Rot-Rot vorm Banken tower
Im hessischen Niddatal regiert ein neues Bündnis
Im hessischen Niddatal bei Frankfurt am Main regiert ein neues Bündnis.
Niddatal, ein beschauliches 9000Einwohner-Städtchen im hessischen Wetteraukreis, hat bislang wenig Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Viele Bewohner der Stadt stehen als Pendler in der gut 25 Kilometer entfernten Bankenmetropole Frankfurt am Main in Lohn und Brot. Nun sticht die Kommune mit einem Alleinstellungsmerkmal hervor: Hier wurde dieser Tage die erste rot-rote Rathauskoalition im Sechs-MillionenLand Hessen vereinbart.
Bei der Kommunalwahl am 6. März konnte die SPD in Niddatal entgegen dem Landestrend stark zulegen. Vor dem Hintergrund einer deutlich gestiegenen Wahlbeteiligung verbuchte die Partei eine Steigerung um 9,1 Prozentpunkte auf respektable 44,6 Prozent und wurde stärkste Kraft im Ort. Gleichzeitig war die LINKE in Niddatal erstmals überhaupt angetreten und holte aus dem Stand gut fünf Prozent. Beide Parteien verfügen zusammen über die knappe Mehrheit von 16 der 31 Sitze in der Stadtverordnetenversammlung.
In den vergangenen Jahren hatten CDU, Grüne und FDP im Rathaus den Ton angegeben. Doch dieses »Jamaika«-Bündnis stieß mit seiner Politik zunehmend auf Protest. So wurde ein Beschluss für den Abriss eines für das Vereinsleben und für ehrenamtliche Aktivitäten wichtigen Bürgerhauses im Ortsteil Ilbenstadt gefasst. Auch umstrittene Pläne zur Bebauung eines als »grüne Lunge« geschätzten, landschaftlich reizvollen Areals im Stadtteil Assenheim wurden abgenickt. Solche Vorhaben nahmen viele Wähler vor allem der bisher dominierenden CDU übel, die am Wahltag gut neun Prozentpunkte verlor.
SPD und LINKE sahen in dem Wahlergebnis einen Auftrag zur Zusammenarbeit und haben sich inzwischen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt, der die Grundlinien der gemeinsamen Politik umreißt. So wird eine Bebauung der »grüne Lunge« in Assenheim ausgeschlossen, für ein Neubaugebiet an anderer Stelle wird ein Sozialwohnungsanteil von 30 Prozent angestrebt. Der Beschluss zum Abriss des Ilbenstädter Bürgerhauses soll rückgängig gemacht werden. Weitere Zielsetzungen sind gebührenfreie Kindertagesstätten, der dauerhafte Erhalt der Stadtbücherei, offene Jugendarbeit, besserer Stadtbusverkehr, Anrufsammeltaxi, mehr Bürgerbeteiligung und dezentrale Flüchtlingsunterbringung in allen Ortsteilen.
Beide Parteien wollen eng mit dem direkt gewählten Bürgermeister – er ist parteilos und SPDnah – zusammenarbeiten. Er war nach ihrer Ansicht in den letzten Jahren einer »Blockadepolitik« durch das »Jamaika«-Bündnis ausgesetzt. Eine Privatisierung kommunalen Eigentums und sogenannte öffentlich-private Partnerschaften werden abgelehnt. »Das Eigentum gehört allen Bürgern und darf nicht für den kurzfristigen Gewinn verkauft werden«, heißt es im Koalitionsvertrag.
Angesichts der angespannten Finanzlage der Stadt und vieler anderer hessischer Kommunen fordern SPD und LINKE die schwarz-grüne Landesregierung auf, »für eine gute Ausstattung der kommunalen Finanzen zu sorgen, damit die Kommunen ihren Aufgaben gerecht werden und für eine gute Infrastruktur sorgen können«. Die Unterstützung der hessischen Kommunen durch das Land lasse auch im bundesweiten Vergleich stark zu wünschen übrig. »Unsere Stadt hat kein Ausgabeproblem, wir sehen keinen Luxus, der eingespart werden kann«, heißt es im Vertrag.
Nicht ausgeschlossen ist, dass sich in Hessen im Ergebnis der Kommunalwahl noch rot-rot-grüne Bündnisse im Kreis Groß Gerau und in Rüsselsheim bilden.