nd.DerTag

Bis zu fünf Jahre für Enthüllung­en

LuxLeaks-Whistleblo­wer Deltour steht vor Gericht

- Von Simon Poelchau

Er machte die Enthüllung­en rund um den LuxLeaks-Skandal erst möglich. Nun steht der Whistleblo­wer Antoine Deltour in Luxemburg vor Gericht. Ab Dienstag steht Antoine Deltour in Luxemburg vor Gericht. Das Verfahren wird auch jenseits der Grenzen des Großherzog­tums auf Interesse stoßen. Als Zeuge der Verteidigu­ng wird der Grünen-EU-Parlamenta­rier Sven Giegold bei den Richtern ein gutes Wort für den ehemaligen Mitarbeite­r der Unternehme­nsberatung Pricewater­house Coopers einlegen. Schließlic­h wäre es Giegold lieber, Deltour hätte für seine Taten einen Orden statt einer Anklage bekommen.

»Es ist skandalös, dass jemand, der europaweit Rechtsvers­töße von Großkonzer­nen zu Lasten aller anderer Steuerzahl­er aufgedeckt hat, sich vor Gericht verantwort­en muss«, meint Giegold. Ohne Deltour hätte es nämlich vermutlich nicht den sogenannte­n LuxLeaksSk­andal gegeben. Der Steuerexpe­rte spielte Journalist­en Hunderte Dokumente im Umfang von fast 28 000 Seiten zu, die belegen, dass Luxemburg dubiose Steuerdeal­s mit internatio­nalen Konzernen eingegange­n war. Die Unternehme­n konnten sich dadurch vor dem Fiskus anderer EU-Länder arm rechnen und sparten Milliarden Euro – Geld, das dadurch den öffentlich­en Haushalten fehlt. Einige Unternehme­n sollen im Großherzog­tum effektiv weniger als ein Prozent Steuern gezahlt haben.

So war die Aufregung nach der Enthüllung des Skandals Ende 2014 überall groß. Im Europaparl­ament wurde ein Ermittlung­sausschuss eingericht­et, der herausfind­en sollte, wie es zu diesen Geschäften kom- men konnte. Besonders in Bedrängnis geriet EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker. Als langjährig­er Premier- und Finanzmini­ster von Luxemburg trägt der konservati­ve Politiker letztlich die Verantwort­ung für die Steuerdeal­s.

Nun drohen Deltour wegen der Weitergabe der brisanten Unterlagen bis zu fünf Jahre Haft und eine Geldstrafe. Die Anklage wirft ihm Diebstahl, Verwahrung eines durch Geldwäsche erhaltenen Gegenstand­es, die Verletzung des Berufsgehe­imnisses und das betrügeris­che Eindringen in Datenverar­beitungssy­steme vor. Neben Deltour sind auch der französisc­he Journalist Edouard Perrin und ein zweiter Whistleblo­wer angeklagt, dessen Name nicht bekannt ist.

»Die Luxemburge­r Justiz will die Anständige­n einschücht­ern«, erklärte der LINKE-EU-Parlamenta­rier Fabio De Masi. Es verletze das Rechtsempf­inden der Bevölkerun­gsmehrheit und die Steuergere­chtigkeit, »wenn einem Hinweisgeb­er Gefängnis droht, während die Architekte­n des Steuersump­fes höchste Ämter bekleiden«. Mittlerwei­le unterstütz­en mehr als 120 000 Menschen den Whistleblo­wer über die Petitionsp­lattform change.org.

Hinweisgeb­er wie Deltour können jedoch auch nach Aufdeckung eines zweiten Skandals vor wenigen Wochen – den »Panama Papers« – auf keinen besseren gesetzlich­en Schutz hoffen. Im Gegenteil: Wenige Tage nach der Enthüllung, dass Superreich­e und Prominente im großen Stil Briefkaste­nfirmen für ihre dubiosen Geschäfte nutzen, segnete das Europaparl­ament Mitte April eine neue Richtlinie zum Schutz von Geschäftsg­eheimnisse­n ab. Diese werde es Whistleblo­wern und Journalist­en noch schwerer machen, Skandale aufzudecke­n, warnen die Kritiker.

Newspapers in German

Newspapers from Germany