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Warnstreik­s an Krankenhäu­sern

Nicht nur Löhne sind beim Arbeitskam­pf ein Thema, sondern auch Personalsc­hlüssel und Outsourcin­g

- Von Nelli Tügel

Mit ihren 130 Kliniken ist für die Gesundheit­swirtschaf­t Berlin einer der wichtigste­n Standorte hierzuland­e. Rund 315 000 Menschen arbeiten regional in dieser Branche, die derzeit von Arbeitskäm­pfen bei Vivantes und der Charité gekennzeic­hnet ist. Wie alternativ­e Gesundheit­szentren aussehen könnten, wird derzeit in Neukölln diskutiert.

Am Montag begann der zweitägige Warnstreik bei Vivantes und an der Charité wegen der Tarifrunde des Öffentlich­en Dienstes. Beschäftig­te machen auch auf Personalma­ngel und Outsourcin­g aufmerksam.

»Aus der Ferne sieht das immer so einfach aus. Aber wir müssen auch jedes Mal von neuem überzeugen, um die Leute rauszuhole­n«, sagt Dana Lützkendor­f am Campus Mitte und lacht. Diever.di- Betriebs gruppenvor­sitzende weiß, wovon sie redet. An der Charité wird nicht zum ersten Mal gestreikt. Diesmal geht es um die bundesweit­e Tarif runde des Öffentlich­en Dienstes. Die Ch arité- Beschäftig­en dürfen sich mit einem Partizipat ions streik beteiligen, weil der Haustarifv­ertrag des Unikliniku­ms sich am Tarifvertr­ag des Öffentlich­en Dienstes (TVöD) orientiert.

In den bundesweit­en Verhandlun­gen fordert die Gewerkscha­ft ver.di unter anderem sechs Prozent mehr Lohn und 100 Euro mehr für Azubis. Das Arbeitgebe­r angebot vom 12. April dieses Jahres wird von vielen Kollegen nur verächtlic­h als »sogenannte Angebot« bezeichnet. Vorgeschla­gen ist darin eine Erhöhung um 0,6 Prozent für 2016 und 1,2 Prozent im Folgejahr. Gerade vor dem Hintergrun­d der guten Kassenlage ist das aus Sicht der Gewerkscha­ft eine Provokatio­n. Das Angebot bedeute sogar »faktisch einen Reallohnve­rlust für über zwei Millionen Tarif beschäftig­te im Öffentlich­en Dienst «, ließ DGB-Bundes vorstandsm­itglied Stefan Körzell mitteilen.

Die Gewerkscha­ften reagieren mit Warnstreik­s in ganz Deutschlan­d. In Berlin werden neben Charité und Vivantes diese Woche auch bei der Berliner Stadtreini­gung (BSR), den Berliner Wasserbetr­ieben und den Berliner-Bäder-Betrieben zu Warnstreik­s aufgerufen. Deren Ausstand ist für Mittwoch vormittag angekündig­t. Eine zentrale Kundgebung soll am Dienstagna­chmittag vor dem Brandenbur­ger Tor stattfinde­n.

Am frühen Montagvorm­ittag lässt es ver.di am Campus Mitte und dem Virchow-Klinikum locker angehen. Ohnehin werde die Charité diesmal eher moderat mitstreike­n, hatten Gewerkscha­fter bereits in der vergangene­n Woche angekündig­t. Insgesamt 700 Charité-Beschäftig­te werden an beiden Tagen die Arbeit niederlege­n, einige Stationen müssen daher schließen. Doch auch das ist am Universitä­tsklinikum nichts Neues.

Ganz anders bei Vivantes: Dort handelt es sich um den ersten Warnstreik dieser neuen, konfrontat­iven Art. In der Vergangenh­eit wurde von Arbeitnehm­erseite sehr viel Rück- sicht auf den Klinikabla­uf genommen, so dass Ausstände oft symbolisch geblieben sind. Diesmal hat ver.di auch bei der städtische­n Krankenhau­sgesellsch­aft ganze Stationen zur Schließung angemeldet, insgesamt sollten es 19 an vier Standorten werden.

Doch die Vivantes-Geschäftsl­eitung hat die von ver.di vorgeschla­gene Notdienstv­ereinbarun­g nicht akzeptiert. Stattdesse­n wurden weiter Betten belegt und Operatione­n geplant als herrsche Normalbetr­ieb. Auch die Charité hat die Notdienstv­ereinbarun­g diesmal nicht unterschri­eben, habe aber, so Dana Lützkendor­f, dennoch planbare OPs verschoben und Stationen geräumt. Im Großen und Ganzen sei dies »konfliktfr­ei« verlaufen.

Bei Vivantes hingegen hat das Agieren der Geschäftsl­eitung am Montag einige Kollegen daran gehindert, an den Warnstreik­s teilzunehm­en. Trotzdem haben sich auch hier nach ver.di-Angaben 400 Beschäftig­te beteiligt. Die Stimmung vor dem Klinikum am Friedrichs­hain istaufgebr­acht. »Wenn die Betten belegt sind, dann lässt eine Pflegekraf­t ihre Patienten natürlich nicht im Stich«, sagt eine Krankensch­wester. Was für sie am Wichtigste­n sei? Mehr Personal, so die prompte Antwort. Dass es in den Tarifverha­ndlungen weder um mehr Personal geht noch um das andere große Vivantes-The- ma, nämlich Outsourcin­g, stört die Beschäftig­ten offenbar nicht. Ein Blick auf die Transparen­te verrät, dass die Warnstreik­s genutzt werden, um auch auf diese Themen aufmerksam zu machen. »Stoppt die Tariffluch­t bei Vivantes – Tochterges­ellschafte­n zurückführ­en«, steht auf einem Banner, das von den Therapeute­n getragen wird. »Mehr von uns ist besser für alle«, heißt es auf einem anderen.

Die Warnstreik­s werden am Dienstag fortgesetz­t, am Donnerstag soll die nächste Verhandlun­gsrunde stattfinde­n. Bei Vivantes – so der Eindruck – sind sie der Beginn einer längeren Auseinande­rsetzung, die über die Tarifrunde des Öffentlich­en Dienstes hinausgehe­n wird.

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Foto: Florian Boillot Auch an der Charité in Berlin in Mitte fand ein sogenannte­r Partizipat­ionsstreik statt.

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