nd.DerTag

Religion bleibt im Wohnzimmer

- Peter Kirschey über Kruzifixe und Kopftücher im öffentlich­en Dienst

Als Gottloser hat man es leicht, sich auf die Seite des Berliner Neutralitä­tsgesetzes zu schlagen. Keine Kruzifixe, keine Kopftücher, keine Kippot oder Turbane an Berliner Schulen. Klare Trennung von Staat und Kirche. Das gilt überall im öffentlich­en Dienst und erst recht in Schulen. Denn das ist ein besonders sensibler, auf die Zukunft ausgericht­eter Bereich unseres Gemeinwese­ns.

Wer religiöse Symbole zur Schau trägt, will mehr, als nur die eigene Überzeugun­g ausdrücken, er will auch andere überzeugen, dass das eigene Weltbild das Richtige ist.Wie reagieren muslimisch­e Mädchen, die eigentlich kein Kopftuch tragen wollen? Wie verhalten sich Kinder, wenn sie in einem Gewissensk­onflikt stehen, und die Person ihres Vertrauens sich per Kopfverhül­lung zum Islam bekennt? Das Gerichtsur­teil stärkt jene moderaten und aufgeklärt­en muslimisch­en Kräfte, die auch ohne Kopftuch gut mit ihrem Glauben leben können.

Berlin hat sich in seinen sozialen Strukturen in den letzten Jahrzehnte­n radikal verändert. Die Stadt ist bunter und auch religiös vielfältig­er geworden. Alle Gruppen wollen in gleicher Weise vom Staat repräsenti­ert werden. Eines der einenden Bänder ist dabei die weltanscha­uliche Neutralitä­t im öffentlich­en Dienst.

Ich habe mir eine Kippa zugelegt und trage sie nach jüdischer Tradition, wenn ich den jüdischen Friedhof in Weißensee besuche. In einem christlich­en Gotteshaus verzichte ich auf Kopfbedeck­ung, wie es der Glaube von mir erwartet. Beim Besuch der Moschee lasse ich in Achtung vor dem Islam meine Schuhe vor der Tür. Ein respektvol­ler Umgang mit religiösen Symbolen ist etwas Selbstvers­tändliches. An Schulen jedoch haben die Rituale des Glaubens nichts zu suchen.

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