Erzwungene Integration
Die Koalition setzt auf Sanktionen und Arbeitserleichterungen
Das Eckpunktepapier zum schwarz-roten Integrationsgesetz setzt auf negative Anreize: Wer nicht spurt, der fliegt oder wird mit Leistungsentzug bestraft. Jetzt wird es ernst: SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich am Donnerstag sicher, dass »dieses Gesetz in ein paar Jahren rückwirkend als ein Meilenstein für ein Einwanderungsgesetz gelten wird«. Auch die Kanzlerin betonte, es sei ein qualitativer Fortschritt, erstmals in der deutschen Geschichte den Entwurf eines Integrationsgesetzes vorzulegen. In einer siebenstündigen Sitzung hatten sich die Spitzen der Großen Koalition zuvor auf ein Eckpunktepapier für ein solches Gesetz verständigt. Angela Merkel unterstrich später, worum es im Kern geht: »Wir werden eine Reihe von Maßnahmen treffen, die deutlich machen, dass es eine Pflicht zur Integration gibt.«
Tatsächlich enthält das Papier »Maßnahmen«, die ehrlicher wohl als Sanktionsandrohungen bezeichnet werden müssten: Vor allem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) setzte dabei seine Duftmarke und konnte sein umstrittenes Vorhaben durchbringen, anerkannten Flüchtlingen ein dauerhaftes Bleiberecht zu verwehren, wenn sie nicht hinreichende Anstrengungen zur Integration nachweisen. Außerdem soll regelwidriges Verhalten mit Leistungskürzungen bestraft werden. Asylbewerber dürfen zudem ihren Wohnsitz nicht frei wählen . Die geplanten Wohnsitzauflagen stießen bei der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl auf heftige Kritik. »Jobs findet man aus der Nähe, durch Netzwerke und direkte Kontakte«, erklärte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt am Donnerstag. Die Wohnsitzauflage werde zu »sozialer Abhängigkeit« führen. Ohnehin laufe das Vorhaben der Koalition auf ein »Desintegrationsgesetz« hinaus, so Burkhardt. »Es gibt ein Angebotsdefizit der Bundesregierung, nicht einen Integrationsunwillen der Flüchtlinge.« Angela Merkel (CDU)
Kritik kam auch von Herbert Brücker, dem Experten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). In einem ARD-Interview verwies Brückner darauf, dass es bereits jetzt Sanktionen gebe, »wenn jemand nicht an Integrationskursen teilnimmt oder dort unentschuldigt fehlt«. Brückner plädierte für mehr Fördern statt Fordern: »Wir brauchen Maßnahmen, die Flüchtlinge schrittweise in den Arbeitsmarkt hineinführen. Nur so kann Integration gelingen.«
Neben repressiven Maßnahmen sieht das Papier auch Arbeitserleichterungen für Flüchtlinge vor. So sollen sie bereits nach drei Monaten als Leiharbeiter eingesetzt werden können. Bisher galt eine Frist von 15 Monaten. Dementsprechend erfreut zeigte sich die Zeitarbeitslobby: Mit der Öffnung habe »die Politik ein Signal gesetzt und die Forderung« seines Verbandes erfüllt, begrüßte Werner Stolz, Hauptgeschäftsführer des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), die Entscheidung.
Das Papier enthält auch die Vereinbarung, 100 000 zusätzliche Jobs aus Bundesmitteln zu schaffen. In bewusster Anlehnung an die umstrittenen Ein-Euro-Jobs. Ferner soll es Erleichterungen bei der Ausbildungsförderung geben und eine Bleibegarantie für Auszubildende. Im Umkehrschluss sollen aber Geduldete, die ihre Lehre abbrechen, ausgewiesen werden. So »motiviert« man Lehrlinge, jede Schikane zu ertragen. Die Koalitionsspitzen vereinbarten auch eine dreijährige Aussetzung der Vorrangprüfung in Regionen mit unterdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit. Derzeit muss vor der Einstellung eines Flüchtlings geprüft werden, ob auch ein Bewerber aus Deutschland oder der EU infrage käme.
Die Eckpunkte des Integrationsgesetzes sollen am 22. April 2016 im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz diskutiert werden. Die Bundesregierung beabsichtigt dann, den Gesetzentwurf auf ihrer Klausurtagung am 24. Mai 2016 in Meseberg zu beschließen.
»Wir werden eine Reihe von Maßnahmen treffen, die deutlich machen, dass es eine Pflicht zur Integration gibt.«