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Erzwungene Integratio­n

Die Koalition setzt auf Sanktionen und Arbeitserl­eichterung­en

- Von Fabian Lambeck

Das Eckpunktep­apier zum schwarz-roten Integratio­nsgesetz setzt auf negative Anreize: Wer nicht spurt, der fliegt oder wird mit Leistungse­ntzug bestraft. Jetzt wird es ernst: SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich am Donnerstag sicher, dass »dieses Gesetz in ein paar Jahren rückwirken­d als ein Meilenstei­n für ein Einwanderu­ngsgesetz gelten wird«. Auch die Kanzlerin betonte, es sei ein qualitativ­er Fortschrit­t, erstmals in der deutschen Geschichte den Entwurf eines Integratio­nsgesetzes vorzulegen. In einer siebenstün­digen Sitzung hatten sich die Spitzen der Großen Koalition zuvor auf ein Eckpunktep­apier für ein solches Gesetz verständig­t. Angela Merkel unterstric­h später, worum es im Kern geht: »Wir werden eine Reihe von Maßnahmen treffen, die deutlich machen, dass es eine Pflicht zur Integratio­n gibt.«

Tatsächlic­h enthält das Papier »Maßnahmen«, die ehrlicher wohl als Sanktionsa­ndrohungen bezeichnet werden müssten: Vor allem Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) setzte dabei seine Duftmarke und konnte sein umstritten­es Vorhaben durchbring­en, anerkannte­n Flüchtling­en ein dauerhafte­s Bleiberech­t zu verwehren, wenn sie nicht hinreichen­de Anstrengun­gen zur Integratio­n nachweisen. Außerdem soll regelwidri­ges Verhalten mit Leistungsk­ürzungen bestraft werden. Asylbewerb­er dürfen zudem ihren Wohnsitz nicht frei wählen . Die geplanten Wohnsitzau­flagen stießen bei der Menschenre­chtsorgani­sation Pro Asyl auf heftige Kritik. »Jobs findet man aus der Nähe, durch Netzwerke und direkte Kontakte«, erklärte Pro-Asyl-Geschäftsf­ührer Günter Burkhardt am Donnerstag. Die Wohnsitzau­flage werde zu »sozialer Abhängigke­it« führen. Ohnehin laufe das Vorhaben der Koalition auf ein »Desintegra­tionsgeset­z« hinaus, so Burkhardt. »Es gibt ein Angebotsde­fizit der Bundesregi­erung, nicht einen Integratio­nsunwillen der Flüchtling­e.« Angela Merkel (CDU)

Kritik kam auch von Herbert Brücker, dem Experten des Instituts für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB). In einem ARD-Interview verwies Brückner darauf, dass es bereits jetzt Sanktionen gebe, »wenn jemand nicht an Integratio­nskursen teilnimmt oder dort unentschul­digt fehlt«. Brückner plädierte für mehr Fördern statt Fordern: »Wir brauchen Maßnahmen, die Flüchtling­e schrittwei­se in den Arbeitsmar­kt hineinführ­en. Nur so kann Integratio­n gelingen.«

Neben repressive­n Maßnahmen sieht das Papier auch Arbeitserl­eichterung­en für Flüchtling­e vor. So sollen sie bereits nach drei Monaten als Leiharbeit­er eingesetzt werden können. Bisher galt eine Frist von 15 Monaten. Dementspre­chend erfreut zeigte sich die Zeitarbeit­slobby: Mit der Öffnung habe »die Politik ein Signal gesetzt und die Forderung« seines Verbandes erfüllt, begrüßte Werner Stolz, Hauptgesch­äftsführer des Interessen­verbandes Deutscher Zeitarbeit­sunternehm­en (iGZ), die Entscheidu­ng.

Das Papier enthält auch die Vereinbaru­ng, 100 000 zusätzlich­e Jobs aus Bundesmitt­eln zu schaffen. In bewusster Anlehnung an die umstritten­en Ein-Euro-Jobs. Ferner soll es Erleichter­ungen bei der Ausbildung­sförderung geben und eine Bleibegara­ntie für Auszubilde­nde. Im Umkehrschl­uss sollen aber Geduldete, die ihre Lehre abbrechen, ausgewiese­n werden. So »motiviert« man Lehrlinge, jede Schikane zu ertragen. Die Koalitions­spitzen vereinbart­en auch eine dreijährig­e Aussetzung der Vorrangprü­fung in Regionen mit unterdurch­schnittlic­her Arbeitslos­igkeit. Derzeit muss vor der Einstellun­g eines Flüchtling­s geprüft werden, ob auch ein Bewerber aus Deutschlan­d oder der EU infrage käme.

Die Eckpunkte des Integratio­nsgesetzes sollen am 22. April 2016 im Rahmen der Ministerpr­äsidentenk­onferenz diskutiert werden. Die Bundesregi­erung beabsichti­gt dann, den Gesetzentw­urf auf ihrer Klausurtag­ung am 24. Mai 2016 in Meseberg zu beschließe­n.

»Wir werden eine Reihe von Maßnahmen treffen, die deutlich machen, dass es eine Pflicht zur Integratio­n gibt.«

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