Ein Gegner, viele Fragen
Gegen die AfD muss vorgegangen werden – über das Wie herrscht noch keine Einigkeit
Während in Deutschland die Frage diskutiert wird, was gegen die AfD unternommen werden muss, stärkt diese ihre Verbindungen ins Ausland. Dabei bleiben Flüchtlinge das Thema der rechten Populisten – mit vielen falschen Behauptungen.
Das Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus« sieht die AfD als Hauptschwerpunkt antifaschistischer Kämpfe – auf seiner Aktionskonferenz zeigte sich jedoch noch viel Klärungsbedarf. Wer wissen wollte, in welche Richtung die europäische Gesellschaft gerade driftet, der musste nicht lange nach einer Antwort suchen: Drei junge Männer mit Sonnenbrille hatten sich am Samstagabend vor dem Haus des Deutschen Gewerkschafts-Bundes (DGB) in Frankfurt am Main versammelt. Sie hielten ein Schild hoch, auf dem stand: »Nein zu Faschos, nein zu Gewalt, nein zur Antifa.« 50 Gegendemonstranten standen ihnen gegenüber, kaum weniger Polizisten dazwischen.
Nun mochte der Protest dieser drei Sonnenbrillenträger zahlenmäßig ebenso harmlos erscheinen wie ihre Botschaft. Jedoch steckte Düsteres hinter der Fassade: Denn mit dem Slogan, sich gleichzeitig gegen Rechts wie gegen Links zu wenden, also jegliche politische Lagerbildung abzulehnen, waren sie der sogenannten Querfront-Bewegung zuzurechnen – und gehören damit zu jenem Wust an neuen rechtsorientierten Bewegungen, welche die Alternative für Deutschland (AfD) gerade unter ihre Fittiche zu versammeln versucht.
Erfolgreich, wie die jüngsten Landtagswahlen gezeigt haben: In Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg erreichte die rechte Partei im März auf Anhieb zweistellige Prozentwerte, in Sachsen-Anhalt stellt sie nun sogar die zweitstärkste Fraktion. Eine Tatsache, die Antifaschisten auf den Plan rief – und zwar nicht nur jene 50 vor dem DGB-Haus. Etwa 400 AfD-Gegner unterschiedlichster Gruppen – SPD-Genossen, Gewerkschafter, Aktivisten der Interventionistischen Linken und anderer Gruppierungen – versammelten sich in Frankfurt am Main zur Aktionskonferenz »Aufstehen gegen Rassismus«.
Die Erkenntnis des Wochenendes: Was den gemeinsamen Gegner betrifft, so war sich das breite Spektrum weitestgehend einig. Die AfD – so die einhellige Meinung – ist momentan der Schwerpunkt antifaschistischer Kämpfe. »Zu Beginn war die AfD eigentlich nur gegen Europa, doch mittlerweile ist sie viel weiter nach rechts gedriftet«, sagte etwa der Soziologe Andreas Kemper auf der eröffnenden Podiumsdiskussion. Said Barkan vom Zentralrat der Muslime Hessen ging sogar noch weiter: »Die AfD ist verfassungsfeindlich. Sie will den Sozialstaat, der in Artikel 79 des Grundgesetzes garantiert ist, abschaffen. Ebenso gefährdet sie die Religionsfreiheit, weil sie Minarette verbieten will.«
Samee Ullah von der GeflüchtetenOrganisation »My Right is your Right« sprach hingegen vor allem aus eigener Erfahrung. Das »Flüchtlingslager«, wie er es nannte, sei »wie ein Gefängnis«. Es gebe kein Internet, keinen Spielplatz für Kinder, es sei schwer, Sprachkurse zu besuchen. »Niemand gibt uns die Stimme, also nehmen wir sie uns«, schlussfolgerte er und fügte an: »Wir kämpfen auch gegen Sexismus.« Damit erinnerte er an die Kölner Silvesternacht, als Männer, die hauptsächlich aus den Maghreb-Staaten kommen sollen, Frauen angriffen und Rassisten – auch die AfD – die Vorfälle zum Anlass nahmen, verstärkt gegen Geflüchtete zu hetzen.
Warum gerade die AfD eine Gefahr für Demokratie und Weltoffen- heit sei, erklärte schließlich Cornelia Kerth von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA). »Die AfD ist die Partei der rassistischen Mobilisierung«, sagte sie, »sie predigt nicht den üblichen Rassismus, sondern vereinigt alle Facetten eines extrem rechten Weltbilds, das auch in der Mitte der Gesellschaft zu finden ist.« Damit – so ließ sich die Aussage fortsetzten – schafft sie es, bei weiten Teilen der Bevölkerung Anklang zu finden.
Doch wie will das Bündnis nun gegen die rechte Partei vorgehen? Was diese Frage betrifft, so herrscht verständlicherweise noch viel Klärungs- bedarf. Bei den zahlreichen Diskussionen am Sonntag – etwa unter dem Titel »Von der lokalen Initiative zur bundesweit handlungsfähigen Kampagne« oder »Vernetzung der Recherche-Arbeit« – wurde deutlich, dass die Teilnehmer noch sehr unterschiedliche Vorstellungen bezüglich der Herangehensweise haben. Drei Hauptkonfliktpunkte ließen sich ausmachen: Soll das Bündnis nur gegen die AfD vorgehen oder auch die soziale Frage aufgreifen? Soll es bundesweit mobilisieren oder nur lokal aktiv werden? Und: Wie breit will sich das Bündnis letztlich aufstellen? »Sigmar Gabriel will ich auf jeden Fall nicht auf unserer Kundgebung reden hören«, sagte ein Aktivist. Ein anderer meinte: »Wir müssen uns ganz auf die AfD konzentrieren. Wenn wir gleich noch gegen den Kapitalismus vorgehen, hängen wir die Messlatte sehr hoch und verlieren Leute.« Vorausgegangen war das Statement einer Teilnehmerin, die meinte, man müsse »die soziale Frage auf jeden Fall aufwerfen, Kämpfe verbinden«.
Eine Kampfansage war die Aktionskonferenz gleichwohl – trotz aller Unterschiede. Und das nächste Treffen steht bereits in Aussicht: Am ersten Juni-Wochenende wollen die Aktivisten wieder zusammenkommen.