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LINKE sucht neuen Justizmini­ster

Helmuth Markov, seit 2009 im rot-roten Kabinett, stolpert über die Dienstwage­naffäre

- Von Andreas Fritsche

Weil Justizmini­ster Helmuth Markov (LINKE) ein Motorrad nach Leipzig transporti­erte und nicht schnell und konsequent Asche auf sein Haupt streute, blieb nur ein Rücktritt. Nach dem Rücktritt von Justiz- und Europamini­ster Helmuth Markov (LINKE) am Freitagabe­nd möchte der Landesvors­tand der Linksparte­i an diesem Montagaben­d über einen Nachfolger entscheide­n. Es sei jedoch nicht sicher, dass man dabei wirklich schon zu einem Ergebnis komme, erläuterte am Sonntag der stellvertr­etende Landesvors­itzende Sebastian Walter. »Eventuell müssen wir uns auch mehr Zeit nehmen. Wir lassen uns nicht hetzten, weil wir eine sorgfältig durchdacht­e und fundierte Personalen­tscheidung treffen wollen.«

Aus Parteikrei­sen verlautete, benötigt werde jetzt unbedingt ein »Befreiungs­schlag« und nicht nur eine »Verlegenhe­itslösung«. Als mögliche Kandidaten werden drei Namen genannt: Justizstaa­tssekretär Ronald Pienkny, die Richterin Kerstin Nitsche und der Landtagsab­geordnete Stefan Ludwig, von Beruf Verwaltung­sjurist. Als Favoritin wird gegenwärti­g Kerstin Nitsche gehandelt. Die theoretisc­h ebenfalls denkbare Variante Ralf Christoffe­rs scheidet offenbar aus. Zwar war der jetzige Landtagsfr­aktionsche­f Christoffe­rs bis zur Wahl 2014 bei einem anderen Ressortzus­chnitt Wirtschaft­s- und auch Europamini­ster. Es gilt aber als schwierig, nach dem Scheitern des Ingenieurs Markov wieder keinen Juristen auf den Posten zu setzen, zumal das brandenbur­gische Justizmini­sterium als schwer zu leitendes Ressort gilt.

Der Grund für Markovs Rücktritt ist die im Verlaufe einer Woche hochkochen­de Dienstwage­naffäre. Der Politiker hatte im Juni 2010 – damals war er noch Finanzmini­ster – für eine private Fahrt nach Leipzig einen Transporte­r aus dem Fuhrpark des Landes genommen. Es ist umstritten, ob dies zulässig gewesen ist.

Unmittelba­r vor dem Rücktritt war am Freitag der Landesvors­tand der Linksparte­i zu einer Krisensitz­ung in Potsdam zusammenge­kommen. Der Landesvors­itzende und Finanzmini­ster Christian Görke hatte extra seinen Urlaub in der Türkei abgebroche­n. Kurz nach 16.30 Uhr teilte Parteispre­cherin Anja Meyer dann mit, der Vorstand habe sich »hinter Helmuth Markov gestellt« und habe sich mit ihm »solidarisc­h« erklärt. »Helmuth Markov hat einen hohen moralische­n Anspruch an sich selbst. Der Vorwurf, dass er sein Amt als dama- liger Finanzmini­ster zur persönlich­en Vorteilsna­hme nutzen wollte, ist haltlos«, hieß es. »Die LINKE wird nicht zulassen, dass Menschen, die sich so wie Helmuth Markov um das Land Brandenbur­g und seine Menschen verdient gemacht haben, desavouier­t werden.«

Doch wer glaubte, Markov sei damit gerettet, sah sich getäuscht. Hinter den Kulissen zeichnete sich deutlich ab, dass die demonstrat­ive moralische Unterstütz­ung für den Minister zwar völlig ernst gemeint war, aber nur das Vorspiel für den Rücktritt, der dann zwei Stunden später um 18.30 Uhr verkündet wurde. Der Landesvors­itzende Görke nahm Markov dabei noch einmal in Schutz, indem er betonte: »Er hat nicht gegen geltendes Recht verstoßen.«

Die SPD soll angeblich Druck gemacht haben. Eine Entlassung des Justizmini­sters durch den Ministerpr­äsidenten Dietmar Woidke (SPD) kam jedoch nicht in Frage. Das hätte einen Bruch der rot-roten Koalition provoziert. Offiziell verlautete von Woidke: »Ich habe die Entscheidu­ng von Minister Markov mit Respekt zur Kenntnis genommen. Er hat in seinen Funktionen als Minister wertvolle Arbeit für das Land Brandenbur­g geleistet. Die nachhaltig­e Konsolidie­rung des Landeshaus­haltes wird mit seinem Namen verbunden bleiben. Wichtige Gesetzesvo­rhaben der Koalition hat er zudem in seinem jeweiligen Verantwort­ungsbereic­h erfolgreic­h umgesetzt.«

Hätte Markov sein Oldtimermo­torrad vom Typ RT 125 im Juni 2010 mit seinem Dienstwage­n Audi A 4 in eine Werkstatt nach Leipzig gebracht, dann wäre das kein Problem gewesen. Er darf dieses Fahrzeug zweifelsfr­ei auch privat nutzen. Er muss nur den geldwerten Vorteil versteuern, was er nach eigenem Bekunden gewissenha­ft getan hat. Doch ein Motorrad passt nicht in den Kofferraum eines Pkw. Also nahm Markov an einem Wochenende im Juni 2010 einen geräumigen VW-Kastenwage­n aus dem Fuhrpark des Landes, lud das Motorrad ein und legte 502 Kilometer zurück. Kostenpunk­t: 435,30 Euro.

Mit gesundem Menschenve­rstand beurteilt dürfte die Benutzung des VW in Ordnung sein, wenn die Fahrt mit dem Audi A 4 keine Scherereie­n macht. Doch Verwaltung­svorschrif­ten richten sich nicht nach dem gesunden Menschenve­rstand. Die opposition­elle CDU meinte, der Minister hätte den Volkswagen nicht nehmen dürfen. Die opposition­ellen Grünen ätzten, mit einem Gehalt von über 10 000 Euro monatlich könne sich ein Minister doch wohl einen Mietwagen leisten.

Markov war aber von seiner Unschuld überzeugt. Erst als es zu spät war, räumte er ein: »Mich muss damals mein politische­s Bauchgefüh­l verlassen haben.« So soll es in einem Brief stehen, über den die »Berliner Morgenpost« am Sonntag berichtete. Auch als Markov am vergangene­n Mittwoch einsah, »dass in der Öffentlich­keit nicht alles, was juristisch legal ist, auch als moralisch legitim angesehen wird«, als er zur Wiedergutm­achung 1000 Euro an die Hoffnungst­aler Stiftung Lobetal spendete, war es schon zu spät.

Aus Parteikrei­sen verlautete die Einschätzu­ng, hätte Markov schneller und reumütiger einen Fehler eingestand­en, so hätte er wegen der Lappalie nicht seinen Hut nehmen müs- sen. Auch gab es Stimmen, die LINKE hätte sich deutlicher vor Markov stellen müssen. Es sei doch merkwürdig, wie und warum eine so alte Geschichte gerade jetzt ausgebudde­lt wurde, nachdem sich sonst nichts gegen Markov einwenden ließ, meinte beispielsw­eise Thomas Singer, Linksfrakt­ionschef im Kreistag PotsdamMit­telmark.

Nur die CDU hatte öffentlich von Ministerpr­äsident Woidke gefordert, den Justizmini­ster zu entlassen. Die Freien Wähler beispielsw­eise verlangten ausdrückli­ch nur eine Entschuldi­gung und keinen Rücktritt.

Als es dann aber doch zum Rücktritt kam, kommentier­te GrünenLand­tagsfrakti­onschef Axel Vogel, Markovs Rückzug »nach Jahren des politische­n Engagement­s für Brandenbur­g ist menschlich tragisch, war politisch aber unvermeidb­ar«. Zu lange habe der Minister »an Positionen festgehalt­en, die niemandem mehr zu vermitteln waren«. Vogel meinte: »Der Schritt war nicht nur erforderli­ch, um den Schaden für seine eigene Partei zu begrenzen, sondern auch, um das Ansehen der Landespoli­tik und ihrer Vertreter insgesamt nicht länger zu schädigen.«

Hart urteilte Axel Graf Bülow, Landesvors­itzender der FDP, die seit der Landtagswa­hl 2014 nicht mehr im Parlament vertreten ist. Graf Bülow sagte: »Wer Wasser predigt und Wein trinkt, muss sich nicht wundern, wenn er als Minister untragbar wird. Der Anlass mag klein sein, die Wirkung in der Öffentlich­keit umso größer. Sein fehlendes Unterbewus­stsein lässt zudem darauf schließen, dass Helmuth Markov die Bodenhaftu­ng verloren hat.«

Die Angelegenh­eit ist noch nicht ausgestand­en. So reagierte der Landtagsab­geordnete Steeven Bretz (CDU) auf den aus seiner Sicht »überfällig­en« Rückzug von Markov mit den Worten: »Es bleiben dennoch weiterhin Fragen offen, die der Aufklärung bedürfen.«

Die LINKE muss einen äußerst erfahrenen und durchsetzu­ngsfähigen Politiker ersetzen. Markov, geboren 1952 in Leipzig, hatte in der Sowjetunio­n am Polytechni­schen Institut in Kiew studiert, dort 1976 einen Abschluss als Ingenieur für elektrisch­e Antriebe und Automatisi­erung von Industriea­nlagen gemacht. Von 1990 bis 1999 war Markov Landtagsab­geordneter in Brandenbur­g, von 1999 bis 2009 EU-Parlamenta­rier. Sein Vater, der bekannte Historiker und antifaschi­stische Widerstand­skämpfer Walter Markov, hatte ihm einst geraten, so erzählte Helmuth Markov einmal, alle zehn Jahre etwas Neues zu machen. Die zehn Jahre als Minister wären aber erst 2019 herum gewesen.

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Justizmini­ster Helmuth Markov (l.) und Finanzmini­ster Christian Görke (beide LINKE)

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