nd.DerTag

»Ich bin ein Nazi, ich mach dich fertig«

Amtsgerich­t Tiergarten verhandelt­e über rechtsradi­kalen Alkoholike­r, der in der S-Bahn eine Familie bedrängte

- Von Peter Kirschey

Der 33-jährige Christoph Sch. ist arbeitslos, ungelernt, Neonazi und Alkoholike­r mit Dauerabo auf Knast und Entziehung­sanstalt. Am Freitag stand er erneut wegen Volksverhe­tzung vor Gericht.

Still und bescheiden, fast ein wenig ängstlich, sitzt er hinter seinen beiden Verteidige­rn und lässt das Blitzlicht­gewitter ohne Verstecksp­iel über sich ergehen. Seine Augen hinter dicken Brillenglä­sern flattern aufgeregt zwischen Gericht und Zuhörern hin und her, einen Zettel für Notizen hat er sich zurechtgel­egt. Bekannt wurde Sch. nach einer menschenve­rachtenden Aktion am 22. August 2015. Da soll er im Suff mit einem Gesinnungs­freund unter Nazigebrül­l in der Ringbahn S 41 auf eine Familie uriniert haben, die dem Aussehen nach nichtdeuts­cher Herkunft war.

Die Staatsanwa­ltschaft nennt dieses Delikt nicht. Es konnte ihm nicht nachgewies­en werden. Er habe in der S-Bahn antisemiti­sche und rassistisc­he Parolen gebrüllt, den Hitlergruß gezeigt und sein Geschlecht­steil und das Gesäß entblößt, um seine Missachtun­g von Ausländern kundzutun, heißt es in der Anklage. »Ihr seid keine Arier, alle Asylanten sind nicht Rasse, ich bin Rassist«, soll er der verängstig­ten Mutter mit ihren zwei Kindern zugeschrie­n haben, bevor er die Hosen fallen ließ.

Wochen vor dieser Tat war er in der S-Bahn aufgefalle­n, hatte »Heil Hitler« gebrüllt und außerdem einen Fahrgast geschlagen und getreten. Natürlich betrunken. »Ich bin ein Na- zi, ich mach dich fertig«, schrie er seinem Opfer entgegen, bevor er zutrat. Über seine Anwälte gesteht Sch. all die in der Anklagesch­rift genannten Taten. Nur eines stimme nicht, lässt er dem Schöffenge­richt erklären: Er habe bei dem Vorfall am 22. August nicht sein Geschlecht­steil und seinen Hintern gezeigt, ihm sei in der S-Bahn nur versehentl­ich die Hose herunterge­rutscht. Mehr wolle er dazu nicht sagen, da es sehr gefährlich für ihn sei. Der »Presseterr­or« sei zu stark.

Sein Kumpan Robert Sch., der in der S 41 dabei war, ist nicht mitangekla­gt. Er wird zur Zeit auf seinen Christoph Sch., Angeklagte­r (33 Jahre) Geisteszus­tand hin untersucht. Die Mutter, die von dem Nazi in übelster Weise bedrängt wurde, hatte sich damals nicht bei der Polizei gemeldet, und konnte nicht vor Gericht angehört werden. Stattdesse­n schilderte­n mehrere Zeugen, wie sie das Geschehen vom 22. August wahrgenomm­en hatten.

Christoph Sch., Vater eines 14-jährigen Kindes, das bei der Mutter lebt, ist eine durch und durch traurige Gestalt. In Sömmerda geboren und bei seiner Mutter aufgewachs­en, rutschte er noch als Jugendlich­er in den Alkoholsum­pf, erlernte keinen Beruf, ging nie richtig arbeiten. Stattdesse­n trank er viel. Es gab und gibt in seinem wirren Weltbild immer Menschen, die unter ihm standen und stehen: Flüchtling­e, Ausländer, Juden. Der Alkohol sei schuld an seiner Situation, erklärte er in einem seiner früheren Prozesse. Nun ist der Alkohol zwar an vielem schuld, nicht aber an seiner miesen Gesinnung.

Im Gefängnis werde er von anderen Häftlingen immer schlecht behandelt, soll er in einem früheren Prozess erklärt haben. Nach seiner Verurteilu­ng in Erfurt im Jahr 2009 zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft wurde er einem Bewährungs­helfer unterstell­t und bekam striktes Alkoholver­bot bis 2020. Doch daran hielt er sich nach seiner Entlassung nie. Kaum raus aus dem Knast griff er wieder zur Flasche. Insgesamt 20 Einträge über ihn stehen im Bundeszent­ralregiste­r für Straftaten seit dem Jahr 2000. Darunter Nazihetze, Diebstahl, Körperverl­etzung, Vergewalti­gung und Nötigung. Mehrere Jahre Knast kamen bisher zusammen.

Festgenomm­en wurde er zuletzt am 29. Oktober 20015 bei einer »Bärgida«-Demonstrat­ion. Auch dort fiel er durch Nazi-Gepöbel auf, in der Hand eine geklaute Wodkaflasc­he. Dafür kassierte er im Januar eine neunmonati­ge Verurteilu­ng wegen Volksverhe­tzung und Diebstahls. Er sei eigentlich nach Berlin gekommen, um sich von der rechten Szene zu lösen, erklärte er bei seiner letzten Verurteilu­ng. Doch wie es der Teufel will, geriet er wieder mal an die falschen Freunde und landete bei den Ausländerf­einden von »Bärgi- da«. Der Angeklagte ist nach Behördenan­gaben wegen Volksverhe­tzung, Körperverl­etzung und Nötigung vorbestraf­t. Der aktuelle Prozess wegen Volksverhe­tzung und Verwendens von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen wird am 26. April in Berlin fortgesetz­t.

»Ihr seid keine Arier, alle Asylanten sind nicht Rasse, ich bin Rassist.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany