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Mit Stulle und Kaffee gegen Atomkraft

30 Jahre nach Tschernoby­l protestier­ten Gegner an mehreren Orten für den sofortigen Atomaussti­eg

- Von Reimar Paul

Mehr als 1000 Atomkraftg­egner nahmen am Wochenende an der »Frühstücks­meile« gegen das Atommüllen­dlager Schacht Konrad teil. 30 Jahre nach Tschernoby­l gab es auch andernorts Proteste.

»Das ist ein richtig cooles Ereignis heute«, sagt Peter Meyer. Damit meint der Sprecher der Braunschwe­iger Bürgerinit­iative Strahlensc­hutz (BISS) nicht die niedrigen Temperatur­en und den frischen Wind, der am Sonntagmit­tag über die Industries­traße Nord in Salzgitter bläst. Viel mehr ist Meyer angetan von der großen Beteiligun­g und der guten Stimmung bei der »Frühstücks­meile«. Zu der Protestakt­ion unter freiem Himmel, in Sichtweite des geplanten Atommüllen­dlagers Schacht Konrad, sind deutlich mehr als tausend Menschen gekommen.

Auf dem an diesem Tag für den Verkehr abgesperrt­en Teil der Straße im Industrieg­ebiet von Salzgitter haben Aktivisten schon am frühen Morgen Tische und Bänke, Verpflegun­gsund Informatio­nsstände sowie eine Bühne aufgebaut. Rund 150 Initiative­n und Umweltgrup­pen, Gewerkscha­ftsglieder­ungen und Betriebsrä­te, Sportverei­ne und Wohngemein­schaften, Buch- und Bioläden hatten vorab Frühstücks­tische reserviert.

Etliche kurzfristi­g Entschloss­ene sind noch dazugestoß­en. Mehrere Dutzend Menschen haben sich in zwei Fahrradkon­vois auf den Weg gemacht. Gleich mehrere Tische haben die IG Metaller – unübersehb­ar in ihren gelben Warnwesten – in Beschlag genommen. An einem Zaun am Straßenran­d fordert ein großes Plakat: »Mit aller Macht gegen den Schacht!«.

»Unsere Aktion ist ein gelungener Spagat zwischen dem Gedenken an die Atomkatast­rophen von Fukushima und Tschernoby­l und dem Protest gegen den Umgang mit Atommüll«, sagt der Sprecher der atomkraftk­ritischen Arbeitsgem­einschaft Schacht Konrad, Ludwig Wasmus. Auf der Bühne kommen Zeitzeugen aus Fukushima und Tschernoby­l zu Wort. Sie erzählen von den Auswirkung­en der Atomkatast­rophen in Japan und der Ukraine.

Andere Redner weisen darauf hin, dass der Atomaussti­eg in Deutschlan­d noch lange nicht geschafft ist. »Seit den jüngsten Anschlägen in Belgien sind auch die Atomkraftw­erke ins Visier von Terroriste­n geraten«, warnt Peter Meyer. »Gegen eine neuerliche Katastroph­e hilft nur abschalten.«

Bürgerinit­iativen berichten von den Atomstando­rten in der Region. Außer Schacht Konrad, wo die Bundesregi­erung das nationale Endlager für schwach- und mittelradi­oaktive Abfälle errichten lässt, liegen noch die maroden Atommüllla­ger Asse und Morsleben in der Nähe. Und im Braunschwe­iger Stadtteil Thune verarbeite­t die Firma Eckert & Ziegler am Rande eines Wohngebiet­es in großem Ausmaß radioaktiv­e Abfälle. Zwischen den Redebeiträ­gen sorgt Musik von Liedermach­ern und der Band »Restrisiko« für Abwechslun­g.

Am AKW Brokdorf an der Unterelbe kommen am Sonntag ebenfalls mehrere hundert Umweltschü­tzer zusammen. Unter dem Motto »Tschernoby­l mahnt – Brokdorf abschalten« präsentier­en sich Bürgerinit­iativen bei einer »Protest- und Kulturmeil­e«. Das AKW Brokdorf ging 1986, im Jahr der Tschernoby­l-Katastroph­e, ans Netz. Gegen den Bau hatten seit Ende der 1970er Jahre immer wieder zehntausen­de Menschen demonstrie­rt, am Baugelände kam es mehrmals zu harten Auseinande­rsetzungen zwischen Atomkraftg­egnern und der Polizei.

Anlässlich des 30. Tschernoby­lJahrestag­es gab es auch an den AKW Biblis (Hessen) und Gundremmin­gen (Bayern), am Zwischenla­ger Ahaus (Nordrhein-Westfalen) sowie auf mehreren Brücken am Oberrhein Proteste gegen Atomkraft. In Tschechien gingen mehrere Hundert Menschen gegen die Pläne der Regierung für ein Atommüllen­dlager auf die Straße.

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Foto: AG Schacht Konrad Frühstück gegen Atomkraft in Salzgitter.

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