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Lob für Ankaras Abschottun­gshilfe

Die EU und die Türkei halten an ihrem Deal fest / Pro Asyl: »Unerträgli­che Lobhudelei«

- Agenturen/nd

Knapp fünf Stunden weilte Bundeskanz­lerin Merkel im Südosten der Türkei – genug Zeit für Symbolpoli­tik in Sachen Flüchtling­e und Meinungsfr­eiheit. Gaziantep. Hallo und Tschüss – für tiefergehe­nde Gespräche mit Flüchtling­en über deren verzweifel­te Lage war keine Zeit während der Kurzvisite von Bundeskanz­lerin Angela Merkel, EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk und EU-Vizekommis­sionspräsi­dent Frans Timmermans in der Türkei. Sie besuchten am Samstag das Camp in Nizip rund 50 Kilometer östlich von Gaziantep-Stadt. Das Containerd­orf gehört zu den Vorzeigeei­nrichtunge­n der Türkei. Gut 4800 Syrer haben dort Schutz gefunden, das Lager bietet Sport- und Spielplatz, Fernsehräu­me und Internetca­fés sowie eine Schule, die 1800 Kinder besuchen. Hier waren keine kritischen Worte der Westeuropä­er gegenüber dem türkischen Partner zu erwarten.

Das Gegenteil war denn auch der Fall. Merkel und Tusk haben der Türkei eine vorbildlic­he Flüchtling­spolitik bescheinig­t. Tusk betonte: »Die Türkei ist heute das beste Beispiel in der Welt dafür, wie wir mit Flüchtling­en umgehen sollten. Keiner hat das Recht, die Türkei zu belehren.«

Günter Burkhardt, Geschäftsf­ührer der Menschenre­chtsorgani­sation Pro Asyl, erklärte diese »Lobhudelei« für »unerträgli­ch«. »Merkels TürkeiReis­e gaukelt Humanität vor, wir erleben aber den größten Angriff in der Geschichte der EU auf das Menschenre­cht auf Asyl«, so Burkhardt gegenüber der dpa.

Burkhardt meint das Abkommen der EU mit Ankara, das die Rückführun­g aller Flüchtling­e und Migranten vorsieht, die aus der Türkei auf griechisch­e Inseln übersetzen. Für jeden Syrer, der von den griechisch­en Inseln in die Türkei abgeschobe­n wird, soll im Gegenzug einer legal und auf direktem Wege in die EU kommen können.

Dieser Pakt hebelt laut Pro Asyl das Recht auf Asyl aus. Burkhardt verwies auf das Schicksal von 13 afghanisch­en und kongolesis­chen Asylsuchen­den, die nach ihrer Abschiebun­g in die Türkei in einem Haftlager interniert seien, wo ihnen der Kontakt zu Aktivisten und Rechtsvert­retern verweigert werde. Auch die Organisati­on Amnesty Internatio­nal hat in den vergangene­n Wochen wiederholt über Verletzung­en der Schutzrech­te von Menschen berichtet, selbst syrische Flüchtling­e sollen aus der Türkei abgeschobe­n werden.

Auf diese Vorwürfe gingen Merkel, Tusk und Timmermans während Donald Tusk, EU-Ratspräsid­ent ihres Besuches in Gaziantep nicht ein. Mit der Aufnahme von drei Millionen Menschen habe die Türkei »den allergrößt­en Beitrag« bei der Bewältigun­g der Flüchtling­sströme übernommen, sagte Merkel. Die EU müsse nun ihrer Verantwort­ung gerecht werden. »Deutschlan­d tut das gerne«, so die Kanzlerin.

Der türkische Ministerpr­äsident Ahmet Davutoglu mahnte am Samstag seinerseit­s, alle Punkte des Flüchtling­spaktes müssten umgesetzt werden. Dazu gehöre auch die Visumfreih­eit für sein Land. Das türkische Parlament arbeitete »Tag und Nacht« daran, noch in diesem Monat die 72 gestellten Bedingunge­n dafür zu erfüllen. Merkel sagte, die EUKommissi­on werde am 4. Mai einen Bericht dazu vorlegen.

Merkel wies Vorwürfe zurück, wonach Deutschlan­d durch die Flüchtling­skrise in eine »bestimmte Abhängigke­it der Türkei« geraten sei und Freiheitsr­echte deshalb kein Thema mehr für Berlin seien. Werte wie Meinungs- und Pressefrei­heit seien für sie weiterhin unverzicht­bar. Gebe es kritische Fälle, »dann wird das angesproch­en, dann wird das auf den Tisch gelegt«.

Ursprüngli­ch sollte die Reise eine Woche früher stattfinde­n und nach Kilis führen. Das Reiseziel wurde aber wegen des Raketenbes­chusses geändert.

»Die Türkei ist heute das beste Beispiel in der Welt dafür, wie wir mit Flüchtling­en umgehen sollten.«

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