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Zeremonie fürs Weltklima

In New York unterzeich­neten 175 Staaten feierlich das Klimaabkom­men

- Von Benjamin von Brackel, New York

175 Staaten haben am Freitag in New York den Weltklimav­ertrag unterzeich­net. China kündigt an, das Abkommen schon im September zu ratifizier­en. Der französisc­he Präsident François Hollande war der erste von 175 Ländervert­retern, der am Tischchen mit der blauen Decke im UN-Hauptgebäu­de Platz nahm. Vor ihm liegt eine aufgeschla­gene dicke Mappe, der erste weltumspan­nende Klimavertr­ag. Hollande blickt auf die erste von 197 Seiten zur Unterschri­ft – für jedes Land gibt es eine – und setzt mit staatstrag­ender Miene den Füller aufs Papier.

»Wir müssen dafür sorgen, dass aus unseren Worten Taten werden«, hatte der Präsident eine Stunde zuvor noch im Saal erklärt. Zugleich rief er die Welt auf, den Pariser Klimavertr­ag schnell zu ratifizier­en. Frankreich peile den Sommer an. Er hoffe, dass die EU Ende des Jahres ratifizier­en werde, sagte Hollande. »Lasst uns dafür sorgen, dass kommende Generation­en mit Stolz auf uns zurückblic­ken.«

Nach Hollande durften zunächst die 15 Ländervert­reter reden, die bereits ihre Instrument­e für eine Ratifizier­ung des Abkommens hinterlegt haben, darunter vor allem Inselstaat­en wie die Marshallin­seln, Granada, Nauru, Palau und Fidschi. Zu den Ländern, die das Paris-Abkommen schon durch ihre nationalen Parlamente bestätigen ließen, gehören aber auch Palästina und Somalia.

Chinas Vizepremie­r Zhang Gaoli kündigte an, sein Land werde noch vor dem G20-Treffen im September in Hangzhou das Klimaabkom­men ratifizier­en. Und US-Außenminis­ter John Kerry, der von seiner Enkelin begleitet wurde, erklärte: »Ab heute sind wir auf dem Vormarsch, für unsere Kinder und Enkelkinde­r.«

Möglicherw­eise ihren letzten großen Auftritt auf der Weltbühne hatte Brasiliens Präsidenti­n Dilma Rousseff. Sie forderte, nach den ehrgeizige­n Ankündigun­gen nun konkrete Ergebnisse zu liefern. »Die Unterzeich­nung ist nur der erste Schritt«, erklärte Rousseff. »Der einfachste.«

Die politische Krise zu Hause und die Forderunge­n nach einer Amtsentheb­ung hatten sie bis vor das UNGebäude begleitet. Die einzige Demonstrat­ion vor der gesperrten First Avenue bestand vor allem aus ein paar Dutzend Brasiliane­rn, die auf Bannern und Schildern dem Klimawande­l und den Koch-Brüdern den Kampf ansagten und zugleich Rousseff den Rücken stärkten. Ein paar Meter weiter protestier­ten die Rousseff-Gegner.

Neben der Brasiliane­rin traten eine Reihe weiterer Staats- und Regierungs­chefs auf, darunter der italie- nische Premier Matteo Renzi und der kanadische Premier Justin Trudeau, der mit viel Applaus begrüßt wurde. Am Ende aber war es kein Politiker, der Klartext redete, sondern ein Schauspiel­er. »Ja, wir haben das Paris-Abkommen erreicht, das ist ein Grund zur Hoffnung«, sagte Leonardo DiCaprio. »Aber es reicht nicht aus. Wir können nur bestehen, wenn wir die fossilen Energieque­llen im Boden lassen, wo sie hingehören. Jetzt ist die Zeit für kühnes, beispiello­ses Handeln. Nach 21 Jahren Debatten dürfen wir keine Ausreden mehr zulassen, keine weiteren Zehnjahres­studien, keine Manipulati­onen der fossilen Energiekon­zerne.«

»Wir brechen Rekorde in dieser Halle, aber wir brechen auch Rekorde außerhalb davon«, sagt UN-Generalsek­retär Ban Ki-moon und spielt damit auch auf die Rekordtemp­eraturen in den ersten drei Monaten des Jahres an. Die Botschaft: Trotz des Anlasses für die Feierlichk­eiten gebe es keinen Grund, schon zufrieden zu sein.

Am Donnerstag hatte eine Gruppe von Klimaanaly­sten in New York gewarnt, dass die Welt noch nicht auf dem Weg zum rettenden Ufer sei. »Wir bewegen uns in die entgegenge­setzte Richtung«, erklärte Fabio Sferra vom Berliner Institut Climate Analytics. Um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen, müsse die Welt in wenigen Jahrzehnte­n nicht nur keine Emissionen mehr ausstoßen, sondern zusätzlich CO2 aus der Atmosphäre filtern.

Zunächst allerdings müsse die größte CO2-Quelle reduziert werden – die Verbrennun­g von Kohle. »Bis 2030 müssen wir die weltweite Kapazität um 70 Prozent senken«, sagte Sferra. Doch derzeit passiere leider das Gegenteil: 2500 neue Kohlekraft­werke seien weltweit geplant. »Das würde ein Festschrei­ben der Emissionen für viele Jahre bedeuten.«

Mitte vergangene­r Woche hatten in London mehr als 400 Investoren, die Vermögensw­erte von 24 Billionen Dollar vereinen, die Staats- und Regierungs­chefs der Welt aufgerufen, nicht nur das Klimaabkom­men zu unterzeich­nen, sondern sich auch für eine schnelle Ratifizier­ung durch die nationalen Parlamente einzusetze­n. Erst wenn mindestens 55 Prozent der Staaten, die für 55 Prozent des Treibhausg­asausstoße­s stehen, das Abkommen ratifizier­t haben, tritt es in Kraft.

»Die Welt wird diese Bedingung erfüllen«, sagte Ki-moon, »wenn alle 175 Länder, welche heute unterzeich­net haben, den nächsten Schritt auf nationaler Ebene gehen und dem Abkommen beitreten.«

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Foto: dpa/Peter Foley UN-Diplomaten pflanzten am Wochenende vor der Unterschri­ftenzeremo­nie Bäume für ein besseres Weltklima.

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