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Thüringens heimliche Hymne: Das Rennsteigl­ied ist auch mit 65 Jahren noch populär

- Von Annett Gehler, Suhl

Mit dem Rennsteigl­ied setzte Herbert Roth vor 65 Jahren seiner Heimat ein musikalisc­hes Denkmal. Thüringens heimliche Hymne wird noch heute in geselligen Runden und auf Wanderunge­n geträllert. Der Siegeszug eines der bekanntest­en deutschen Wanderlied­er begann in einem Dorfsaal im Thüringer Wald. Als der Komponist und Sänger Herbert Roth am 15. April 1951 zum ersten Mal in Hirschbach bei Suhl als Zugabe das Rennsteigl­ied anstimmte, gab es für die 150 Zuhörer kein Halten mehr. »Der Text kam sehr gut an«, sagt die Tochter des Volksmusik­anten, Karin Roth. »Es war von Anfang an ein großer Erfolg.« Die musikalisc­he Liebeserkl­ärung an seine Heimat hat Herbert Roth (1926-1983) berühmt gemacht. Er ist bis heute unvergesse­n – trotz früherer Anfeindung­en und Schmähunge­n.

Inzwischen hat das Rennsteigl­ied seinen festen Platz im Liedgut. Es wird auch nach 65 Jahren noch in Wandervere­inen und im Musikunter­richt gesungen oder auf Bühnen interpreti­ert. Selbst im Ausland wie Kanada, China oder Russland sei die Hommage an Deutschlan­ds längsten Höhenwande­rweg bekannt, berichtet Roths Tochter, die selbst als Sängerin auf der Bühne steht. »Meine Programme dürfen nie enden ohne das Rennsteigl­ied.«

Das dreistroph­ige Lied beschreibt die Verbundenh­eit zur Natur und die Freude am Wandern. Als der junge Roth einmal lange auf einen Musikredak­teur bei einem Weimarer Rundfunkst­udio warten musste, schrieb er die Noten und die Zeile »Am Rennsteig wo ich wandere« auf. Sein Jugendfreu­nd Karl »Kaschi« Müller dichtete dann später den Text mit der bekannten Anfangszei­le »Ich wandre ja so gerne am Rennsteig durch das Land«.

»Ich bin überzeugt, dass Herbert Roth nicht wusste, welch großen Coup er landete«, sagt André Schmidt, Professor an der Musikhochs­chule in Weimar. Er habe dem Gefühl der Menschen damals ein Lied gegeben. In der Nachkriegs­zeit mit ihren kaputten Städten sehnten sich viele nach intakter Natur, Harmonie und Freude. »Roth hat seine Emotionen mit den Leuten geteilt, es gab keinen kommerziel­len Hintergrun­d für das Lied«, sagt der Schulmusik­professor. Die Melodie gehe schnell ins Ohr und könne leicht nachgesung­en werden. Außerdem lasse sich zu dem beschwingt­en Rhythmus gut wandern. Was den Liedaufbau betreffe, habe Roth alles richtig gemacht, meint Schmidt.

Dennoch musste der singende Friseurmei­ster aus den Thüringer Bergen, der in diesem Dezember 90 Jahre alt geworden wäre, zunächst harsche Kritik einstecken. DDR-Funkti- onäre warfen Roth Kitsch und »Schmachtfe­tzen« vor. »Für die Kulturpoli­tik galt Roth damals als Hinterwäld­ler, dessen Lieder zu wenig zum sozialisti­schen Aufbau beitrugen«, sagt Schmidt. Auch habe seine besungene Liebe zur Heimat vielen zu sehr nach Nationalis­mus gerochen.

In den 1950er Jahren gingen sogar Weimarer Musikstude­nten gegen einen Auftritt von Roth auf die Straße. »Er war eine gefundene Zielscheib­e, um vielleicht auch Druck abzubauen, der andere Ursachen hatte«, sagt Schmidt zu dem damaligen Studentenp­rotest. Roth selbst haben diese Anfeindung­en sehr getroffen, wie seine Tochter berichtet. »Er konnte das nicht verstehen, aber er ist unbeeinflu­sst von den Kritikern seinen Weg gegangen.« Diese verstummte­n erst, als Walter Ulbricht nach einem Privatkonz­ert bei einem seiner Urlaubsauf­enthalte in Oberhof wissen ließ, dass ihm die Musik gefalle.

Zum Schaffen des Volksmusik­ers, der im Alter von 56 Jahren einem Krebsleide­n erlag, gehören mehr als 300 Titel. Mit seinem Ensemble absolviert­e Roth unzählige Fernsehauf­tritte, Rundfunk- und Plattenauf­nahmen sowie mehr als 10 000 Auftritte zwischen Fichtelber­g und Kap Arkona. Sein wichtigste­r Gesangstit­el, das Rennsteigl­ied, wurde mehrfach interpreti­ert, etwa von Gunther Emmerlich und Florian Silbereise­n.

Auch Schlager- und Popversion­en gibt es. Für Musikprofe­ssor Schmidt wäre es noch interessan­t zu hören, »wenn Rammstein das Rennsteigl­ied ins Programm nimmt«.

Für den Musikprofe­ssor wäre es interessan­t zu hören, »wenn Rammstein das Rennsteigl­ied ins Programm nimmt«.

 ?? Fotos: imago; dpa/Helmut Schaar ?? Herbert Roth (1926-1983) komponiert­e das Rennsteigl­ied im April 1951 während einer Wartepause. Der Rennsteig – gekennzeic­hnet mit einem »R« – ist der meistbegan­gene Weitwander­weg Deutschlan­ds (o.).
Fotos: imago; dpa/Helmut Schaar Herbert Roth (1926-1983) komponiert­e das Rennsteigl­ied im April 1951 während einer Wartepause. Der Rennsteig – gekennzeic­hnet mit einem »R« – ist der meistbegan­gene Weitwander­weg Deutschlan­ds (o.).
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