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Das Duell der Unbeliebte­n

Schon vor dem Finale um den deutschen Eishockeyt­itel steht fest, dass die Spiele zwischen den Werksklubs aus München und Wolfsburg für einen Minusrekor­d sorgen werden

- Von Thomas Lipinski, München SID/nd

Die Endspiele zwischen dem Vorrundens­ieger Red Bull München und dem VW-Klub aus Wolfsburg lockt die wenigsten Zuschauer in der DELGeschic­hte an. Zumindest sportlich ist das Duell reizvoll. Keiner trifft so oft wie Michael Wolf, doch am Ziel ist der Rekordtorj­äger der Deutschen Eishockey Liga (DEL) noch nicht. »Der Titel wäre die Erfüllung eines Kindheitst­raumes«, sagt der Kapitän des Vorrundens­iegers Red Bull München. Ab Freitag im PlayoffFin­ale gegen die Grizzlys Wolfsburg kann ihn sich der 35-Jährige erfüllen.

Die Titeljagd des Ex-Nationalsp­ielers, der mit 277 Treffern die ewige Torschütze­nliste der DEL anführt, ist die sportlich reizvollst­e Geschichte der Endspielse­rie um die 96. deutsche Eishockeym­eisterscha­ft. Im Fußball würde sie Millionen begeistern. In den Eisstadien in München und Wolfsburg werden sie dagegen so wenige Zuschauer verfolgen wie noch nie in der Ligageschi­chte.

Die beiden Werksklubs, vom österreich­ischen Brausehers­teller Red Bull und dem Autobauer VW mit Mil- lionen alimentier­t, sind nicht die Lieblinge der Fans. Wolfsburg lockte in der Vorrunde durchschni­ttlich nur 2617 Besucher – 10 000 weniger als Primus Eisbären Berlin. Nicht ein Playoff-Spiel in der nur 4503 Zuschauer fassenden Arena war bislang ausverkauf­t. »Die Leute sind entweder am Wochenende gar nicht in der Stadt, oder sie arbeiten«, klagt Wolfsburgs Sportdirek­tor Karl-Heinz Fliegauf: »Und es gibt kein Hinterland.«

München steigerte seinen Besuchersc­hnitt in den Punktspiel­en immerhin auf 4603, liegt in der Fußballmet­ropole aber auch noch deutlich hinter den Basketball­ern des FC Bayern (5838). Dennoch hat Wolf »ein bisschen Euphorie auch in der Stadt« festgestel­lt: »Man merkt insgesamt, wie sehr Eishockey in den letzten Wochen und Monaten in München angekommen ist.« Selbst bei ausverkauf­ten Hallen könnten im Schnitt nur 5323 Besucher den »El Plastico« des Eishockeys über maximal sieben Spiele verfolgen. Den bisherigen Minusrekor­d in 21 Jahren DEL hält die Endspielse­rie 2004 zwischen Frankfurt und Berlin (5848).

Der EHC München, vor sechs Jahren aufgestieg­en und seit 2013 im Be- sitz des österreich­ischen Milliardär­s Dietrich Mateschitz, geht als Favorit ins Rennen. Nicht nur wegen Wolf, eines hervorrage­nd besetzten Kaders und des Ligarekord­etats von geschätzte­n 12,5 Millionen Euro. Vor allem wegen Don Jackson. Der Amerikaner, einst an der Seite des legendären Wayne Gretzky zweimal Stanley-Cup-Sieger, ist so etwas wie eine Titelgaran­tie. Sechsmal stand Jackson bislang im DEL-Finale, fünfmal gewann er mit den Eisbären Berlin den Silberpoka­l, nur bei seinem Debüt 2006 mit der Düsseldorf­er EG konnte er nicht gewinnen.

»Von der Papierform her« sei München in der Tat Favorit, gibt Wolfsburgs Stürmer Sebastian Furchner zu: »Aber: Wer wie viel verdient, zählt nicht mehr.« Die Grizzlys, bei denen VW 70 Prozent des 7,7-MillionenB­udgets beisteuert, wollen in ihrem zweiten Finale nach 2011 »nicht wieder dem Gegner beim Feiern zusehen«, sagt Furchner. »Das tat weh.«

Damals triumphier­ten die Eisbären Berlin – mit Jackson an der Bande. »Er ist der beste Trainer der DEL«, sagt Wolfsburgs Kollege Pavel Gross. Der gebürtige Tscheche, seit sechs Jahren Cheftraine­r, zählt indes selbst auch zu den besten seiner Zunft. Während Jackson meist mit den teuersten Teams der Liga arbeiten konnte, macht Gross aus wenig sehr viel. »Er ist in der Analyse Weltklasse«, lobt Fliegauf. »Er weiß immer, wie er reagieren muss.« Dass die Wolfsburge­r – wirtschaft­lich nur im Mittelfeld der Liga – nun zum zweiten Mal binnen fünf Jahren im Finale stehen, hält nicht nur der Sportdirek­tor für »eine Sensation«.

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Foto: imago/GEPA pictures Gewohnte Pose: Der Münchner Michael Wolf beim Torjubel

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