Vom Drogeriekönig zum Angeklagten
Anton Schlecker droht eine Gefängnisstrafe
Das Aus der Drogeriemarktkette Schlecker war eine der spektakulärsten Pleiten der deutschen Handelsgeschichte. Gut vier Jahre nach der Insolvenz beginnt nun das strafrechtliche Nachspiel. Die Fragen nach dem Geld waren Meike Schlecker genauso unangenehm wie das Blitzlichtgewitter. »Es ist nichts mehr da«, sagte die Tochter des einstigen Drogeriekönigs Anton Schlecker 2012. Die Firma war pleite, das Lebenswerk ihres Vaters zerstört. Ihre Familie habe kein Geld beiseitegeschafft, so die Tochter: »Das Vermögen meines Vaters war stets das Unternehmen.«
Das Unternehmen ist Geschichte. Zehntausende verloren ihre Jobs. Nun klagt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft nach jahrelangen Ermittlungen die Familie an. Es geht um teure Geschenke, um illegale Ausschüttungen, Überweisungen für nie geleistete Beratungen, es geht um Geld, das der 71 Jahre alte Firmenpatriarch an Frau und Kinder übertragen haben soll, um es vor den Gläubigern zu retten. »Insgesamt ein zweistelliger Millionenbetrag«, sagt Staatsanwalt Jan Holzner.
Die Schlecker-Story ist dramatisch: Der Metzgermeister aus Ulm expandierte endlos in Europa, bis er sein Imperium gegen die Wand fuhr. Ende Juni 2012 klingelten die Kassen ein letztes Mal. Das Inventar wurde verscherbelt, der Firmengründer avancierte zum Inbegriff des Raubtierkapitalisten. Schlecker galt immer als geizig, er zahlte Billiglöhne, ließ Kassiererinnen allein eine ganze Filiale betreuen. Gleich nach der Pleite wurden Vorwürfe gegen ihn laut. Er soll vor der In- solvenz sein Privathaus an seine Frau und ein Grundstück an seinen Sohn übertragen haben. Ein Jahr nach der Pleite zahlte die Familie dem Insolvenzverwalter 10,1 Millionen Euro.
2006 rühmte sich Schlecker noch »Alleininhaber des größten Drogeriemarktunternehmens der Welt« zu sein. Das »Manager Magazin« listete das öffentlichkeitsscheue Familienoberhaupt als Milliardär. Nun könnte er ins Gefängnis kommen. Auf Bankrott in besonders schweren Fällen stehen bis zu zehn Jahre Haft. Vor einem Prozess muss aber das Landgericht Stuttgart die Anklage prüfen und zulassen.
Achim Neumann hat die Anklage sehnlichst erwartet. »Ich hoffe, und ich denke mit mir auch 27 000 Beschäftigte, dass die Familie jetzt endlich zur Verantwortung gezogen wird.« Er betreute den Konzern für die Gewerkschaft ver.di. Die Anklage sei eine Form der Genugtuung für die Beschäftigten.
»Eine Anklage wegen Bankrotts gehört in den höheren Etagen der deutschen Wirtschaft zur großen Ausnahme«, sagt der Frankfurter Juraprofessor Matthias Jahn. Anton Schlecker regierte sein Reich als eingetragener Kaufmann. Deshalb konnte er Geheimniskrämerei betreiben. Das fiel ihm auf die Füße: Schlecker haftet mit seinem Privatvermögen für alle Schulden.
Jahn hält im Falle eines Verfahrens eine Gefängnisstrafe für nicht unwahrscheinlich, vor allem wegen der wirtschaftlichen Dimension des Falls. Die sei deutlich größer als bei üblichen Bankrottverfahren.
Wie viel Geld war noch da? Und wo floss es hin? Möglich, dass Meike Schlecker bald wieder über das Familienvermögen sprechen muss – dann aber vor dem Richter.