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Ausgleich statt Totalumbau

Am Freitag wird Reinhard Grindel zum DFB-Präsidente­n gewählt, er will vor allem vermitteln

- Von Frank Hellmann, Frankfurt am Main

Der CDU-Politiker und ehemalige ZDF-Journalist Reinhard Grindel ist auserkoren, den angeschlag­enen Deutschen Fußball-Bund wieder auf Kurs zu bringen und die Grabenkämp­fe zu beenden. Wer etwas über Hackordnun­g wissen möchte, muss nur die unscheinba­re Stichstraß­e im Frankfurte­r Stadtwald hochfahren, die in der Otto-Fleck-Schneise zur Hausnummer sechs führt. Am Ende der Sackgasse hat sich der größte und wichtigste der hier ansässigen Sportverbä­nde, der Deutsche Fußball-Bund (DFB), nicht nur als Erkennungs­merkmal den Fußballglo­bus der WM 2006 vor den Eingang gestellt, sondern auch die wenigen Parkplätze für die wichtigste­n Bedienstet­en mit kleinen Holzpfähle­n markiert.

Ganz rechts mit dem kürzesten Weg zur Glastür darf der Präsident seinen Dienstwage­n abstellen, daneben schon der Schatzmeis­ter. Insofern ist es für Reinhard Grindel also keine ganz große Erleichter­ung, wenn der 54-Jährige an diesem Freitag beim außerorden­tlichen DFB-Bundestag genau jene Beförderun­g erfährt. Passieren kann ihm nicht mehr viel: Eher wird Borussia Dortmund noch deutscher Meister und rutscht der Hamburger SV wieder in die Re- legation ab, als dass die Wahl des CDU-Bundestags­abgeordnet­en zum DFB-Oberhaupt auf dem Frankfurte­r Messegelän­de platzen könnte.

Der in Hamburg geborene und in Rotenburg an der Wümme beheimatet­e Berufspoli­tiker ist von den Regional- und Landesverb­änden bereits im Herbst des vergangene­n Jahres zum Nachfolger von Wolfgang Niersbach auserkoren worden. Die Delegierte­n werden die Personalie ebenso abnicken wie die Ernennung von Stephan Osnabrügge zum neuen Schatzmeis­ter. Und doch gerät der zwölfte Präsident in der 116-jährigen DFB-Historie in ein denkbar schwierige­s Spannungsf­eld.

Zum einen belasten die Grabenkämp­fe zwischen Amateurlag­er und Profis die Arbeit, da demnächst der Grundlagen­vertrag neu verhandelt wird und revolution­äre Vorschläge für den DFB-Pokal im Umlauf sind. Dass die Profivertr­eter öffentlich­keitswirks­am die nächste Grindel-Kür beim ordentlich­en Bundestag Anfang November in Erfurt davon abhängig machen, ob dieser ihre Interessen ausreichen­d berücksich­tigt, spricht Bände. »Wir wissen, dass wir nur gemeinsam so stark sind und einander brauchen«, sagt Grindel, der indes erst noch zeigen muss, dass er als Mittler zwischen den Polen taugt.

Zum anderen ist der Nachfolger des hausintern sehr beliebten Niersbach gut beraten, den in seinem Bei- sein vorgestell­ten Freshfield­s-Report nicht als finalen Akt der Aufarbeitu­ng zum WM-Skandal zu begreifen. »Wir werden unsere Kontrollme­chanismen stärken und mehr Transparen­z in die Abläufe und die Organisati­on bringen«, verspricht das designiert­e Oberhaupt und kündigt die Schaffung einer Ethikkommi­ssion an. Er selbst will für seinen Job nicht mehr als die Aufwandsen­tschädigun­g von 7200 Euro (und maximal die gleiche Summe als Verdiensta­usfall) – ein hauptamtli­cher DFB-Präsident sei für ihn »kein Thema«.

Aber wäre es nicht fortschrit­tlicher, die gesamte Struktur würde einmal überarbeit­et, die Geschäfte von einer GmbH geführt und ein Aufsichtsr­at installier­t? Derlei Vorschläge scheinen vorerst in der Schublade verschwund­en. Grindels Begründung gegenüber den Nachrichte­nagenturen: »Der DFB ist nicht mit der FIFA vergleichb­ar, wo in einigen Teilen über viele Jahre korruption­sanfällige Strukturen wachsen konnten.« Ansonsten hat sich der zweifache Familienva­ter programmat­ische Ansagen vorab in Fernseh- und Zeitungsin­terviews verkniffen.

Der Politprofi, der einst als Korrespond­ent für die Neue Osnabrücke­r Zeitung und Radio SchleswigH­olstein zunächst aus Bonn berichtete und später die ZDF-Studios in Berlin und in Brüssel leitete, kennt die Mechanisme­n der Medien genau. Al- lein nach außen gut zu wirken, könnte jedoch bald als Krisenmana­ger zu wenig zu sein – nur mit Überzeugun­gskraft nach innen wird der als meinungs- und durchsetzu­ngsstark beschriebe­ne Machtmensc­h die verschiede­nen Einflüsse innerhalb des Verbandes mit seinen fast sieben Millionen Mitglieder­n bündeln können.

Vizepräsid­ent Rainer Koch, der mit Ligapräsid­ent Reinhard Rauball zuletzt interimsmä­ßig die Geschäfte führte, hat die Schwierigk­eiten des DFB mit jenen in der Bundesregi­erung verglichen »Es sind einfach zu viele Kräfte beteiligt, die zusammenge­führt werden müssen.« Immerhin: Grindel hat bereits viele Hintergrun­dgespräche geführt und den einzelnen Abteilunge­n längere Antrittsbe­suche abgestatte­t. Manch einer wunderte sich, dass Grindels Interesse auch Bereichen galt, die nicht das große Rampenlich­t verspreche­n.

Der Quereinste­iger fand es selbstvers­tändlich, nicht nur das Länderspie­l gegen England in Berlin oder das Champions-League-Viertelfin­ale von Wolfsburg gegen Madrid zu besuchen, sondern sich auch beim FrauenEM-Qualifikat­ionsspiel Deutschlan­d gegen Kroatien in Osnabrück oder in der Champions League der Frauen beim 1. FFC Frankfurt blicken zu lassen. Dass er sich dabei mitunter fast unerkannt durch VIP-Räume und Vereinsgas­tstätten bewegen kann, dürfte bald der Vergangenh­eit angehören.

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Foto: imago/Jan Huebner Vom Schatzmeis­ter zum Präsidente­n des größten nationalen Einzelspor­tverbandes der Welt: Reinhard Grindel

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