Medialer Taschenspielertrick
Gewerkschafter sagten, sie hätten ver.di-Chef Frank Bsirske selten so sauer vor die Presse treten sehen wie am Dienstag. Was war geschehen?
Es läuft die Tarifrunde 2016 für rund 2,1 Millionen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in Bund und Kommunen. Zum zweiten Mal waren Anfang der Woche die Gewerkschaften mit dem Präsidenten der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) , Thomas Böhle, und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zusammengetroffen, um über Lohnsteigerungen, eine neue Entgeltordnung und die betriebliche Altersvorsorge, die Zusatzversorgung, zu sprechen. Die Gewerkschaften fordern unter anderem sechs Prozent mehr Entgelt bei zwölf Monaten Laufzeit und vor allem: Hände weg von den Leistungen der Zusatzversorgung.
Das Angebot der Arbeitgeberseite wurde erwartet, und kam am Dienstagnachmittag: De Maizière und Böhle traten alleine vor die Presse, was für Verwunderung sorgte. Ein halbes Dutzend Mikrofone waren in Reihe aufgebaut, in der Vergangenheit wurden derlei Statements meist gemeinsam von Arbeitgeberseite und Gewerkschaften abgegeben – auch bei Meinungsverschiedenheiten, die dann vor den MedienvertreterInnen auch benannt wurden.
Drei Prozent auf zwei Jahre, so lautet das Angebot. Dazu soll das Ergebnis aus der letzten Ländertarifrunde für die Zusatzversorgung übernommen werden: keine Leistungseinschnitte, sondern Beitragserhöhungen, die hauptsächlich von den Beschäftigten getragen werden. Eine »spürbare Reallohnsteigerung« sei insgesamt das Ergebnis. Kurz darauf kamen die Verhandlungsspitzen von ver.di, dem Deutschen Beamtenbund, der Erziehungsgewerkschaft GEW und der Gewerkschaft der Polizei, und die waren stinksauer.
Die Tarifkommissionen hatten das Angebot strikt abgelehnt, ver.di-Chef Bsirske sprach von Dreistigkeit, Demagogie und wollte das Angebot nicht Angebot nennen. Es torpediere überdies die bisherige Verhandlungsatmosphäre. Deutliche Worte.
Das BMI hatte dem Vernehmen nach schon in den Mittagsstunden bei mehreren Medien das ministeriale Pressestatement für 15.30 Uhr angekündigt – während die Verhandlungskommissionen noch zusammensaßen –, der Gewerkschaftsseite war dieser Fahrplan nicht bekannt. Also: Angebot auf den Tisch und ab vor die Presse, die Gewerkschaften hatten kaum Zeit, sich in ihren Tarifkommissionen, geschweige denn untereinander, zu besprechen.
Letztlich war die Aktion aus dem BMI reine Pressestrategie. Wenn das ach so großzügige Drei-Prozent-Angebot erst einmal in der Welt ist, wird es so weiterverbreitet, es gibt kaum eine Chance, das wieder einzuholen, geschweige denn etwas dagegen zu tun, denn es nahen die Redaktionsschlüsse und die Abendsendungen.
Blickt man dann auch noch genau auf das, was VKA und Bund anbieten, mit dem Hinweis, nun seien ja keine Warnstreiks mehr nötig, kann diese Praxis nur noch unfair und unkooperativ genannt werden. Denn aufs Jahr gerechnet sprechen wir von 0,6 Prozent mehr in 2016 und 1,2 Prozent in 2017. Dazu kommen die Beitragssteigerungen in der Zusatzversorgung. Wirtschaftsinstitute haben am Donnerstag die Inflationsrate für 2016 bei 0,5 Prozent und im nächsten Jahr bei 1,5 Prozent prognostiziert. Letztlich bedeutet das Arbeitgeberangebot nach Gewerk- schaftsmeinung einen Reallohnverlust – bei sprudelnden Steuereinnahmen. Was würden Sie als Beschäftigte darüber denken?
Und dieser Reallohnverlust wurde mit einem medialen Taschenspielertrick und unter Darstellung verkürzter Informationen verbreitet. So kommt der Eindruck auf, es geht VKA und Bund entgegen aller Beteuerungen in keiner Weise darum, den Beschäftigten Wertschätzung entgegenzubringen. Welche Möglichkeiten haben sie, sich gegen dieses schlechte Benehmen zur Wehr zu setzen?
Ein Arbeitskampf wird auch immer über die veröffentlichte Meinung geführt, es geht immer auch darum, wer medial Oberwasser hat, wessen Meinung als die legitime wahrgenommen wird. VKA und BMI haben vorgelegt. Nächste Woche folgt die hoffentlich laut vorgetragene Antwort der Belegschaften in den Betrieben und Dienststellen.