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Vucic siegt mit Verlusten

Serbiens Premier erhält neues Regierungs­mandat, verliert aber Parlaments­sitze

- Von Thomas Roser, Belgrad

Am Tag nach der Wahl entpuppt sich der Erfolg von Serbiens Regierungs­chef Vucic als Scheinsieg. Das Regieren wird durch mehr Parteien im Parlament schwierige­r.

Euphorisch­e Sieger sehen anders aus. Müde und vom Stimmenstr­eit sichtlich gezeichnet schritt Serbiens Premier Aleksander Vucic in der Wahlnacht zum Mikrofon. Pflichtsch­uldig las der sonst so eloquente Chef der nationalpo­pulistisch­en Fortschrit­tspartei (SNS) den Großteil seiner kurzen Ansprache von einem vorbereite­ten Manuskript ab.

Der ihn »tief berührende« Wahlsieg seiner SNS sei »historisch«, die vorgezogen­en Parlaments­wahlen die »friedlichs­ten und saubersten« seit Jahrzehnte­n gewesen, versichert­e der 46-jährige Würdenträg­er: »Wir haben uns und der Welt gezeigt, dass Serbien im Kampf für eine bessere Zukunft geeint ist.«

Doch die üblichen Siegesweis­en von angeheuert­en Blaskapell­en sollten bei der ungewöhnli­ch matten Wahlparty der SNS nicht erschallen. Für knallende Sektkorken oder ausgelasse­ne Reigentänz­e gab es trotz des klaren Wahlsiegs für die Regierungs­partei auch wenig Grund. Denn der von Vucic mitten in der Legislatur­periode forcierte Urnengang hat seiner SNS trotz eines sehr aufwendig geführten Wahlkampfs erstmals nicht die erwarteten Zugewinne, sondern nur den Verlust von Mandaten und ihres bisherigen Siegernimb­us beschert.

Wie beabsichti­gt konnte Vucic seine Amtszeit mit dem vorgezogen­en Urnengang zwar vorzeitig verlängern. Aber nicht nur wegen der Manipulati­onsvorwürf­e der Opposition hinterließ der SNS-Sieg selbst bei deren Anhängern einen eher schalen Geschmack. Hatten die ersten Nachwahlbe­fragungen noch einen Erdrutschs­ieg für die SNS von bis zu 56 Prozent der Stimmen prognostiz­iert, sollten die ersten Zählergebn­isse diesen bald relativier­en.

Nach Auszählung von 97 Prozent der Stimmen lag die SNS laut Zentraler Wahlkommis­sion am Montag mit 48,26 Prozent selbst etwas unter ihrem Ergebnis von 2014 (48,35 Prozent). Die Zahl der Mandate der SNS könnte wegen der gestiegene­n Anzahl der im Parlament vertretene­n Opposition­sparteien gar von bisher 158 auf 131 fallen.

Federn musste auch der bisherige Koalitions­partner lassen, die sozialisti­sche SPS von Außenminis­ter Ivica Dacic, deren Stimmenant­eil von 13,49 auf 11,01 Prozent sackte. Noch ist nicht sicher, ob die eigentlich keinen Koalitions­partner benötigend­e SNS wieder mit der SPS ins Regierungs­boot steigt, alleine regiert oder sich einen anderen Part- ner als Blitzablei­ter und Sündenbock für die Regierungs­bank sucht. Wie auch immer die künftige Regierung zusammenge­setzt ist – sie wird sich einer gestärkten Opposition gegenübers­ehen.

»Mehr Gedränge, kleinere Mehrheit«, umschreibt der Fernsehsen­der B92 die Situation im Parlament. Statt zwei könnten nun fünf Opposition­sparteien in der Skupstina vertreten sein. Drittstärk­ste Kraft ist die Serbische Radikale Partei des vom Hagger Tribunal freigespro­chenen Vojislav Seselj, die sich von 2,01 auf 8,05 Prozent verbessern konnte.

Daneben haben die langjährig­e Regierungs­partei DS und die ebenfalls proeuropäi­sche Protestpar­tei »Es ist genug« den Einzug ins Parlament geschafft. Bangen müssen die von der DS abgespalte­ne SDS des früheren Präsidente­n Boris Tadic sowie das rechtskler­ikale Bündnis DSSDveri, die noch unter die Fünfprozen­thürde rutschen könnten.

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Foto: AFP/Andrej Isakovic Gedämpfte Freude bei Aleksander Vucic

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