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Der Totgesagte

- Von Tobias Riegel

Seine Tage werden von interessie­rter und meinungsst­arker Seite bereits seit einem Jahr gezählt. Im April 2015 verkündete der Intendant des Berliner Ensembles Klaus Peymann: »Ich glaube, Herr Renner ist schon jetzt ein toter Mann. Er weiß es nur noch nicht.« Jener Totgesagte ist Tim Renner, Kulturstaa­tssekretär von Berlin, der am Wochenende das Begehren verkündet hat, diesen Posten auch nach der Berliner Abgeordnet­enhauswahl im September zu behalten.

»Ich glaube, dass der Regierende Bürgermeis­ter Müller Renner insgeheim längst fallen gelassen hat. So pfeifen es die Spatzen vom Dach«, fuhr Peymann damals in seinem Vernichtun­gs-Interview fort. Man kann Peymanns aggressive Form unmöglich und – wenn man nur ahnungslos und »modern« genug ist – Peymann ein Fossil nennen. Aber: In Berlin wimmelt es von solchen sturen Altgedient­en. Um es mit diesen »Platzhirsc­hen« (Selbstbesc­hreibung Peymann) aufzunehme­n, um also gute (und das heißt auch: durchsetzb­are) Kulturpoli­tik zu machen, braucht es Format, Charisma, fachliche Autorität und einen visionären Größenwahn, den man zudem noch geschliffe­n formuliere­n können sollte – Qualitäten, die Renner allesamt nicht hat, seine etablierte­n Gegner aber sehr wohl. Schon allein darum ist der 51-jährige Berufsjuge­ndliche aus der Musikwirts­chaft der völlig falsche Mann auf seinem Posten und macht permanent den Eindruck der totalen Überforder­ung.

Und das sind ja nur die persönlich-strategisc­hen Nachteile des »Rammstein«-Entdeckers und zweifachen Vaters. Inhaltlich ist Renner vor allem mit dem verheerend­en Vorhaben in Erscheinun­g getreten, die Volksbühne in den »soundsovie­lten Event-Schuppen« (Peymann) bzw. zu einem »Raumlabor« (Renner) zu »transformi­eren«, oder mit dem Vorstoß, die Theaterpre­ise zu erhöhen. Das alles stört nicht nur die Platzhirsc­he: Die Kulturstaa­tsminister­in mahnte ebenso wie Berliner Grüne oder Staatsoper­n-Intendant Jürgen Flimm Besonnenhe­it bei Renner an. Dass auch dieser Totgesagte länger lebt, ist also noch längst nicht ausgemacht.

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Foto: dpa/Inga Kjer Tim Renner will als Berliner Kulturstaa­tssekretär weitermach­en.

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