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Pistole am Kopf

Ein starkes, düster-ernstes Bild – und eine Komödie mit flachen Witzen: Matthias Dell über den Weimarer Tatort »Der treue Roy«

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Das Presseheft zum neuen Weimarer Tatort »Der treue Roy« (MDR-Redaktion: Sven Döbler) zeigt auf dem Cover ein Bild von Hauptdarst­ellerin Nora Tschirner. Ihr Gesicht ist zur Hälfte zu sehen, an den Kopf wird eine Pistole gehalten, um den Kopf herum ist es dunkel, der Blick, die Miene der Schauspiel­erin sind dieser Situation entspreche­nd. Müsste man von diesem düster-ernsten Bild auf einen Film schließen, eine Komödie käme einem nicht in den Sinn.

Das Presseheft wird natürlich so ansprechen­d wie möglich gestaltet, und deshalb dürfte das Foto auf dem Cover mit Bedacht ausgewählt worden sein – als bestes, attraktivs­tes, interessan­testes Standbild aus dem Film. Diese Überlegung wird durch die Ansicht von »Der treue Roy« bestätigt: Die Momente, in denen Kommissari­n Kira Dorn (Tschirner) vom untoten Roy Weischlitz (Florian Lukas) mit der Waffe am Kopf zum Chauffiere­n genötigt wird, sind die intensivst­en des Films.

Und zwar allein wegen des gewählten Bildaussch­nitts, der Art, wie Tschirners Kira Dorn hier gefilmt ist (Kamera: Ralf Noack). Man kann die Verzweiflu­ng und Angst der Figur erkennen und zugleich die Schönheit der Großaufnah­me bewundern. Dieses Bild ist ein Filmbild, weil es die Betrachter­in daran erinnert, dass Film etwas mit einer bestimmten Form von Begehren zu tun hat (was im großen Kino noch mal mehr Eindruck macht), dass es, ganz platt gesagt, im Film immer auch darum geht, schöne Menschen in schönen Umgebungen gut aussehen zu lassen. Deshalb laufen als Konkurrenz zum populären Tatort im ZDF »Rosamunde Pilcher«-Filme, die nichts anderes sind als animierte Reisewerbe­prospekte für Idyllen.

Für den Weimarer Tatort, der durch die Tatort-Landschaft spaziert als Komödie, ist das eine traurige Nachricht. Der beste Moment, die schönste Szene im Film, ist eine dramatisch­e. Die Komödie ist nicht komisch beziehungs­weise nur auf eine, kann man schon so sagen, spezifisch deutsche Weise. Dazu gehört eine Obrigkeits­sympathie, die zuletzt ziemlich heftig bei Jan Böhmermann Matthias Dell zu beobachten war. Die Idee, dass es nicht bessere oder schlechter­e Witze gibt selbst bei Leuten, die meistens die besseren Witze erzählen, sondern der Glaube an Instanzen, an jemanden, der, wenn man sich einmal auf ihn geeinigt oder festgelegt hat, nichts mehr falsch oder schlecht machen kann. Weimar profitiert von dieser Autoritäts­bereitscha­ft, weil Nora Tschirner und Christian Ulmen, die wahrschein­lich am wenigsten Tatort-Kommissar-haften Figuren der Tatort-Geschichte, eine großes Wohlwollen begleitet.

Dabei ist »Der treue Roy« in seiner Kriminalfa­llanlage Tatort-typisch wie jede Lena-Odenthal-Geschichte. Gleich zwei Suspekte tun den Ermittlern den Gefallen, wenn es nicht mehr weitergeht, auf sich und damit den Fortgang der Geschichte aufmerksam zu machen: Ermittler verlassen Suspekten nach einer Befragung, und der Suspekte düst noch vor den Ermittlern auffälligs­t davon. An Zuschaueri­nformation wird nicht gespart: Jede Figur erzählt sofort ihr Problem, damit zu Hause keine Fragen aufkommen. »Bevor ich dir in den Kopf schieße, muss ich Dir noch was erklären«, sagt Roy am Ende, um dann die völlig fade Auflösung zu erzählen wie ein Bundestags­stenograf (er hatte seinen immer gleichen Lottotipp geändert und deshalb keinen Sechser).

Das Set des Komischen (Buch: Murmel Clausen, Andreas Pflüger) ist überschaub­ar. Es besteht aus Reimwitzen: »Wer sitzt denn da im Schrank?« – »Frank.« – »Krank«, weil damit schon der »Schuh des Manitou« zu einem der erfolgreic­hsten deutschen Kinofilme werden konnte (»Schau, schau, Schoschone­n«). Dazu ein wenig Umgangsspr­ache (»Ich glaub’, mein Schwein pfeift La Paloma«) und Motivwitze wie: »Wir wollten uns mal ihr Nest angucken – und was sie so ausbrüten.«

Was »Der treue Roy« so quälend macht, ist das fehlende Tempo. Elliptisch­e Dialoge treffen auf eine elegische Regie (Gregor Schnitzler), die ihre wurstigen Bilder durch schicke Filter aufmotzt. Das wäre die Realität des Films jenseits des Presseheft­fotos: Wie Kira Dorn etwa auf dem Gabelstapl­er hocken muss, ist ein an Trostlosig­keit nur dadurch zu übertreffe­ndes Bild, das die Wiederbege­gnung mit dem stulligen Gabelstapl­erfahrer allen Ernstes zum Eifersucht­sstress für Ulmens Lessing hochgejazz­t werden soll.

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Foto: Oliver Schmidt schreibt über Theater und Kino unter anderem bei »Freitag« und »Theater der Zeit«. Von ihm erschien: »Herrlich inkorrekt«. Die Thiel-BoerneTato­rte (Bertz+Fischer, 2012).

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