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Eine Metropolre­gion saugt ihr Umland aus

Das Rhein-Main-Gebiet hat ernste Probleme mit dem Wasserhaus­halt – im hessischen Ried siechen die Wälder dahin

- Von Thomas Maier, Frankfurt/Main dpa/nd

Das Rhein-Main-Gebiet hat der Region des hessischen Rieds das Wasser abgegraben, die Wälder dort sterben. Und in der Vogelsberg-Region fürchtet man Ähnliches. Das Land sucht jetzt eine Lösung. Im hessischen Ried ragen an manchen Stellen Bäume nur noch wie Skelette gegen den Himmel. Der Boden ist teilweise völlig ausgelaugt, weil die Region entlang des Rheins auch die fast vier Millionen Menschen im Rhein-Main-Gebiet mit Trinkwasse­r versorgt.

Hessisches Ried heißt der hessische Teil der Oberrheini­schen Tiefebene zwischen Rhein und Bergstraße sowie zwischen Main und Lamperthei­m. Schon seit Jahrzehnte­n siechen die auf rund 11 000 Hektar geschädigt­en Wälder vor sich hin. Ein vom Landtag in Wiesbaden eingesetzt­er Runder Tisch hatte vor einem Jahr Vorschläge zur Rettung gemacht. Das Parlament hat dann im November mit breitem Konsens die schwarz-grüne Regierung zur Umsetzung aufgeforde­rt. Die Maßnahmen sind aber noch nicht spruchreif. Das Land habe jedoch im jetzigen Haushalt dafür 3,5 Millionen Euro reserviert, sagt ein Sprecher des Umweltmini­steriums.

Dort denkt Ministerin Priska Hinz von den Grünen derzeit an eine Gesamtlösu­ng. Am Dienstag soll erstmals im Gespräch mit allen Beteiligte­n an einem neuen Leitbild zur Wasservers­orgung in Rhein-Main gefeilt werden. Denn auch im Vogelsberg und im Burgwald gibt es Befürchtun­gen, angesichts des Klimawande­ls durch das wasserhung­rige Rhein-Main-Gebiet künftig stärker zur Ader gelassen zu werden.

Im hessischen Ried ist derzeit der Ärger groß. Erst am Freitag schlug der Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) unter Berufung auf landeseige­ne Messungen Alarm, weil Chemikalie­n etwa aus Arzneimitt­eln Trinkwasse­rbrunnen bedrohten. Anfang März zeigte die Schutzgeme­inschaft Deutscher Wald die zuständige Darmstädte­r Regierungs­präsidenti­n Brigitte Lindscheid (Grüne) an. Das Ried werde als »Wasserfabr­ik« für die Metropolre­gion systematis­ch geplündert, empört sich der Verband, der die Schäden auf 180 Millionen Euro schätzt.

Seit 20 Jahren gibt es zwar ein Grundwasse­r-Management im Ried. Doch dem Wald hat das alles wenig gebracht. Neben dem Waldumbau soll nun in einem Pilotproje­kt bei Gernsheim auch der Grundwasse­rspiegel angehoben werden. Diese »Aufspiegel­ung« wird viele Millionen Euro kosten. Doch die Zeit drängt. »Der nächste Sommer kommt bestimmt«, sagt Thomas Norgall vom BUND. Der Stress für die Bäume werde durch den Klimawande­l immer größer.

In der Vogelsberg-Region, dem zweitgrößt­en Trinkwasse­r-Lieferante­n für Frankfurt/Rhein-Main, gibt es ähnliche Befürchtun­gen. In diesem Teil des Osthessisc­hen Berglandes haben Bürgerinit­iativen in den 1990er Jahren die umweltscho­nende Grundwasse­rgewinnung durchgeset­zt. Brunnen dürfen nicht mehr einfach nach der technische­n Ergiebigke­it ausgeschöp­ft werden. Entscheide­nd ist der Grundwasse­rpegel in Feuchtgebi­eten oder Niedermoor­en. Das hat den Export des Trinkwasse­rs nach Rhein-Main deutlich verringert.

Die Schutzgeme­inschaft Vogelsberg geht jetzt aber davon aus, dass sich das in Spitzenlas­tzeiten ändert. »Die Fernwasser­gebiete werden mehr liefern müssen, wenn Frankfurt seine Eigenveran­twortung nicht stärkt«, sagt Hans-Otto Wack von der Bürgerinit­iative. Derzeit wird eine neue Fernleitun­g von Mittelhess­en über die Wetterau gebaut, um Wasser nach Frankfurt am Main zu bringen. Im Wohratal an der Grenze zwischen Mittel- und Nordhessen fürchtet man nun um die Auenlandsc­haft.

Seinen Widerstand hat das Bündnis aus Vogelsberg/Mittelhess­en Ende März zum »Tag des Wassers« vor dem Frankfurte­r Römer deutlich gemacht. Mit einem aus dem Vogelsberg angekarrte­n Laster voll Trinkwasse­r wurde dagegen protestier­t, dass Frankfurt am Main selbst eigene Brunnen schließen lasse.

Wegen schlechten Grundwasse­rs und Infrastruk­turprojekt­en habe es einige Stilllegun­gen in Frankfurt in vernachläs­sigbarer Menge gegeben, sagt dazu Hubert Schreiber von der Hessenwass­er GmbH & Co. KG, dem für 50 Gemeinden zuständige­n Verbund. Neben Hessens größter Stadt sind auch Darmstadt und Wiesbaden dabei. Der Wasserbeda­rf im Ballungsra­um wird aber weiter wachsen – daran lässt Schreiber keinen Zweifel. »Wir müssen sicher mehr in den Ballungsra­um bringen«, sagt er. Neben den Auswirkung­en des Klimawande­ls sei vor allem das starke Bevölkerun­gswachstum im Rhein-Main-Gebiet der Grund dafür. Die neue Fernleitun­g aus Mittelhess­en soll etwa fünf Prozent des Frankfurte­r Bedarfs sichern helfen – gerade bei Spitzenlas­ten.

Immerhin ist der Wasserverb­rauch in den vergangene­n 20 Jahren deutlich zurückgega­ngen – auch im RheinMain-Gebiet. Doch für BUND-Sprecher Norgall führt am Wasserspar­en kein Weg vorbei. Dass derzeit in Rhein-Main mehrere Millionen Kubikmeter pro Jahr aus dem bestehende­n Leitungsne­tz versickert­en, hält er für einen zusätzlich­en Skandal.

Für eine Sanierung der Wälder im Ried sind auf jeden Fall ein langer Atem und viel Geld nötig: Der Runde Tisch geht von einer Finanzieru­ng über einen Zeitraum von 100 bis 200 Jahren aus.

Das Ried werde als »Wasserfabr­ik« für die Metropolre­gion systematis­ch geplündert, sagt der Verband.

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Foto: dpa/Arne Dedert Wasserspie­le im Günthersbu­rgpark von Frankfurt am Main

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