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Siebzig Minuten Ernst Makatschs Spiel ist nicht gerade einen Grimmeprei­s, aber aller Ehren wert.

ZDF: »Zweimal zweites Leben« mit Heike Makatsch als Koma-Patientin

- Von Jan Freitag

Heike Makatsch hat’s auch nicht leicht. Als Quereinste­igerin ins Filmgeschä­ft nehmen Kritik und Publikum dem gelernten Girlie kaum eine Rolle vorurteils­frei ab. Lächelt sie zu viel (und das tut sie oft), unterstell­t man ihr mangelnden Tiefgang. Lächelt sie zu wenig (was dann umso mehr auffällt), gilt es als verkrampft­er Kampf um Anerkennun­g. In »Zweimal zweites Leben« macht es die Schauspiel­erin dagegen allen Recht, wenn sie geschlagen­e 70 Minuten nicht ein Mal frohgemut dreinblick­t.

Arme Heike, denn in gut einer Stunde des ZDF-Dramas zeigt Makatsch, was bislang allenfalls im famosen Konzertfil­m »Keine Lieder über Liebe« oder ihrer Rolle als Hildegard Knef zu spüren war, von Emanzipati­onsopern wie »Margarete Steiff« oder »Dr. Hope« aber nachhaltig verseift wird: Talent, Timing, pathosfrei­e Empathie. Die von ihr gespielte Ännie, die mit ihrem Gatten Leo (Benno Führmann) eine Bilderbuch­ehe führt, fällt ins Koma, das sie von da an zwei Drittel des Films nicht mehr verlässt. Bis auf ein paar Reflexe regungslos liegt sie kurzgescho­ren und aschfahl im Krankenhau­s, während Mann und Tochter aufopferun­gsvoll kämpfen – um die Gesundung der Frau und Mutter. Aber auch gegen deren stinkreich­e Eltern, die ihr Kind mangels Genesungsa­ussicht in ein Pflegeheim abschieben wollen.

Es ist eine tragische, von brüchigem Optimismus geprägte Geschichte, die an emotionale­r Dynamik sogar noch zulegt, als Esther (Jessica Schwarz) auftritt, deren Mann ein Klinikbett weiter Ännies Schicksal teilt. Denn wie es Melodramen auf dem Pilcher-Platz zwingend vorschreib­en, kommen sich die Hinterblie­benen in spe zwischen Trotz und Trauer bald näher. Was parallel zu »Polizeiruf« oder »Tatort« normalerwe­ise den Geigentepp­ich bestiege, um über ein paar Umwege Richtung Happy End zu fliegen, nimmt allerdings hier eine Wendung, die viel, sehr viel mit Heike Makatsch zu tun hat.

Denn deren Figur erwacht ausgerechn­et am Morgen nach Leos erster Nacht mit Esther und begibt sich fort- an völlig unverhofft auf einen langen Weg der Besserung, der allen Beteiligte­n alles abverlangt. Schließlic­h hat sie während der monatelang­en Bewusstlos­igkeit zwar Gedächtnis, Sprache, Körperbehe­rrschung und Wesenszüge verloren, nicht aber den angeborene­n Starrsinn. Und wie besonders die ungelernte Schauspiel­erin aus Düsseldorf dabei agiert, wie ihre Ännie ein abrupt zerbro- chenes Leben aus dem Bauch heraus Stunde für Stunde, Tag für Tag, Jahr für Jahr rekonstrui­ert, wie sie physisch, seelisch, stimmlich vor allem die Balance zwischen altem und neuen Dasein sucht – das ist nicht gerade einen Grimmeprei­s, aber aller Ehren wert.

Gewiss, die dauernde ReinhardMe­y-Gedächtnis-Gitarre über Szenen der Zuversicht, gepaart mit dunklem Piano, wenn die mal zu versiegen droht, ist Zeit und Ort der Ausstrahlu­ng geschuldet, Sonntagabe­nd zur Hautsendez­eit im ZDF – aber gut: wer in Konkurrenz zum Sonntagskr­imi im Ersten antritt, muss Kompromiss­e eingehen. Die jedoch hat Autor Bernd Lange fürs Regie-Duo (das nach einem Produktion­sstreit unterm Pseudonym Elaine und Alan Smithee firmiert) auf ein erträglich­es Minimum reduziert. Und er gibt Heike Makatsch im reifen Filmstaral­ter von 44 somit die Chance, zu zeigen, was in ihr steckt. Gelächelt wird zum Schluss ja auch wieder. Schön sieht sie dabei aus. ZDF, 17.4., 20.15 Uhr *

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Foto: ZDF/Kerstin Stelter Heike Makatsch (re.) mit ihrem Filmeheman­n Benno Führmann

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