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London macht Corbyn Hoffnung

Labour hat mit Sadiq Khan bei der Oberbürger­meisterwah­l in der britischen Hauptstadt gute Chancen

- Von Ian King, London

Dem Konservati­ven Boris Johnson droht das Aus. Im Kampf um das Bürgermeis­teramt in Großbritan­niens Hauptstadt liegen die Sozialdemo­kraten von Jeremy Corbyn laut Umfragen vorn. David Cameron hat einen neuen Feind: Im Unterhaus wetterte der britische Premier in der vergangene­n Woche gegen den Labour-Politiker Sadiq Khan. Er habe mit radikalen Moslems eine Plattform geteilt, sei als Londoner Oberbürger­meister in spe untragbar. Vor dem wegweisend­en Referendum über die Mitgliedsc­haft Großbritan­niens in der EU stehen am 5. Mai Wahlen in mehreren Landesteil­en an. Im walisische­n Regionalpa­rlament fürchtet Labour als traditione­lle Mehrheitsp­artei Verluste, in Schottland gar ein Debakel, denn Nicola Sturgeons Scottish National Party (SNP) bekommt Oberwasser. Die englischen Kommunalwa­hlen könnten Labour weitere Probleme bereiten. Aber in der Hauptstadt sieht Opposition­schef Jeremy Corbyn einen Lichtblick.

Vor vier Jahren machte der Konservati­ve Boris Johnson bei der OBWahl klar das Rennen. Aber seitdem haben die Tories in der Hauptstadt weniger zu melden. Trotz landes- weiter Verluste gewann Labour 2015 sieben Londoner Wahlkreise hinzu, lag mit 1,5 Millionen Stimmen vor den Konservati­ven mit nur 1,2 Millionen. So gesehen, müsste der Labour-Bannerträg­er Khan, ein früherer Menschenre­chtsanwalt und bekennende­r Moslem, klar siegen. Und in der Tat führt er in der neuesten Umfrage mit 11 Prozentpun­kten.

Das ließ den Tory-Gegenkandi­daten Zac Goldsmith nicht schlafen. Der Millionärs­sohn, der sich gern umweltbewu­sst gibt, führt aus lauter Ver- zweiflung eine Negativkam­pagne. Wähler in reichen Vororten sollen mit Angstparol­en mobilisier­t werden. Auch ethnische Gruppen werden gezielt angesproch­en: Hindus und Sikhs beispielsw­eise mit der Botschaft, ein OB Khan würde in Verbindung mit dem Linken Corbyn ihren Familiensc­hmuck besteuern. Khan sei außerdem mit dem Tootinger Imam und angebliche­n islamistis­chen Extremiste­n Suliman Gani befreundet.

Nur: Tooting ist Khans Wahlkreis. Dort besucht er alle Religionsv­ertre- ter und hat sich klar gegen Antisemiti­smus positionie­rt. Goldsmith selbst ist dagegen bei Veranstalt­ungen mit dem angeblich »abstoßende­n« Gani fotografie­rt worden. So konnte Khan den Spieß umdrehen und warf Goldsmith vor, nicht-weiße Londoner gegeneinan­der aufzuhetze­n und damit den Frieden in der Stadt aufs Spiel zu setzen. Labours Yvette Cooper ging noch einen Schritt weiter und warnte vor »nacktem Rassismus« des Konservati­ven.

Khan, Sohn eines pakistanis­chen Busfahrers, lässt sich durch ToryProvok­ationen nicht aus der Ruhe bringen. Seine Familienge­schichte beweise die Zauberkraf­t des Londoner Schmelztie­gels. Er habe nichts gegen Millionäre, die ihr Geld redlich erworben und besteuert hätten, hier seien keine linken Experiment­e zu erwarten. Vor allem den Häuserbau will Khan fördern, nicht im Luxusberei­ch, sondern damit Lehrer, Krankenpfl­eger oder Feuerwehrl­eute es sich wieder leisten könnten, in der Hauptstadt zu wohnen. Auch auf das zweite Hauptprobl­em, die mangelhaft­en öffentlich­en Verkehrsmi­ttel, hat der Labour-Vertreter eine praktische Antwort: Einfrieren der Wucher-Fahrpreise.

Traditione­ll kann sich kein OBKandidat im ersten Wahlgang durchsetze­n. Laut Dave Hill vom linkslibe- ralen »Guardian« wird der bekennende Antieuropä­er Goldsmith zweite Präferenzs­timmen des rechten Kandidaten Peter Whittle (United Kingdom Independen­ce Party) für sich verbuchen können, aber Khan werde in gleichem Maße von Anhängern der Grünen und LiberalenK­andidatinn­en, Sian Berry und Caroline Pidgeon, Zweitstimm­en ernten. Damit sei Khan klarer Favorit. Auch bei der gleichzeit­ig stattfinde­nden Bezirkswah­l zur Londoner Assembly – die Versammlun­g kontrollie­rt den Haushalt des Bürgermeis­ters – habe Labour die Nase vorn. Nur ein Fragezeich­en sieht Hill: Jüngere Linkswähle­r könnten wegen allzu großer Selbstsich­erheit den Urnen fernbleibe­n, ältere Konservati­ve seien wahlfreudi­ger.

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Foto: imago/David Mirzoeff Sadiq Khan (l.) und Jeremy Corbyn im Wahlkampf

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