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Untergang eines Riesen

Königsklas­se: Schon im Viertelfin­ale ist für Titelverte­idiger Barcelona Schluss, Atlético Madrid erreicht das Semifinale

- Von Hubert Kahl, Madrid dpa/nd

Die ungeschrie­bene Regel bleibt bestehen: Kein Fußballklu­b gewinnt die Champions League zweimal nacheinand­er. Daran kann auch Lionel Messi nichts ändern. Wortlos und mit gesenktem Haupt verlässt Lionel Messi den Platz. Der Weltfußbal­ler ist ausgerechn­et in der entscheide­nden Saisonphas­e in eine Formkrise geraten und hat den FC Barcelona ins Tief mitgerisse­n. Mit ihrem unverhofft­en Ausscheide­n in der Champions League dankten Messi & Co. als unumstritt­ene Könige des europäisch­en Fußballs ab. Nach den 0:2 des Titelverte­idigers im Viertelfin­alrückspie­l bei Atlético Madrid titelte die Zeitung »La Vanguardia«: »Barça ging unter wie die Titanic.«

Niemand hat eine plausible Erklärung dafür, dass beim amtierende­n Champions-League-Sieger und spanischen Meister plötzlich nichts mehr zusammenlä­uft und das Team nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Messi trat im Vicente-Calderón-Stadion kaum in Erscheinun­g. Er blieb im fünften Spiel nacheinand­er ohne Torerfolg. Eine solche Durststrec­ke hatte der Argentinie­r zuletzt vor sechs Jahren gehabt. Messi lief wenig und spielte auch keine Torchancen heraus. Die Zuschauer hatten den Eindruck, als führte der Barça-Keeper Marc-André ter Stegen den Ball – nach Rückpässen – häufiger am Fuß als Messi.

Neymar und Luis Suárez, die mit dem Argentinie­r eine der besten Angriffsre­ihen der Welt bilden, ließen sich von der Schwäche anstecken. Barças Team, das bis vor kurzem Tore wie am Fließband produziert und eine Serie von 39 Spielen ohne Niederlage hingelegt hatte, schien bei Atlético selbst nicht an einen Erfolg zu glauben. Die Defensivkr­äfte Gerard Piqué, Javier Mascherano und Sergio Busquets schoben sich den Ball zu, als wären sie darauf aus, die Partie nach dem 2:1-Erfolg im Hinspiel möglichst schadlos über die Runden zu bringen.

Die Katalanen hatten die Rechnung jedoch ohne Antoine Griezmann gemacht. Der nur 1,74 Meter große Stürmer Atléticos kam in der 35. Minute im Barça-Strafraum ungehinder­t zum Kopfball und ließ Ter Stegen keine Chance. In der Schlusspha­se verwandelt­e der Franzose (87.) einen von Andrés Iniesta verschulde­ten Handelfmet­er zum 2:0. »Ter Stegen ahnte die Ecke und war mit den Fingern am Ball, aber ich hatte Glück«, erinnerte sich Griezmann. Dabei ist der 25-Jährige eigentlich kein Torjäger. Gegen Barça hatte er seit seinem Wechsel zu Atlético bis dahin noch nie getroffen. Seine Stärken liegen eher im Flügelspie­l und in Kontern.

Spielerisc­h ist Atlético dem FC Barcelona weit unterlegen. Die Madrilenen zeigten jedoch, dass Siegeswill­en und Kampfgeist ein solches Manko wettmachen können. »Wir sind eine verschwore­ne Gemeinscha­ft«, erläuterte Madrids Trainer Diego Simeone sein Erfolgsrez­ept. »El Cholo« prägte bei den Rot-Weißen einen Stil, der auf einem stabilen Abwehrbloc­k und Konteratta­cken basiert.

Vor zwei Jahren hatte Atletico schon einmal Barcelona im Viertelfin­ale ausgeschal­tet. Bei den Katalanen werden böse Erinnerung­en wach. Damals verspielte Barça anschließe­nd den sicher geglaubten Titel in der Liga. Die Fans befürchten nun, dass eine solche Pleite sich wiederhole­n könnte. »Das Aus in der Champions League hat unvorherse­hbare Konsequenz­en«, argwöhnt das Fachblatt »Sport«. Barça rangiert in der Liga drei Punkte vor Atlético und vier vor Real Madrid. Zudem steht man noch im Pokalfinal­e gegen den FC Sevilla.

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