Vucic siegt mit Verlusten
Serbiens Premier erhält neues Regierungsmandat, verliert aber Parlamentssitze
Am Tag nach der Wahl entpuppt sich der Erfolg von Serbiens Regierungschef Vucic als Scheinsieg. Das Regieren wird durch mehr Parteien im Parlament schwieriger.
Euphorische Sieger sehen anders aus. Müde und vom Stimmenstreit sichtlich gezeichnet schritt Serbiens Premier Aleksander Vucic in der Wahlnacht zum Mikrofon. Pflichtschuldig las der sonst so eloquente Chef der nationalpopulistischen Fortschrittspartei (SNS) den Großteil seiner kurzen Ansprache von einem vorbereiteten Manuskript ab.
Der ihn »tief berührende« Wahlsieg seiner SNS sei »historisch«, die vorgezogenen Parlamentswahlen die »friedlichsten und saubersten« seit Jahrzehnten gewesen, versicherte der 46-jährige Würdenträger: »Wir haben uns und der Welt gezeigt, dass Serbien im Kampf für eine bessere Zukunft geeint ist.«
Doch die üblichen Siegesweisen von angeheuerten Blaskapellen sollten bei der ungewöhnlich matten Wahlparty der SNS nicht erschallen. Für knallende Sektkorken oder ausgelassene Reigentänze gab es trotz des klaren Wahlsiegs für die Regierungspartei auch wenig Grund. Denn der von Vucic mitten in der Legislaturperiode forcierte Urnengang hat seiner SNS trotz eines sehr aufwendig geführten Wahlkampfs erstmals nicht die erwarteten Zugewinne, sondern nur den Verlust von Mandaten und ihres bisherigen Siegernimbus beschert.
Wie beabsichtigt konnte Vucic seine Amtszeit mit dem vorgezogenen Urnengang zwar vorzeitig verlängern. Aber nicht nur wegen der Manipulationsvorwürfe der Opposition hinterließ der SNS-Sieg selbst bei deren Anhängern einen eher schalen Geschmack. Hatten die ersten Nachwahlbefragungen noch einen Erdrutschsieg für die SNS von bis zu 56 Prozent der Stimmen prognostiziert, sollten die ersten Zählergebnisse diesen bald relativieren.
Nach Auszählung von 97 Prozent der Stimmen lag die SNS laut Zentraler Wahlkommission am Montag mit 48,26 Prozent selbst etwas unter ihrem Ergebnis von 2014 (48,35 Prozent). Die Zahl der Mandate der SNS könnte wegen der gestiegenen Anzahl der im Parlament vertretenen Oppositionsparteien gar von bisher 158 auf 131 fallen.
Federn musste auch der bisherige Koalitionspartner lassen, die sozialistische SPS von Außenminister Ivica Dacic, deren Stimmenanteil von 13,49 auf 11,01 Prozent sackte. Noch ist nicht sicher, ob die eigentlich keinen Koalitionspartner benötigende SNS wieder mit der SPS ins Regierungsboot steigt, alleine regiert oder sich einen anderen Part- ner als Blitzableiter und Sündenbock für die Regierungsbank sucht. Wie auch immer die künftige Regierung zusammengesetzt ist – sie wird sich einer gestärkten Opposition gegenübersehen.
»Mehr Gedränge, kleinere Mehrheit«, umschreibt der Fernsehsender B92 die Situation im Parlament. Statt zwei könnten nun fünf Oppositionsparteien in der Skupstina vertreten sein. Drittstärkste Kraft ist die Serbische Radikale Partei des vom Hagger Tribunal freigesprochenen Vojislav Seselj, die sich von 2,01 auf 8,05 Prozent verbessern konnte.
Daneben haben die langjährige Regierungspartei DS und die ebenfalls proeuropäische Protestpartei »Es ist genug« den Einzug ins Parlament geschafft. Bangen müssen die von der DS abgespaltene SDS des früheren Präsidenten Boris Tadic sowie das rechtsklerikale Bündnis DSSDveri, die noch unter die Fünfprozenthürde rutschen könnten.