CDU und FDP blockieren Muslimvertrag
Niedersachsens Union will Pflicht zur Bekämpfung des islamistischen Extremismus
Seit 2013 schmort in Niedersachsen der Entwurf eines Vertrages zwischen dem Land und muslimischen Verbänden. Schon 2005 hatte ihn der ehemalige Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) angeregt. Doch seine Parteifreunde in Hannover haben gleich mehrere Hemmschuhe parat, mit denen sie die Vereinbarung verzögern. So verlangten sie jetzt im Landtag, dass die Vertragspartner zur Mithilfe bei der »Bekämpfung islamistischer Umtriebe« verpflichtet werden. Keineswegs unterstelle die Union den Verbänden, diese seien radikal, aber: »Sie wissen mehr als wir«, meint Fraktionschef Björn Thümler.
Eine »Regelung zur Islamismusprävention« wünsche sich auch die FDP-Fraktion, war von ihrem Vorsitzenden Stefan Birkner zu hören, worauf ihm die Chefin der Landtagsgrünen, Anja Piel, zurief: Die Vertreter der Verbände seien weder kriminell noch Fundamentalisten, sondern »Frauen und Männer, die sich in einem demokratischen und pluralistischen Land das Recht nehmen, ihrer Religion nachzugehen«.
Schon seit Jahren gebe es bei der Abwehr des islamistischen Extremismus eine gute Zusammenarbeit mit den muslimischen Verbänden, gab die SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder zu bedenken. Das müsse nicht besonders festgeschrieben werden, zumal sich die Muslime im angestrebten Vertrag zum deutschen Grundgesetz bekennen. Wer das tut, der stelle sich auch gegen jede Form des terroristischen Extremismus, so die Politikerin.
Auf der schwarz-gelben Mängelliste steht des Weiteren das Fehlen der »negative Religionsfreiheit«. Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich das Recht, eine Religionsgemeinschaft problemlos zu verlassen, so wie beim Kirchenaustritt. Doch etwas Vergleichbares gebe es aus theologischen Gründen gar nicht im Islam, sagte Johanne Modder.
Sie bezweifele inzwischen, dass die CDU zu sachlicher Debatte über den Vertrag bereit ist. Ihr Verhalten und auch das Suchen der FDP nach Einwänden ärgert die rotgrüne Regierungskoalition. Sie möchte, dass das Werk mit breiter Mehrheit im Landtag verabschiedet wird und signalisiert: Muslime und Aleviten gehören zu Niedersachsen.
Niedersachsen wäre, wenn das Parlament eines Tages dem Entwurf zugestimmt hat, nach Hamburg und Bremen das dritte Bundesland mit einem solchen Vertrag. Rot-Grün lobt ihn als »Zeichen des Respekts und der Akzeptanz«. Konkret erfahrbar werden soll das etwa in dem Recht, Moscheen zu bauen. Jenen Gemeinden, die das planen, legt die Vereinbarung auf, »Akzeptanz fördernde Maßnahmen durchzuführen«. Das Land wolle die Muslime dabei unterstützen.
Das Recht auf Bestattungen nach islamischem Ritus, die Betreuung islamischer und alevitischer Häftlinge in den JVAs durch Geistliche ihres Glaubens und die Möglichkeit für Schüler, sich zur Teilnahme an religiösen Veranstaltungen vom Unterricht befreien zu lassen sind weitere Beispiele aus dem Vertragswerk. Manches in ihm hat, wie es im Politsprech heißt, »deklaratorischen Charakter«, im Klartext: Die entsprechenden Regelungen geben nur die bereits geltende Rechtslage wieder. So etwa das Bekenntnis zur Gleichberechtigung von Mann und Frau und auch die Erlaubnis für Schülerinnen und Schüler, außerhalb der Unterrichtszeit in den Schulen zu beten. Diese sind nicht dazu verpflichtet, aber sie können besondere Räume zum Gebet einrichten – nicht nur für Muslime.