Ausgleich statt Totalumbau
Am Freitag wird Reinhard Grindel zum DFB-Präsidenten gewählt, er will vor allem vermitteln
Der CDU-Politiker und ehemalige ZDF-Journalist Reinhard Grindel ist auserkoren, den angeschlagenen Deutschen Fußball-Bund wieder auf Kurs zu bringen und die Grabenkämpfe zu beenden. Wer etwas über Hackordnung wissen möchte, muss nur die unscheinbare Stichstraße im Frankfurter Stadtwald hochfahren, die in der Otto-Fleck-Schneise zur Hausnummer sechs führt. Am Ende der Sackgasse hat sich der größte und wichtigste der hier ansässigen Sportverbände, der Deutsche Fußball-Bund (DFB), nicht nur als Erkennungsmerkmal den Fußballglobus der WM 2006 vor den Eingang gestellt, sondern auch die wenigen Parkplätze für die wichtigsten Bediensteten mit kleinen Holzpfählen markiert.
Ganz rechts mit dem kürzesten Weg zur Glastür darf der Präsident seinen Dienstwagen abstellen, daneben schon der Schatzmeister. Insofern ist es für Reinhard Grindel also keine ganz große Erleichterung, wenn der 54-Jährige an diesem Freitag beim außerordentlichen DFB-Bundestag genau jene Beförderung erfährt. Passieren kann ihm nicht mehr viel: Eher wird Borussia Dortmund noch deutscher Meister und rutscht der Hamburger SV wieder in die Re- legation ab, als dass die Wahl des CDU-Bundestagsabgeordneten zum DFB-Oberhaupt auf dem Frankfurter Messegelände platzen könnte.
Der in Hamburg geborene und in Rotenburg an der Wümme beheimatete Berufspolitiker ist von den Regional- und Landesverbänden bereits im Herbst des vergangenen Jahres zum Nachfolger von Wolfgang Niersbach auserkoren worden. Die Delegierten werden die Personalie ebenso abnicken wie die Ernennung von Stephan Osnabrügge zum neuen Schatzmeister. Und doch gerät der zwölfte Präsident in der 116-jährigen DFB-Historie in ein denkbar schwieriges Spannungsfeld.
Zum einen belasten die Grabenkämpfe zwischen Amateurlager und Profis die Arbeit, da demnächst der Grundlagenvertrag neu verhandelt wird und revolutionäre Vorschläge für den DFB-Pokal im Umlauf sind. Dass die Profivertreter öffentlichkeitswirksam die nächste Grindel-Kür beim ordentlichen Bundestag Anfang November in Erfurt davon abhängig machen, ob dieser ihre Interessen ausreichend berücksichtigt, spricht Bände. »Wir wissen, dass wir nur gemeinsam so stark sind und einander brauchen«, sagt Grindel, der indes erst noch zeigen muss, dass er als Mittler zwischen den Polen taugt.
Zum anderen ist der Nachfolger des hausintern sehr beliebten Niersbach gut beraten, den in seinem Bei- sein vorgestellten Freshfields-Report nicht als finalen Akt der Aufarbeitung zum WM-Skandal zu begreifen. »Wir werden unsere Kontrollmechanismen stärken und mehr Transparenz in die Abläufe und die Organisation bringen«, verspricht das designierte Oberhaupt und kündigt die Schaffung einer Ethikkommission an. Er selbst will für seinen Job nicht mehr als die Aufwandsentschädigung von 7200 Euro (und maximal die gleiche Summe als Verdienstausfall) – ein hauptamtlicher DFB-Präsident sei für ihn »kein Thema«.
Aber wäre es nicht fortschrittlicher, die gesamte Struktur würde einmal überarbeitet, die Geschäfte von einer GmbH geführt und ein Aufsichtsrat installiert? Derlei Vorschläge scheinen vorerst in der Schublade verschwunden. Grindels Begründung gegenüber den Nachrichtenagenturen: »Der DFB ist nicht mit der FIFA vergleichbar, wo in einigen Teilen über viele Jahre korruptionsanfällige Strukturen wachsen konnten.« Ansonsten hat sich der zweifache Familienvater programmatische Ansagen vorab in Fernseh- und Zeitungsinterviews verkniffen.
Der Politprofi, der einst als Korrespondent für die Neue Osnabrücker Zeitung und Radio SchleswigHolstein zunächst aus Bonn berichtete und später die ZDF-Studios in Berlin und in Brüssel leitete, kennt die Mechanismen der Medien genau. Al- lein nach außen gut zu wirken, könnte jedoch bald als Krisenmanager zu wenig zu sein – nur mit Überzeugungskraft nach innen wird der als meinungs- und durchsetzungsstark beschriebene Machtmensch die verschiedenen Einflüsse innerhalb des Verbandes mit seinen fast sieben Millionen Mitgliedern bündeln können.
Vizepräsident Rainer Koch, der mit Ligapräsident Reinhard Rauball zuletzt interimsmäßig die Geschäfte führte, hat die Schwierigkeiten des DFB mit jenen in der Bundesregierung verglichen »Es sind einfach zu viele Kräfte beteiligt, die zusammengeführt werden müssen.« Immerhin: Grindel hat bereits viele Hintergrundgespräche geführt und den einzelnen Abteilungen längere Antrittsbesuche abgestattet. Manch einer wunderte sich, dass Grindels Interesse auch Bereichen galt, die nicht das große Rampenlicht versprechen.
Der Quereinsteiger fand es selbstverständlich, nicht nur das Länderspiel gegen England in Berlin oder das Champions-League-Viertelfinale von Wolfsburg gegen Madrid zu besuchen, sondern sich auch beim FrauenEM-Qualifikationsspiel Deutschland gegen Kroatien in Osnabrück oder in der Champions League der Frauen beim 1. FFC Frankfurt blicken zu lassen. Dass er sich dabei mitunter fast unerkannt durch VIP-Räume und Vereinsgaststätten bewegen kann, dürfte bald der Vergangenheit angehören.