nd.DerTag

Ein Gegner, viele Fragen

Gegen die AfD muss vorgegange­n werden – über das Wie herrscht noch keine Einigkeit

- Von Max Zeising, Frankfurt am Main

Während in Deutschlan­d die Frage diskutiert wird, was gegen die AfD unternomme­n werden muss, stärkt diese ihre Verbindung­en ins Ausland. Dabei bleiben Flüchtling­e das Thema der rechten Populisten – mit vielen falschen Behauptung­en.

Das Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus« sieht die AfD als Hauptschwe­rpunkt antifaschi­stischer Kämpfe – auf seiner Aktionskon­ferenz zeigte sich jedoch noch viel Klärungsbe­darf. Wer wissen wollte, in welche Richtung die europäisch­e Gesellscha­ft gerade driftet, der musste nicht lange nach einer Antwort suchen: Drei junge Männer mit Sonnenbril­le hatten sich am Samstagabe­nd vor dem Haus des Deutschen Gewerkscha­fts-Bundes (DGB) in Frankfurt am Main versammelt. Sie hielten ein Schild hoch, auf dem stand: »Nein zu Faschos, nein zu Gewalt, nein zur Antifa.« 50 Gegendemon­stranten standen ihnen gegenüber, kaum weniger Polizisten dazwischen.

Nun mochte der Protest dieser drei Sonnenbril­lenträger zahlenmäßi­g ebenso harmlos erscheinen wie ihre Botschaft. Jedoch steckte Düsteres hinter der Fassade: Denn mit dem Slogan, sich gleichzeit­ig gegen Rechts wie gegen Links zu wenden, also jegliche politische Lagerbildu­ng abzulehnen, waren sie der sogenannte­n Querfront-Bewegung zuzurechne­n – und gehören damit zu jenem Wust an neuen rechtsorie­ntierten Bewegungen, welche die Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) gerade unter ihre Fittiche zu versammeln versucht.

Erfolgreic­h, wie die jüngsten Landtagswa­hlen gezeigt haben: In Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württember­g erreichte die rechte Partei im März auf Anhieb zweistelli­ge Prozentwer­te, in Sachsen-Anhalt stellt sie nun sogar die zweitstärk­ste Fraktion. Eine Tatsache, die Antifaschi­sten auf den Plan rief – und zwar nicht nur jene 50 vor dem DGB-Haus. Etwa 400 AfD-Gegner unterschie­dlichster Gruppen – SPD-Genossen, Gewerkscha­fter, Aktivisten der Interventi­onistische­n Linken und anderer Gruppierun­gen – versammelt­en sich in Frankfurt am Main zur Aktionskon­ferenz »Aufstehen gegen Rassismus«.

Die Erkenntnis des Wochenende­s: Was den gemeinsame­n Gegner betrifft, so war sich das breite Spektrum weitestgeh­end einig. Die AfD – so die einhellige Meinung – ist momentan der Schwerpunk­t antifaschi­stischer Kämpfe. »Zu Beginn war die AfD eigentlich nur gegen Europa, doch mittlerwei­le ist sie viel weiter nach rechts gedriftet«, sagte etwa der Soziologe Andreas Kemper auf der eröffnende­n Podiumsdis­kussion. Said Barkan vom Zentralrat der Muslime Hessen ging sogar noch weiter: »Die AfD ist verfassung­sfeindlich. Sie will den Sozialstaa­t, der in Artikel 79 des Grundgeset­zes garantiert ist, abschaffen. Ebenso gefährdet sie die Religionsf­reiheit, weil sie Minarette verbieten will.«

Samee Ullah von der Geflüchtet­enOrganisa­tion »My Right is your Right« sprach hingegen vor allem aus eigener Erfahrung. Das »Flüchtling­slager«, wie er es nannte, sei »wie ein Gefängnis«. Es gebe kein Internet, keinen Spielplatz für Kinder, es sei schwer, Sprachkurs­e zu besuchen. »Niemand gibt uns die Stimme, also nehmen wir sie uns«, schlussfol­gerte er und fügte an: »Wir kämpfen auch gegen Sexismus.« Damit erinnerte er an die Kölner Silvestern­acht, als Männer, die hauptsächl­ich aus den Maghreb-Staaten kommen sollen, Frauen angriffen und Rassisten – auch die AfD – die Vorfälle zum Anlass nahmen, verstärkt gegen Geflüchtet­e zu hetzen.

Warum gerade die AfD eine Gefahr für Demokratie und Weltoffen- heit sei, erklärte schließlic­h Cornelia Kerth von der Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s (VVN-BdA). »Die AfD ist die Partei der rassistisc­hen Mobilisier­ung«, sagte sie, »sie predigt nicht den üblichen Rassismus, sondern vereinigt alle Facetten eines extrem rechten Weltbilds, das auch in der Mitte der Gesellscha­ft zu finden ist.« Damit – so ließ sich die Aussage fortsetzte­n – schafft sie es, bei weiten Teilen der Bevölkerun­g Anklang zu finden.

Doch wie will das Bündnis nun gegen die rechte Partei vorgehen? Was diese Frage betrifft, so herrscht verständli­cherweise noch viel Klärungs- bedarf. Bei den zahlreiche­n Diskussion­en am Sonntag – etwa unter dem Titel »Von der lokalen Initiative zur bundesweit handlungsf­ähigen Kampagne« oder »Vernetzung der Recherche-Arbeit« – wurde deutlich, dass die Teilnehmer noch sehr unterschie­dliche Vorstellun­gen bezüglich der Herangehen­sweise haben. Drei Hauptkonfl­iktpunkte ließen sich ausmachen: Soll das Bündnis nur gegen die AfD vorgehen oder auch die soziale Frage aufgreifen? Soll es bundesweit mobilisier­en oder nur lokal aktiv werden? Und: Wie breit will sich das Bündnis letztlich aufstellen? »Sigmar Gabriel will ich auf jeden Fall nicht auf unserer Kundgebung reden hören«, sagte ein Aktivist. Ein anderer meinte: »Wir müssen uns ganz auf die AfD konzentrie­ren. Wenn wir gleich noch gegen den Kapitalism­us vorgehen, hängen wir die Messlatte sehr hoch und verlieren Leute.« Vorausgega­ngen war das Statement einer Teilnehmer­in, die meinte, man müsse »die soziale Frage auf jeden Fall aufwerfen, Kämpfe verbinden«.

Eine Kampfansag­e war die Aktionskon­ferenz gleichwohl – trotz aller Unterschie­de. Und das nächste Treffen steht bereits in Aussicht: Am ersten Juni-Wochenende wollen die Aktivisten wieder zusammenko­mmen.

 ?? Foto: dpa/Christoph Schmidt ?? Am Samstag gab es im baden-württember­gischen Waiblingen Proteste gegen den AfD-Landespart­eitag.
Foto: dpa/Christoph Schmidt Am Samstag gab es im baden-württember­gischen Waiblingen Proteste gegen den AfD-Landespart­eitag.

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