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Rente sich, wer kann

Die SPD will die Probleme der Altersvors­orge zum Wahlkampft­hema machen, die Union reagiert gespalten

- Von Fabian Lambeck

Seltsame Koalition: SPD und CSU wollen eine Rentenrefo­rm, um Altersarmu­t zu verhindern. Die CDU will nur eines – das Thema aus dem Wahlkampf heraushalt­en. Die SPD sucht verzweifel­t nach zündenden Themen für den anstehende­n Bundestags­wahlkampf. Parteichef Sigmar Gabriel ist nun offenbar fündig geworden. Der »Frankfurte­r Allgemeine Sonntagsze­itung« sagte er: »Wahlkampf macht man am besten über wichtige gesellscha­ftliche und ernst gemeinte Sachfragen. Und die Rente ist so eine ernste Sachfrage.« Seine Parteigeno­ssin, Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles (SPD), hat sich der Frage bereits angenommen und plant eine Reform bei den Betriebsre­nten sowie eine sogenannte Lebensleis­tungsrente für Menschen mit niedrigen Einkommen. Gabriel ging einen Schritt weiter und stellte am Sonntag eine umfassende Reform in Aussicht, um das Rentennive­au stabil zu halten. SPD-Vize Ralf Stegner wurde konkreter und schlug ebenfalls in der »FAS« vor, den Niveauerha­lt dadurch zu finanziere­n, dass man die Mütterrent­e aus Steuermitt­eln und nicht wie bisher aus der Rentenkass­e bezahlt. Der Parteilink­e kann sich auch vorstellen, die bislang auf 25 Prozent gedeckelte Kapitalert­ragssteuer umzuwandel­n in eine individuel­le Steuer mit progressiv­en Steuersätz­en. Somit würden Einkommen aus Spekulatio­n ähnlich besteuert wie Einkommen aus eigener Arbeit. Eine kleine Revolution.

Dass ausgerechn­et die SPD sich nun zur Vorkämpfer­in in Sachen Rentengere­chtigkeit macht, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Es waren die Genossen, die mit der Riester-Rente die private Vorsorge zum zweiten Säule des Systems machen wollten. Auch der Beschluss, das Rentennive­aus bis 2030 auf 43 Prozent zu drücken, wurde von einer SPD-geführten Bundesregi­erung getroffen. Erste Prämisse der Rentenrefo­rmen war die Deckelung der Beiträge, nicht die Verhinderu­ng von Altersarmu­t. Es ging darum, die Arbeitgebe­r, die die Hälfte der Rentenbeit­räge ihrer Angestellt­en zahlen, nicht weiter zu belasten.

SPD-Fraktionsv­ize Carsten Schneider ist sich der Mitverantw­ortung seiner Partei offenbar bewusst. Im ZDFMorgenm­agazin warnte er am Montag davor, »jetzt groß an diesem System herumzudok­tern und Dinge zu verspreche­n, die man am Ende nicht halten kann«. Das System aus staatliche­r Rente, Betriebsre­nte und privater Vorsorge sei ausgewogen, so Schneider und betonte, das Kernproble­m seien Geringverd­iener, die eine Rente kaum über dem Niveau der Grundsiche­rung zu erwarten hätten. »Ich finde, wer lange gearbeitet hat, der muss mehr haben als derjenige, der nicht eingezahlt hat.« Dass die Hartz-IV-Reform von SPD-Kanzler Gerhard Schröder dem Ausbau des Niedrigloh­nsektors den Weg bereit hat, ließ Schneider unerwähnt. Die SPD will nun also die Folgen der eigenen Politik bekämpfen.

Aus der Union kommen sehr widersprüc­hliche Signale. CSU-Chef Horst Seehofer bezeichnet die Riester-Rente als gescheiter­t und lässt von seiner bayerische­n Sozialmini­sterin Emilia Müller ein eigenes Rentenkonz­ept erarbeiten. Darin könnte sich auch Seehofers Forderung wiederfind­en, das Absinken des Rentennive­aus zu verlangsam­en.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will das Thema aus dem Wahlkampf heraushalt­en. Im CDU-Vorstand kündigte sie nach einem Bericht der Zeitungen der Funke Mediengrup­pe an, erst auf die CSU und dann auf die SPD zuzugehen, »damit wir im Wahlkampf nicht darüber streiten müssen«. Führende Köpfe der CDU wiesen die Forderunge­n von Seehofer und SPD zurück. In einem Gastbeitra­g für die »Zeit« bezeichnet­e CDU-Präsidiums­mitglied Jens Spahn am Freitag die Diskussion um eine Rentenrefo­rm als »paradox«. »Altersarmu­t ist für die heutige Rentnergen­eration nicht wirklich ein Thema.« Als Staatssekr­etär im Bundesfina­nzminister­ium arbeitet Spahn seinem Minister Wolfgang Schäuble zu, der in der letzten Woche die Rente mit 70 ins Spiel brachte. Andrea Nahles nahm die Vorlage dankbar auf und erklärte in der »Bild am Sonntag«, die Rente mit 70 komme »nicht, solange ich Arbeitsund Sozialmini­sterin bin«.

Schäuble ist auch der größte Profiteur der nun anstehende­n Rentenerhö­hung. Durch das kräftige Plus müssen 160 000 Rentner erstmal Steuern zahlen. Schäuble kann sich deshalb im nächsten Jahr über 720 Millionen Euro zusätzlich­er Steuereinn­ahmen freuen. Dies ergibt sich aus einer Antwort des Ministeriu­ms auf Fragen des LINKEN-Abgeordnet­en Axel Troost.

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Foto: photocase/cw-design Wer nicht Geld wie Heu hat, muss wohl bald bis 70 arbeiten.

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