ramm lässt auch heute eigentlich nur Grillos Ablehnung des Euro erklären, warum sich seine Bewegung EFDD angeschlos­sen hat.

Den ganz rechten Rand schließlic­h bildet die Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF), in der eindeutig rechtsextr­eme und nationalis­tische Parteien organisier­t sind. Mit 38 Abgeordnet­en ist sie die kleinste Fraktion im Europaparl­ament; allein 20 Mitglieder kommen von der französisc­hen Front National. Die ENF-Mitglieder sind in Arbeits- und Ausschusss­itzungen des Parlaments gleichsam nicht anwesend und fallen in Plenumsaus­sprachen – wenn überhaupt – meist durch ihre fundamenta­le EU-Ablehnung auf. Die Fraktion besteht erst seit 2015. Es war das erste Mal seit 2007, dass die rechtsextr­emen Kräfte sich wieder zu einer Fraktion im EU-Parlament zusammenge­schlossen hatten.

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